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Ménage à 27

Christoph Hasselbach6. Februar 2013

Schon zum zweiten Mal kommen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel zusammen, um das EU-Budget der Jahre 2014 bis 2020 zu beschließen. Auch diesmal ist ein Erfolg keineswegs sicher.

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Flaggen von EU-Mitgliedsländern Photo: DW
Bild: DW

Die Erwartungen sind hoch. Im November waren die Staats- und Regierungschefs im Streit um den nächsten Siebenjahreshaushalt auseinandergegangen. Es war ein Scheitern auf offener Bühne. Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief die Regierungen in einer Rede vor dem Europaparlament dringend zur Einigung auf: "Weitere Verzögerungen würden eine sehr negative Botschaft in dieser Zeit einer zerbrechlichen wirtschaftlichen Erholung aussenden." Sonst würden sich die Fronten nur noch mehr verhärteten, und eine Einigung wäre noch schwieriger.

Aber die Konfliktlinien sind geblieben. Nach wie vor verlangen einige der reichen Länder im Norden, darunter Deutschland, die Niederlande oder Schweden, weitere Budgetkürzungen. Ihr Argument: Wenn überall auf nationaler Ebene gespart wird, dann kann der EU-Haushalt nicht ungeschoren davonkommen. Am radikalsten gab sich damals der britische Premierminister David Cameron. Ihm gingen auch die Kompromissversuche von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy noch längst nicht weit genug. Und er will den britischen Rabatt auf die Zahlungen in die Gemeinschaftskasse unbedingt behalten. Auch andere Länder bekommen allerdings Rabatte, darunter Deutschland, oder wollen neuerdings einen Nachlass. 

Fronten mitten durch die Parteien

Andere drehen das Sparargument dagegen um: Eben weil die Sparpolitik in den Mitgliedsstaaten und vor allem in den schwachen Ländern im Süden so viel Arbeitslosigkeit und Leid hinterlasse, müsse das europäische Budget einen Ausgleich schaffen. Einer der Wortführer unter den Staats- und Regierungschefs für diese Argumentation ist der französischer Staatspräsident François Hollande.  "Sparen ja, die Wirtschaft schwächen nein", rief er am Dienstag (05.02.2013) ebenfalls den Abgeordneten des Europaparlaments entgegen.

Europaparlament von außen Photo: DW
Europaparlament Straßburg: monatlicher UmzugBild: DW/P.Böll

Die meisten hat er damit auf seiner Seite. Sozialisten-Fraktionschef Hannes Swoboda betonte: "Es ist ein sehr, sehr kleines Budget" und meint damit die Tatsache, dass der EU-Haushalt nur etwa ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union ausmacht. Zahlreiche Christdemokraten erinnern ihre Regierungen aus der selben Parteienfamilie an deren europapolitische Sonntagsreden, in denen sie mehr europäische Zuständigkeiten forderten, nur um dann das Geld dafür zu verweigern. Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul etwa fordert: "Wenn man sparsam mit dem Geld umgehen will, dann muss man auch die Frage beantworten, welche Aufgaben stellt man dann infrage." Und die Grünen-Kovorsitzende Rebecca Harms ist schon jetzt sicher, alle Kürzungen würden ausgerechnet zulasten von Zukunftsbereichen gehen. "Sie werden diejenigen treffen, die Innovationen wollen, die nachhaltige Entwicklung wollen, die mehr Forschung, mehr Bildung, mehr Inklusion für arbeitslose Jugendliche wollen."

Doppelter Parlamentssitz "Inbegriff der Verschwendung"

Im Parlament gibt es wenige, die offen für Einsparungen sind. Zu ihnen gehört Martin Callanan, Chef der Konservativen, der Partei David Camerons. Callanan will ein grundsätzliches Umdenken: Statt einen nur immer größeren Haushalt solle die EU einen "besseren" aufstellen und überflüssiges "Fett wegschneiden". Für Callanan gehört zum Beispiel ein Gutteil der Landwirtschaftssubventionen zum Fett. Sie machen rund 40 Prozent des gesamten Hauhalts aus. Ein weiteres Beispiel sieht er im doppelten Parlamentssitz: Einmal im Monat ziehen die Brüsseler Europaabgeordneten zur Plenumswoche ins französische Straßburg. Callanan sieht darin "den Inbegriff der EU-Verschwendungssucht".

Kommissionspräsident Barroso ist sich schon vor dem Gipfel sicher, "dass leider jedwede Einigung der Staats- und Regierungschefs unter dem liegen wird, was Kommission und Parlament gehofft hatten." Die Kommission hatte anfangs mehr als eine Billion, also tausend Milliarden Euro gefordert. Inzwischen werden Summen von 950 bis 970 Milliarden genannt. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der zwischen den Mitgliedsländern vermitteln muss, sagt nicht ohne Stolz: "Zum ersten Mal überhaupt wird es reale Kürzungen, verglichen mit dem laufenden Haushalt, geben."

Es geht auch mit Jahresbudgets

Doch sollten sich die Staats- und Regierungschefs einigen, könnten sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Der Wirt ist das Parlament, das dem Siebenjahreshaushalt erstmals zustimmen muss. Die große Mehrheit würde das Budget am liebsten ausweiten, so wie die EU-Kommission. Parlamentspräsident Martin Schulz sagt klipp und klar: "Je weiter sich der Rat von den Zahlen der Kommission entfernt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Parlament diesen Kompromiss ablehnt."

Verhofstadt gestikuliert Photo: FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images
Verhofstadt: wie in der SowjetunionBild: FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images

Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen, fordert seine Abgeordnetenkollegen auf, sich nicht unter Druck setzen oder sich die Zustimmung am Ende "abkaufen" zu lassen. Ein Kompromiss mit dem Parlament könnte darin bestehen, Elemente der Flexibilität in den Haushalt einzubauen: dass man zum Beispiel nach drei Jahren, falls sich die wirtschaftlichen Bedingungen grundlegend wandeln, Änderungen vornimmt. Und wenn trotz aller Versuche am Ende eine Einigung scheitert? Verhofstadt ficht das nicht an. Dann muss mit jährlichen - ungekürzten - Haushalten des Volumens von 2013 weitergearbeitet werden, bis es eben doch eine Einigung gibt. Verhofstadt ist ohnehin für jährliche Haushalte, schon weil das den Einfluss des Parlaments stärken würde. Ihm falle einzig die untergegangene Sowjetunion ein, die Fünfjahrespläne hatte, und die EU habe sogar einen Siebenjahreshaushalt! Es war wohl die einzige Stelle der gesamten Debatte, die für Lacher sorgte. Ansonsten ist allen Beteiligten gerade wenig nach Lachen zumute.