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Mit Gewalt gegen Schlepper

Bernd Riegert18. Mai 2015

Die EU hat es eilig: Bereits ab Juni soll im Mittelmeer eine Militärmission der Gemeinschaft gegen Schleuser beginnen. Die deutsche Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen, erfuhr Bernd Riegert in Brüssel.

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Flüchtlingsschiff im Mittelmeer, Foto von Reuters
Bild: Reuters/I. Zitouny

Der "Jumbo-Rat", also alle Außen- und Verteidigungsminister der Europäischen Union, hat in Brüssel eine neue Militärmission der EU auf den Weg gebracht. Um den Schleuserbanden in Libyen, die jede Woche Tausende von Flüchtlingen aufs Mittelmeer Richtung Europa schicken, das Handwerk zu legen, will die EU notfalls auch Gewalt anwenden. Die EU beauftragte daher einen italienischen Admiral mit Hauptquartier in Rom, Einsatzpläne und militärische Regeln zum Kampf gegen Schlepperboote auszuarbeiten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die aus Italien, dem Hauptzielland der Flüchtlinge, stammt, hatte bei den Außenministern Dampf gemacht und sich mit ihrem ehrgeizigen Zeitplan durchgesetzt. "Die Planung und Vorbereitung einer militärischen EU-Mission in weniger als einem Monat ist absoluter Rekord", lobte sich Frau Mogherini vor der Presse in Brüssel selbst. "Wenn der politische Wille da ist, dann kann man auch etwas bewegen."

EU Mogherini beim EU-Außen- und Verteidigungsministertreffen, Foto von Francois Lenoir/Reuters
Mogherini (Mi.) im Jumborat: Rekordverdächtig?Bild: Reuters/F. Lenoir

Aufklären, Aufbringen, Versenken

In vier Phasen will die Europäische Union gegen die Menschenschmuggler vorgehen. Zunächst soll die Aufklärung durch Marine-Flugzeuge und Satelliten verbessert werden, um zu erkennen, wann und wo die Schiffe mit Flüchtlingen losgeschickt werden. In einer zweiten Phase sollen mutmaßliche Schlepperboote in internationalen Gewässern aufgebracht und zerstört werden. In der dritten Phase würde dies auch in libyschen Hoheitsgewässern geschehen. Als vierte Stufe sind Aktionen gegen Boote und Einrichtungen der Schlepper in den Hafenstädten, also auf libyschem Boden, angedacht. Bodentruppen sind zunächst nicht vorgesehen. Die Schlepper sollen aus der Luft oder von EU-Schiffen aus beschossen werden.

EU arbeitet an UN-Mandat

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sagte, die Militäraktion richte sich nicht gegen Flüchtlinge. Denn es sollten natürlich keine Schiffe zerstört werden, auf denen sich noch Migranten aufhielten. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte in Brüssel, die "Rettung muss Vorrang haben." Die EU-Außenbeauftragte verhandelt parallel zu den Vorbereitungen der Militäraktion mit den Mitgliedern des Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen über eine Resolution, die die völkerrechtliche Grundlage für die EU-Mission schaffen soll. Für ein Vorgehen gegen Schlepperboote, die unter libyscher Flagge fahren, brauche man ein UN-Mandat, sagte Federica Mogherini. Sie bemühe sich auch um ein Abkommen mit den libyschen Behörden. In dem nordafrikanischen Staat gibt es allerdings zwei konkurrierende Regierungen und Parlamente sowie eine Reihe von Milizen, die zum Teil mit den Schleusern zusammenarbeiten sollen. "Wir sind hoffentlich in der Lage, bereits im nächsten Monat im Rat der Außenminister möglicherweise den richtigen Startschuss für die Mission zu geben", kündigte Mogherini an.

