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Das Tor zur Welt und sein Entstehungsmythos

6. Mai 2009

Super Umschlagzahlen und beim Feiern weltweit Spitze. So schauen die Hamburger auf ihren Hafen, dessen Geburtstag alljährlich mit einem riesigen Spektakel begangen wird. Doch das Datum ist eine Erfindung.

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Großes Segelschiff mit gesetzten Segeln
Hamburg läuft aus!Bild: Nico Maack (N)

Jahr für Jahr feiert die Freie und Hansestadt am 7. Mai ihren Hafengeburtstag. 2006 zählte die Traditions-veranstaltung 1,5 Millionen Besucher. "Der Hafen bleibt für Hamburg der entscheidende Wirtschaftsfaktor", sagt Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust. Dabei kennt kaum jemand den Anlass: Am 7. Mai 1189, hatte Kaiser Friedrich Barbarossa der Stadt einen Freibrief ausgestellt. Das Dokument gilt gewissermaßen als Geburtsurkunde des Hafens. Neben anderen Privilegien wird in der lateinisch verfassten Urkunde festgelegt, dass die Hamburger "mit ihren Schiffen, ihren Waren und ihrer Bemannung von der See bis zur genannten Stadt von allem Zoll und Ungeld" frei sein sollten.

Hafen mit Geschichte

Großes Segelschiff mit gesetzten Segeln
Hisst die Segel - aber alles nur SchmuhBild: Nico Maack (N)

Bereits um 830 besaß Hamburg einen kleinen Hafen. Zu dieser Zeit baute Ludwig der Fromme die Hammaburg zu einem Brückenkopf für die Christiani-sierung aller nördlich der Elbe gelegenen Länder und Völker aus. An einem Wasserarm der Alster konnten Boote festmachen. Daraus entstand die Keimzelle des heutigen Hafens.Doch erst unter dem kaiserlichen Schutz baute die Stadt ihren Handel aus und konnte froh sein, dass sich das Schriftstück erst 1982 als Fälschung herausstellte. Da hatte Hamburg seine Stellung unter den Welthäfen längst gefestigt, resümiert der ehemalige Leiter des Hamburger Staatsarchivs, Hans-Dieter Loose: "Der Freibrief stammt tatsächlich aus den sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts, als es Streitigkeiten zwischen Hamburg und den Erzbischof von Bremen wegen Zollerhebungen auf der Elbe gab." Erst als Erzbischof eine entsprechende Urkunde sehen wollte, so Loose, stellte sich für die Hamburger die Notwendigkeit, eine solche Urkunde vorzuweisen. "Der Stadtschreiber von Hamburg hat sie dann offensichtlich hergestellt."

F wie Fälschung

Bereits im 19. Jahrhundert hatten Historiker den Verdacht geäußert, bei der Urkunde könne es sich um eine Fälschung handeln. So registrierten die Wissen-schaftler mit Erstaunen, dass der kaiserliche Freibrief Neunburg an der Donau als Ausstellungsort nennt. Dabei war aus anderen Quellen bekannt, dass sich Barbarossa am Tag der Unterzeichnung gar nicht in Neuenburg, sondern in Regensburg aufhielt. Hier bereitete sich der Kaiser auf den dritten Kreuzzug vor, um das Heilige Land zu befreien. "Es kam nun die Furcht auf", so Loose, "dass dieses, für den Status der Stadt als freie Reichsstadt so entscheidende Dokument, wenn es in Zweifel gezogen würde, dann auch die ganze Stellung der Stadt im Reiche gefährden werden könnte." Wissenschaftler fanden heraus, dass sich der Hamburger Stadtschreiber sogar im Siegel geirrt hatte. Nicht das Siegel Barbarossas ziert die Urkunde, sondern das seines Enkels Friedrich II., der von 1212 bis 1250 regierte.

Hamburger Seilschaften

Auslaufparade - ein Spektakel beim Hafengeburtstag
Hafenballett und große FregattenBild: Stephan Wallocha (WA)

Der Streit um das gefälschte Kaiser-Privileg ist dennoch nicht beigelegt. Einige Historiker vertreten die These, dass es überhaupt keine Verhandlungen zwischen Barbarossa und den Grafen von Schauenburg, der für Hamburg tätig war, gegeben haben soll. Der Freibrief, die Privilegien und das Datum vom 7. Mai 1189 seien reine Erfindungen aus dem 13. Jahrhundert, als Hamburg seinen Anspruch auf Zollfreiheit legitimieren musste. Dagegen geht eine andere Theorie von der Existenz der kaiserlichen Urkunde aus, die aber verloren gegangen sei. Die Fälschung, die sich heute im Hamburger Staatsarchiv befindet, wäre demnach eine Abschrift des Originals. Schließlich besagt eine dritte These, dass es sich um mündliche Zusagungen Barbarossas handelte. Da der Kaiser aber während des Kreuzzuges starb, konnte die Urkunde nicht mehr ausgefertigt werden.

Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen

Auf der Trostbrücke im Hamburger Hafen erinnert heute eine Statue an den dritten Grafen Adolph von Schauenburg. Er hatte den glänzenden Einfall, der Stadt den Freibrief vom 7. Mai 1189 zu verschaffen. Alle Jahre wieder wird dieser Tag mit Feuerwerk, Drachenboot-rennen und Schiffsparade gefeiert. Die Illusion Hafen verkauft sich ganz von selbst. Geboten werden ein Geburtstag, der keiner ist, ein Fischmarkt, auf dem kaum noch Fisch gehandelt wird - und wenn, dann stammt er garantiert nicht aus der Elbe. Selbst auf der offiziellen Internetseite wird die Geschichtsmogelei verheimlicht.

Autor: Michael Marek

Redaktion: Sabine Oelze