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ESC 2015 - Schweden Top, Deutschland Flop

Silke Wünsch24. Mai 2015

27 Länder, 250 Künstler, 200 Millionen Zuschauer: Das größte Musikereignis der Welt ist zwar vorbei, aber was bleibt, ist ein strahlender Sieger aus Schweden und die Erinnerung an ein perfektes Spektakel.

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Publikum mit Länderfahnen beim ESC in der Wiener Stadthalle (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Joensson

Es war anfangs noch ein spannendes Rennen an diesem ESC-Abend, das nicht nur die Favoriten unter sich ausgetragen haben. Umrahmt von einem gut durchgestylten Programm sorgten die Künstler, die für die 27 Teilnehmerländer angetreten sind, allesamt für eine bombastische Show. Letztendlich konnte sich aber Schweden mit Måns Zelmerlöw und seinem Song "Heroes" durchsetzen.

Zweite wurde Polina Gagarina aus Russland mit "A Million Voices", gefolgt von Italiens Tenor-Trio Il Volo mit "Grande Amore". Unter den ersten Zehn waren zur großen Freude vieler Musikfans auch Aminata Savadogo aus Lettland und Loic Nottet aus Belgien, die das weltweite Publikum mit ihren mutigen und extravaganten Auftritten, sowie einer sehr zeitgemäßen Musik überzeugt haben, während sich das restliche Musikprogramm im üblichen Mainstream bewegte.

Måns Zelmerlöw (Foto: Reuters)
ESC-Sieger 2015: Måns ZelmerlöwBild: Reuters/L. Foeger

Null Punkte für Ann Sophie

Ann Sophie beim ESC (Foto: dpa)
Nullnummer: Ann Sophie mit "Black Smoke"Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Ganz bitter für Deutschland und Österreich: Beide landeten mit jeweils null Punkten auf dem letzten Platz. Das ist Deutschland zum letzten Mal 1964 und 1965 passiert. Dem Gastgeber gegenüber aber wirken null Punkte gleichsam unhöflich. Immerhin hat Österreich unter dem Motto "Building Bridges" versucht, die Länder wenigstens für ein paar Stunden näher aneinander rücken zu lassen. Und hat dafür alle Register gezogen - allein Wien hat 17 Millionen Euro ausgegeben. Die Bühne wurde von einem ESC-erfahrenen Showdesigner konzipiert: 1288 waagerechte Stelen umrandeten die Bühne in Form eines Auges. Mittendrin und winzig klein: die Künstler. Um sie herum tobten speziell für die Songs erdachte Lightshows. Im Hintergrund wurde für jeden Song die passende Stimmung auf eine riesige Leinwand projiziert - von Blitz und Donner bis hin zum lieblichen Wäldchen. In der Halle wirkte die Lightshow noch bombastischer als im Fernsehen.

Die Vorjahressiegerin Conchita Wurst trat im Rahmenprogramm auf und begeisterte die Zuschauer mit gewaltiger Stimme und souveränem Auftreten. Der Jubel der fast 14.000 Zuschauer konnte mitreißen - wenn man das hautnah miterlebt, versteht man auch die Begeisterung, die viele diesem Musikspektakel entgegenbringen.

ESC-Fans sind Nerds

Es ist ein Subuniversum, das sich in diesen Tagen in Wien versammelt hat. Zehntausende sind nach Wien gepilgert, um ESC-Luft zu schnuppern. Sie reisen in Gruppen an, verkleiden sich, haben ihre Landesflaggen umgehängt. Sie kennen jeden Song, der hier teilnimmt. Und sie wissen auch schon ganz genau, wer für wen stimmen wird. Es gibt Fans hier, die zu jedem Wettbewerb genaue Zahlen kennen. Alle feiern dieses Ereignis, nicht nur das Publikum, auch ein großer Teil der anwesenden Presse hält mit seiner Begeisterung nicht hinterm Berg. Wer länger als einen Tag dabei ist, wird von dem Sog ergriffen, den dieses merkwürdige Musikfestival hat, über das die Mehrheit der Musikfans nur abfällig die Nase rümpft.

ESC-Fans mit lila Perücken (Foto: picture alliance)
Je ausgefallener das Outfit, desto wohler fühlen sich die ESC-FansBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Eine Woche lang stand Wien im Zeichen des ESC, in der Wiener Stadthalle ist seit Beginn dieser Woche fast täglich etwas los gewesen. Das Publikum kommt nicht nur zu den TV-Sendungen. Es gibt zu jeder Show mehrere Proben, für die auch Eintrittskarten verkauft werden - die Stimmung ist fast so wie bei den Abendveranstaltungen. Allein am Freitag fanden zwei öffentliche Generalproben statt, an diesem Samstag gab es noch mal eine. Die Show, die schließlich 200 Millionen Fernsehzuschauer erreicht - dieses Jahr zum ersten Mal auch die chinesischen TV-Zuschauer - ist der Höhepunkt des gesamten ESC-Zirkus.

Verlust der Muttersprache

Polina Gagarina (Foto: picture alliance)
Belegte Platz 2 für Russland: Polina GagarinaBild: picture-alliance/GEORG HOCHMUTH/APA/picturedesk.com

Das ESC-Finale war nicht nur eine Riesenparty in der Wiener Stadthalle. Es war auch der Abend der politischen Botschaften. Armenien sang über den Völkermord, Ungarn und Zypern kamen mit Friedensballaden. Auch Russland ließ seine Sängerin für das friedliche Zusammenleben aller Völker singen. Im Vorfeld wurden gar Stimmen laut, die sagten, Russland solle damit ruhig den ESC gewinnen, dann findet die Veranstaltung 2016 in Moskau statt. Dann kämen die Regenbogenfahnen, das Symbol der Homosexuellen, mit und landeten direkt vor Putins Haustür. Serbien schickte seine schwergewichtige Sängerin Bojana Stamenov mit einem Lied über Schönheit: "Ich bin anders und das ist ok." Für Frankreich sang Lisa Angell über den Zweiten Weltkrieg ("Niemals vergessen"), Rumänien beschäftigte sich mit Kindern, die von ihren Eltern im Stich gelassen werden.

Immer mehr Länder haben sich beim ESC von ihrer Landessprache verabschiedet. Nur fünf Acts von 27 sangen nicht auf Englisch: Italien, Spanien, Frankreich, Montenegro und Rumänien.

Das Gesetz des ESC

Italienische Musikgruppe Il Volo (Foto: Reuters)
Platz 3: Il Volo gingen für Italien ins RennenBild: Reuters/L. Foeger

Fazit dieses Eurovision Song Contest 2015: Auch nach den erfreulichen Platzierungen einiger extravaganter Teilnehmer und dem Sieg des spritzigen Popsongs aus Schweden werden die mit Pathos gehauchten Balladen dem Zuschauer nicht erspart bleiben. Auch die Windmaschinen werden weiterhin die Haare schöner Sängerinnen und deren Kleider wehen lassen - und weiterhin werden in den osteuropäischen Ländern die Punkte untereinander ausgehandelt. Die "Big Five" (Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und England) sind die Länder, die das meiste Geld für den ESC beisteuern. Doch bis auf Italien haben alle wieder mal enttäuscht - selbst England, das Mutterland der Popmusik, ist auf einem der letzten Plätze gelandet.