1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"EU ohne außenpolitische Strategie"

Bernd Riegert27. August 2014

Die EU brauche endlich klare gemeinsame außenpolitische Ziele und einen starken Außenbeauftragten, fordert der erfahrene europäische Außenpolitiker, Elmar Brok (CDU) im DW-Interview.

https://p.dw.com/p/1D2Yz
EU-Ukraine Gipfel in Brüssel
Bild: DW

[No title]

Am Freitag und Samstag treffen sich die EU-Außenminister zu ihrer traditionellen informellen Tagung, diesmal in Mailand unter italienischer Ratspräsidentschaft. Mit dabei ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok.

Deutsche Welle: Herr Brok, ist die Europäische Union angesichts der zahlreichen Krisenherde in ihrer Umgebung - Irak, Syrien, Libyen, Gaza und vor allem die Ukraine und Russland - außenpolitisch überfordert?

Elmar Brok: Na, ja, sie ist nicht so weit entwickelt. Der Europäische Auswärtige Dienst läuft jetzt seit fünf Jahren und es sind große Fortschritte erreicht worden. Wir stellen fest, dass das alles nicht ausreicht. Wir haben keine ausreichende Analyse. Wir haben keine einheitliche Strategie. Wie will man zum Beispiel die Ukraine-Frage auf Dauer lösen, wenn man keine gemeinsame Russland-Strategie hat, im wirklich durchgreifenden Sinne? Wir wissen nicht, wie wir mit Diktaturen und islamistischen Bewegungen in der islamisch-arabisch Welt umgehen sollen. Ich glaube, die informelle Tagung der Außenminister sollte neben den aktuellen Fragen, wie Waffenlieferungen an die Kurden und Unterstützung der Ukrainer in den Verhandlungen mit Russland, die Dinge einfach einmal grundsätzlich erörtern, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir mit den Herausforderungen in unserer Nachbarschaft fertig werden.

Ist Europa außenpolitisch gut organisiert? Es gibt zwar eine Außenbeauftragte, Catherine Ashton, die ab und an mal auftaucht, sich aber doch meistens im Hintergrund hält. Den Ton geben oft die nationalen Minister an, vorneweg der deutsche Minister Frank-Walter Steinmeier, der französische Außenminister, manchmal die Briten, manchmal die Polen, ab und an der Schwede? Wo ist das Gesicht Europas?

Das ist in der Tat so. Deshalb müssen wir sagen, in den letzten fünf Jahren waren positive Entwicklungen da, aber das Glas ist nur halb voll und bei weitem noch nicht voll. Ich glaube, dass diese dramatischen Herausforderungen, die wir haben, zeigen, dass wir sehr viel mehr noch entwickeln müssen. Jedermann ist ja klar, dass nicht abgesprochene nationale Maßnahmen ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Europa hat nur einen Stellenwert, wenn es gemeinsam handelt, die gemeinsame wirtschaftliche Kraft dahinter setzt.

EU-Außenministertreffen zur Lage in der Ukraine 03.03.2014
Schwaches Bild: Catherine AshtonBild: Reuters

Sehen Sie bei den 28 europäischen Außenministern eine Bereitschaft umzudenken in dieser Frage?

Da gibt es natürlich manchmal ein Problem. Das hat auch damit zu tun, welche Rolle jeder für sich spielt. Ich glaube, wir müssen eine gemeinsame Diskussion darüber führen, wo der Mehrwert ist. Das Ergebnis muss zählen. Wir müssen von bestimmten Traditionen weg. Man muss erkennen, dass selbst die Außenpolitik größerer Staaten wie Großbritannien, Frankreich oder Deutschland ihre Grenzen hat und die Wirksamkeit nur da ist, wenn gemeinsam gehandelt wird. Die Bevölkerung ist da sehr viel weiter. 70 Prozent der Bevölkerung möchten laut Meinungsumfragen eine einheitliche Sicherheits- und Außenpolitik. Ich hoffe, dass das jetzt auch im praktischen Sinne durchgesetzt werden kann.

Nehmen wir einmal den letzten Beschluss, die Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak als Beispiel: Die konnten nicht gemeinsam beschlossen werden, sondern da darf jedes EU-Land handeln, wie es ihm beliebt. Ist das ein Modell für künftige Entscheidungen?

