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Direkte Demokratie mit Hindernissen

Daphne Grathwohl26. März 2012

Ein Thema treibt Sie um, das von der EU dringend geregelt werden müsste? Aber niemand kümmert sich darum? Seit April können Sie es selbst in die Hand nehmen - mit Hilfe der Europäischen Bürgerinitiative.

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Das Kollegium der EU-Kommission in einer Arbeitssitzung, hier bei Beratungen über ein Strafverfahren gegen Ungarn (Foto:. REUTERS)
Bild: Reuters

Wenn Sie in Europa mit einer Bürgerinitiative etwas verändern wollen, benötigen Sie Mitstreiter mit Wahlberechtigung aus mindestens sechs weiteren EU-Staaten. Gemeinsam gründen Sie einen Bürgerausschuss, den Sie bei der EU-Kommission registrieren lassen. Denn die Kommission hat auf europäischer Ebene das alleinige Initiativrecht für Gesetzesvorhaben, über die dann vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat entschieden wird.

Kleine Rechtslücke

Vor der Antragstellung empfiehlt sich allerdings eine kleine Rechtsprüfung. Eine Bürgerinitiative ist nur möglich, wenn Brüssel auch der richtige Ansprechpartner ist. Manche Fälle sind eindeutig: Für Fragen der Zollunion oder des Außenhandels ist die EU zuständig, Bildungsfragen indes entscheiden die Mitgliedsstaaten selbst. Manchmal sind die Kompetenzen allerdings äußerst kompliziert verteilt: Das Rauchverbot zum Beispiel wurde national geregelt, während die EU ein europaweites Tabak-Werbeverbot durchgesetzt hat.

Wenn Sie kein Gesetz anstoßen, sondern sich lediglich über einen Missstand beschweren wollen, gibt es alternativ noch die Petition und die Beschwerde beim Bürgerbeauftragten. Beschreiben Sie also genau den Gegenstand und die Ziele ihrer Initiative und geben Sie an, welche Bestimmungen in den EU-Verträgen Sie in diesem Zusammenhang für relevant halten.

Der EU-Bürgerbeauftragte und Ombudsman Nikoforos Diamandouros (Foto: dpa)
Der EU-Bürgerbeauftragte Diamandouros bearbeitet BeschwerdenBild: picture alliance / dpa

Kleine Budgetlücke

Als nächstes müssen Sie die Ihnen bereits bekannten Finanzierungsquellen angeben – jedenfalls Sponsoren, die Ihre Initiative mit mehr als 500 Euro im Jahr unterstützen. Schließlich sind eine Million Unterschriften mitsamt Adressen erforderlich. Dafür müssten 1000 Engagierte in einem Jahr 1000 EU-Bürger – also etwa drei pro Tag - von dem Vorhaben überzeugen. Das kostet viel Personal, viel Zeit und damit – viel Geld. Ohne Sponsoren werden Sie also nicht weit kommen.

Kleine Datenschutzlücke

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, wird Ihre Initiative von der EU-Kommission registriert. Jetzt können Sie anfangen, Unterstützerunterschriften samt Namen, Anschrift, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit zu sammeln. Das können Sie auf Papier tun oder online. In beiden Fällen muss garantiert sein, dass die Daten nur für den vorgesehen Zweck verwendet und danach vernichtet werden.

Passanten tragen sich ein Bürgerbehren in Deutschland ein (Foto: dpa)
Mühevolle Überzeugungsarbeit: Eine Million EU-Bürger müssen die Initiative unterstützenBild: picture-alliance/dpa

Wenn Sie technisch versiert sind, können Sie die Unterstützer Ihrer Bürgerinitiative im Internet sammeln. Dafür stellt die EU-Kommission eine entsprechende Software zur Verfügung. Sie können aber auch ein eigenes Online-Sammelsystem nutzen, das den datenschutzrechtlichen Sicherheitsanforderungen entsprechen muss. Eine entsprechende Bescheinung bekommen Sie von der zuständigen Behörde in Ihrem Heimatland.

Auf Bedenken des Europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx haben die Entwickler der EU-Bürgerinitiative weitestgehend reagiert: In der veröffentlichten Unterstützerliste steht nicht mehr die Email-Adresse und die Postanschrift der Unterzeichnenden. Auch muss niemand seine persönliche Identifikationsnummer angeben, wenn er eine Initiative unterstützt. Unklar ist aber, wer überprüft, dass die Daten bis zum Abschluss der Bürgerinitiative sicher aufbewahrt und danach vernichtet werden. Fest steht allerdings, dass Sie als Organisator haften, wenn die sensiblen Daten Ihrer Unterstützer durch eine Sicherheitslücke rutschen und unrechtmäßig verwenden werden.

Der Niederländer Peter Hustinx ist der Datenschutzbeauftragte der EU (Foto: dpa)
Ein Augenmerk auf Datenlecks: Peter Hustinx, der Datenschutzbeauftragte der EUBild: picture-alliance/dpa

Eine Million Unterstützer aus sieben Staaten

Sie müssen nicht in allen Mitgliedsstaaten Unterstützer finden: Die erforderliche Million Unterschriften muss aber aus mindestens sieben Staaten stammen. Dabei gib es je nach Land eine bestimmte Mindestzahl an Unterzeichnern – je nach Bevölkerungszahl: aus Deutschland müssen es zum Beispiel mehr als 74.000 sein, aus Malta dagegen nur 4500. Die gesammelten Unterschriften lassen Sie sich dann noch von den zuständigen nationalen Behörden bescheinigen.

Wenn Sie dann alles zusammengetragen haben, entscheidet die EU-Kommission, ob sie Ihre Initiative annimmt. Falls ja, wird das normale Gesetzgebungsverfahren eingeleitet: Die EU-Kommission präsentiert das Vorhaben Europaparlament und Europäischem Rat. Wenn diese es annehmen, könnte aus Ihrer Europäischen Bürgerinitiative innerhalb von etwa zwei Jahren tatsächlich ein Gesetz werden.

Flaggen vor dem Europäischen Parlament in Straßburg (Foto: Francois Lafite/Wostok Press/Maxppp)
Am Ziel: Der EU-Gesetzgeber beschließt das geforderte GesetzBild: picture-alliance/dpa