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EU erhöht Druck auf Kroatien

Srecko Matic / Sinisa Bogdanic21. August 2013

Im Streit um die Auslieferung des früheren Geheimdienstlers Josip Perkovic droht die EU dem Neu-Mitglied Kroatien mit einer Blockade von Finanzhilfen. Perkovic gilt als Drahtzieher eines Auftragsmordes in Deutschland.

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Kroatische Flagge und EU-Flagge vor Fenstern in Zagreb (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Das jüngste EU-Mitglied Kroatien hat Brüssel schon früh verärgert: Nur zwei Tage vor seinem EU-Beitritt am 1. Juli 2013 verabschiedete Zagreb eine umstrittene Gesetzesänderung, die die Auslieferung von mutmaßlichen Verbrechern verbietet, wenn die Straftat vor dem 7. August 2002 begangen worden war. Kroatien habe "einseitig die Spielregeln geändert", kritisierte Gunther Krichbaum, Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag, im DW-Interview.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderte die kroatische Regierung auf, die Bestimmungen zum Europäischen Haftbefehl "alsbald" und "umfänglich" umzusetzen. In der Nacht von Freitag auf Samstag (23.-24. August 2013) läuft das Ultimatum der Kommission ab: Bis dann solle der kroatische Justizminister Orsat Miljenic verbindlich erklären, dass die Gesetzesänderung zurückgenommen wird.

Die Rückabwicklung des Gesetzes müsse "bis zum frühen Herbst" abgeschlossen sein, so Reding in einem Schreiben, das auch Journalisten einsehen konnten. Sollte dies nicht passieren, werde die EU-Kommission "alle Handlungsoptionen prüfen", die ihr zur Verfügung stehen: Unter anderem ist die Rede von der teilweisen Blockade von Finanzhilfen.

Porträt der EUU-Justizkommissarin Viviane Reding (Foto: EPA)
EU-Justizkommissarin Reding droht, Kroatien den Geldhahn zuzudrehenBild: picture-alliance/dpa

Die umstrittene Gesetzesänderung schützt den pensionierten Geheimdienstoffizier Josip Perkovic und weitere 20 in Kroatien lebende mutmaßliche Straftäter vor der Auslieferung.

Jagd auf "innere Feinde"

Perkovic war früher ein hochrangiger Offizier des gefürchteten jugoslawischen Dienstes der staatlichen Sicherheit (Uprava drzavne sigurnosti - UDBA). Die Geheimpolizei der kommunistischen Machthaber war ständig auf der Jagd nach sogenannten "inneren Feinden" Jugoslawiens und politisch aktiven Emigranten.

Die UDBA, namentlich auch Josip Perkovic, wird unter anderem für den Mord am kroatischen Dissidenten und ehemaligen Erdöl-Unternehmer Stjepan Djurekovic verantwortlich gemacht. Das Verbrechen geschah 1983 im bayerischen Wolfratshausen. Obwohl die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe seit 2009 die Auslieferung des ehemaligen Geheimdienstlers verlangt, passierte bislang nichts. Während sich viele Beobachter im Ausland fragen, warum Kroatien mutmaßliche Kriminelle schützt, lebt Perkovic unbehelligt in einem Zagreber Nobel-Viertel.

Porträt des kroatischen Ex-Geheimdienstlers Josip Perkovic (Foto: DW)
Der kroatische Ex-Geheimdienstler Josip PerkovicBild: DW

Alte Wunden in Kroatien

Der Fall Perkovic hat in Kroatien alte Wunden wieder aufgerissen. Es geht um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit und um die Frage, wieso der ermordete Djurekovic den kommunistischen Machthabern ein Dorn im Auge war. Der kroatische Enthüllungsjournalist Zeljko Peratovic behauptet im Gespräch mit der DW, Djurekovic sei vor allem eine Gefahr für die Karriere des Politikers Mika Spiljak gewesen, der Ende 1983 turnusgemäß die Führung des jugoslawischen Staates übernehmen sollte.

Eine Korruptionsaffäre beim kroatischen Erdöl-Unternehmen INA, in die sein Sohn verwickelt war, habe ihm im Weg gestanden, sagt Peratovic. "Der Unternehmer Djurekovic sollte im Korruptionsskandal aussagen", so der Journalist. "Spiljak Senior soll Angst bekommen haben, dass dieser über die illegalen Praktiken seines Sohnes auspackt und dadurch die Karriere des Vaters gefährdet." Damit das alles nicht passiert, habe die politische Führung des damaligen Jugoslawien dem Geheimdienst UDBA den Befehl zum Mord an Djurekovic gegeben, sagt Peratovic. "Nach dem Mord wurde Spiljak tatsächlich jugoslawischer Präsident. Und der Geheimdienstler Josip Perkovic stieg auf zum Chef der kroatischen UDBA“.

Der kroatische Historiker Ivo Banac behauptet im DW-Gespräch, es gebe keine Zweifel daran, dass die UDBA "eine Schlüsselinstitution in dem kommunistischen totalitären System“ Jugoslawiens war. Die UDBA kontrollierte die Gesellschaft mit Hilfe der Medien und eines dichten Netzes an Informanten, so Banac.

Hüter von Tudjmans Geheimnissen?

Doch wieso tut sich Kroatien heute so schwer mit der Auslieferung eines ehemaligen Vertreters dieses gefürchteten Geheimdienstes? Im neuen EU-Mitgliedsland wird in den Medien darüber gesprochen, dass Perkovic nach einer Auslieferung unbequeme Geheimnisse über kroatische Politiker und die verdeckten Aktionen der kroatischen und jugoslawischen Geheimdienste verraten könnte. Er soll angeblich in den 1990er Jahren sehr enge Beziehungen zum früheren kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gepflegt haben. Nachdem Kroatien 1991 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, war ausgerechnet Perkovic dafür zuständig, den Geheimdienst des jungen Staates aufzubauen und zu führen. Heute sei er immer noch gut vernetzt mit ranghohen Politikern, gibt Enthüllungsjournalist Peratovic zu bedenken.

Feiernde Kroaten mit EU-Flaggen am Vorabend des EU-Beitritts ihres Landes (Foto: Getty Images)
Feierlichkeiten in Kroatien am Vorabend des EU-BeitrittsBild: AFP/Getty Images

Er wisse tatsächlich einiges über "viele wichtige Leute in Kroatien", sagte Perkovic neulich im Interview für eine kroatische Tageszeitung. Seine Worte klangen wie eine Drohung. Es gebe immer noch ein aktives Netz, das die Interessen der Seilschaften der Vergangenheit schütze, kritisiert Historiker Banac. Er hofft, dass der Druck aus dem Westen "eine Art Katalysator in der Auseinandersetzung mit den Leichen im Keller der kroatischen Geschichte“ sein kann.