Es muss nicht jeder alles machen, aber es muss abgesprochen sein und es muss gemeinsam organisiert werden. Dass der Beschluss im Rahmen der EU gefallen ist, solche Waffen zu liefern, ist gut, aber wer koordiniert das? Das koordinieren die Mitgliedsstaaten jetzt wieder untereinander mit den begrenzten Möglichkeiten, die da bestehen. Ich halte das für einen deutlichen Hinweis darauf, dass Brüssel selbst hier mehr Initiative und Fähigkeiten entwickeln muss.

Das Europäische Parlament hat ja oft andere Auffassungen geäußert als die Außenminister zu einzelnen Fragen. Wie groß ist eigentlich ihr Einfluss auf die Summe der nationalen Außenpolitiken?

Nun, da gibt es eine Wechselwirkung, aber wir sind natürlich auch besser dran. Wenn es Ernst wird, muss der Außenministerrat immer einstimmig entscheiden während wir im Europäischen Parlament die Möglichkeit der Mehrheitsentscheidung haben. Da zeigt, dass die EU-Außenbeauftragte, die ja auch Vizepräsidentin der EU-Kommission ist, mit ihrem Apparat verstärkt Führung übernehmen muss. Trotz der Einstimmigkeit muss sie so viel Druck mit Vorschlägen erzeugen, dass der Rat gezwungen ist, voran zu gehen und nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen kann. Das ist eine unserer dringendsten Forderungen, die wir für die neue Amtszeit aufstellen werden.

Italien neue Regierung in Rom Parlament Federica Mogherini Außenministerin
Berufsanfängerin: Federica MogheriniBild: Reuters

Am Sonnabend wollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Sondergipfel einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Frau Ashton im Amt der Außenbeauftragten bestimmen. Italien hat die ja eher unerfahrene italienische Außenministerin Federica Mogherini ins Rennen geschickt. Wäre sie die richtige Wahl?

Wir haben ja auch andere Vorschläge gemacht. Wir müssen feststellen: Nachdem der Christdemokrat Jean Claude Juncker EU-Kommissionspräsident ist, haben die Sozialisten Zugriff auf den Posten. Die Sozialisten haben sich auf Frau Mogherini geeinigt. Wir sehen das mit einem gewissen Unwohlsein aufgrund der mangelnden Erfahrung. Wenn das jetzt aber unvermeidlich sein sollte aufgrund der Politik der Sozialisten, dann werden wir klare Bedingungen äußern. Auf diese Art und Weise soll deutlich gemacht werden, dass in den Entscheidungsabläufen, in den Positionen drumherum, die entsprechende Führung auch wahrgenommen wird. Einen entscheidenden Vorteil hat Frau Mogherini gegenüber Frau Ashton. Sie hat die Unterstützung ihrer eigenen Regierung während Frau Ashton als Labour-Politikerin mit einer euroskeptischen Regierung in Großbritannien ja mehr Schwierigkeiten als Unterstützung hatte.

Die osteuropäischen Mitgliedsstaaten werfen Frau Mogherini vor, sie sei zu Russland-freundlich. Ich erinnere mich an Äußerungen aus Litauen, dass sie auf keinen Fall gehe. Kann man Frau Mogherini gegen die Nachbarstaaten Russlands durchsetzen?

Diese Bedenken muss sie ausräumen und das ist ihr auch deutlich gesagt worden. Da beruft man sich vor allem auf das Papier der italienischen Ratspräsidentschaft zur östlichen Nachbarschaftspolitik. Ich glaube, dass sie da klar Stellung beziehen muss und wird. Ich nehme an, dass sie das bei der informellen Außenministertagung auch tun wird.

Braucht man nach der eher farblosen Frau Ashton nicht doch eine starke Persönlichkeit, die sich durchsetzen kann. Wen würden sie vorschlagen?

Tja, ich habe ja Radek Sikorski (polnischer Außenminister) oder Carl Bildt (schwedischer Außenminister) oder Elisabeth Guigou (ehemalige Ministerin) aus Frankreich. Aber einer von uns, von den Christdemokraten, kann es gar nicht werden, weil die Sozialisten den Posten für sich reklamieren. Die Sozialisten müssen auch deutlich machen, dass sie jetzt auch in der Pflicht sind, eine stärkere Persönlichkeit vorzuschlagen. Sie sind auch in der Pflicht, die entsprechenden Freiräume für diese Person zu schaffen, damit die Nachfolgerin in einer stärkeren Position ist, als das Frau Ashton war.

Elmar Brok (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments. Der 68-jährige Konservative ist bereits seit 1980 Abgeordneter im Europäischen Parlament.