Notfalls ohne Libyen

Mit ernsthaftem Widerstand etwa der Vetomächte Russland oder China rechnet die EU-Chefdipolmatin nicht mehr. Der Außenminister Österreichs, Sebastian Kurz, der sich ungeduldig für die EU-Mission eingesetzt hatte, sagte, man wolle auf jeden Fall ein UN-Mandat zur Absicherung. Falls eine Verständigung mit den libyschen Behörden nicht möglich sei, müsse es notfalls auch ohne gehen. "Wir können es uns ja nicht schwerer machen, als es ohnehin schon ist", so Kurz. Die afrikanischen Herkunftsländer und auch Libyen trügen Verantwortung für die Migranten. Man wolle mit den Herkunftsländern enger zusammenarbeiten, kündigte Federica Mogherini an. "Man darf sie aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen."

Der libysche Botschafter bei der Europäischen Union war auf Anfrage der Deutschen Welle zu keiner Stellungnahme bereit. Der UN-Botschafter der international anerkannten Regierung hatte in New York eine Militäraktion "keine gute Idee" genannt. Die Unterscheidung zwischen Fischerbooten und Schlepperschiffen sei sehr schwierig. "Das kann für die Fischer katastrophal werden", warnte Botschafter Ibrahim al Dabaschi.

Von der Leyen mit Hammond beim EU-Außen- und Verteidigungsministertreffen, Foto von Francois Lenoir/Reuters
Von der Leyen (li.): Gebremste Begeisterung für EU-MissionBild: Reuters/F. Lenoir

Deutschland beteiligt sich vielleicht

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstützt die EU-Mission gegen die Schlepperbanden, schränkte aber ein: "Wir wissen, dass die Mission keine Antwort ist, die das Flüchtlingsproblem in irgendeiner Form beseitigt." Steinmeier hatte bereits letzte Woche bei einer NATO-Tagung angekündigt, dass sich Deutschland sicherlich in irgendeiner Form an der neuen Militäraktion beteiligen werde. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen sah in Brüssel aber keinen "Automatismus" für eine Beteiligung der Bundesmarine an einer Bekämpfung von Schlepperbooten. Noch ist nicht klar, welche Länder wie viele Schiffe und Flugzeuge stellen werden. Die EU-Mitgliedsstaaten hätten in den nächsten Wochen Gelegenheit, ihre Beiträge an das neue Hauptquartier in Rom zu melden, erläuterten EU-Diplomaten das Verfahren. Eine Beteiligung der Bundeswehr muss vom Bundestag genehmigt werden.

Kritik aus den eigenen Reihen

Zurzeit beteiligen sich zwei deutsch Schiffe in dem Seegebiet an der verstärkten Rettung von Schiffbrüchigen. Der deutsche Minister für Entwicklungshilfe, Gerd Müller, kritisierte die EU-Militäraktion in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse". Sie berge zu viele Risiken und löse das eigentliche Problem nicht.

Kritische Stimmen kommen auch von Parlamentariern und Hilfsorganisationen für Flüchtlinge. Der "Europäische Rat für Flüchtlinge und Migration" in Brüssel etwa glaubt, dass die Lage der Flüchtlinge, die in Libyen unter widrigsten Umständen auf eine Überfahrt nach Europa warteten, noch schlechter werde. Missbrauch und Ausbeutung der Flüchtlinge würden verschärft, wenn sie das Land nicht mehr verlassen könnten, so die Nicht-Regierungsorganisation. Die EU-Kommission schätzt, dass eine halbe Million Menschen, vornehmlich aus Afrika und Syrien, in Libyen auf eine Fluchtmöglichkeit wartet. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR) kamen allein bis Anfang Mai rund 60.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer, hauptsächlich nach Italien, wo die Aufnahmelager schwer belastet seien. Rund 1800 kamen bei der Überfahrt ums Leben, so der UNHCR.

Auffanglager Surman in Libyen, Foto von Maryline Dumas/DW
Flüchtlinge in Libyen: Warten auf die ÜberfahrtBild: DW/M. Dumas