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"Es ist eine Schande"

Kersten Knipp10. Dezember 2014

In der arabischen Welt ist der Bericht zur Folterpraxis der CIA mit Wut und Empörung aufgenommen worden. Die Userkommentare der großen Medien lassen erkennen, was viele Araber von den USA und deren Verbündeten halten.

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USA Kuba Guantanamo
Bild: DW/G.Schliess

"Es ist eine Schande." Die in dem CIA-Bericht genannten Folterpraktiken sprächen den Prinzipien von Freiheit, Menschenrechten und Respekt Hohn. Sie widerlegten alle Prinzipien, auf die die USA und ihre Partner sich beriefen. "Amerika und der Westen haben jedes Recht verloren, uns Vorträge über Demokratie und Menschenrechte zu halten." So beginnt die Internet-Zeitung "Rai al-Youm" ihren Kommentar zu den veröffentlichten Folterpraktiken der amerikanischen Geheimdienste.

Der Bericht lege die Fakten offen und das sei begrüßenswert, schreibt die Zeitung. Aber man solle nicht annehmen, die Veröffentlichung stärke die Prinzipien von Gerechtigkeit und Informationsfreiheit. Schließlich sei der Bericht erst 13 Jahre nach den Vorkommnissen veröffentlicht worden. Außerdem werde niemand zur Rechenschaft gezogen. Menschen seien gefoltert worden, weil sie Muslime seien, schreibt "Rai al-Jaum". Man habe sie zu "Terroristen" erklärt und sich damit das Recht genommen, sie auf unmenschliche Weise zu behandeln. Geschehen sei dies im Namen eines Staates, der sich als Führungsmacht der freien Welt verstehe. "Und dieser Staat bombardiert mit seinen Flugzeugen fremde Länder, besetzt sie, ändert ihre Ordnung und tötet im Namen von Freiheit und Demokratie hunderttausende ihrer Bürger. So geschah es im Irak, in Syrien, Libyen und dem Jemen."

Der Herausgeber von "Rai al-Youm", Abdel Bari Atwan, ist für scharfe, oft polemische Texte bekannt. Doch der in seiner Zeitung veröffentlichte Kommentar drückt die Wut und Empörung aus, die der Bericht über die von der CIA gepflegte Folterpraxis in der arabischen Welt ausgelöst hat. Das zeigen auch die Kommentare, die viele Araber in den digitalen Medien schreiben.

Gefangene beim Verhör in Guantanamo, 28.10. 2009 (Foto: Getty Images)
Gefangene beim Verhör in GuantanamoBild: Getty Images

Verschwörungstheorien

Amerika versuche sich als Hort der Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie darzustellen, schreibt ein Leser der Zeitung "Al Ilaf". Tatsächlich aber verberge sich hinter dieser Fassade eine autoritäre Diktatur. "Diese glaubt weder an Menschlichkeit, Moral, Prinzipien und Werte. All dies sind bloße Parolen, die sie den Amerikanern hinwirft."

Auch Verschwörungstheorien machen die Runde. Es sei offensichtlich, schreibt ein Leser der Zeitung "Al Hayat", dass Amerika und Israel hinter dem islamistischen Terrorismus von Al-Kaida steckten: "Sie haben Osama bin Laden und seine Bande erst in die Lage versetzt, solch gewaltigen Schaden anzurichten, Millionen Kinder, Frauen und junge Menschen zu töten, zahllose Menschen zu vertreiben und gewaltiges Chaos in der arabischen Welt anzurichten."

Ein Zuschauer des Fernsehsenders "Al-Jazeera" sieht den Grund allen Übels zunächst in der nordamerikanischen Innenpolitik. Wenn es möglich sei, dass Polizisten farbige Amerikaner auf amerikanischen Straßen töteten, dann könnten Muslime außerhalb der USA erst recht nicht auf Gerechtigkeit hoffen. Vor allem lasse der Bericht aber auf die Machtverhältnisse im Nahen Osten schließen: "Was Baschar al-Assad, Abdel Fatah al-Sisi und Israel unseren Leuten antun, ist der beste Beweis dafür, dass es albern ist, unter der Herrschaft von Kolonialismus und Kapitalismus an Gerechtigkeit zu glauben."

Ein gefolterter Gefangener in Abu Ghraib, 28.04.2004 (Foto: dpa)
Ein gefolterter Gefangener in Abu GhraibBild: picture-alliance/dpa

Und doch, schreibt ein anderer Zuschauer: Man müsse auch die eigenen Taten im Blick halten. Die Amerikaner hätten zwar wie "Bestien" gehandelt. "Doch verglichen mit dem, was Araber oder Muslime physisch und psychisch einander antun, sind die westlichen oder amerikanischen Bestien reine Engel."

Ähnlich sieht es ein Leser von "Rai al-Youm": Es sei bekannt, dass viele Häftlinge in ihre Heimatländer zurückgeschickt wurden, um sie von den dortigen Behörden befragen zu lassen. Das, argumentiert der Leser, werfe ein bezeichnendes Licht auf die arabischen Regierungen: "Sie sind ausnahmslos alle an diesem Fall beteiligt. Denn sie sind Sklaven Amerikas und folgen seinen Befehlen."

Verwunderung über Zeitpunkt der Veröffentlichung

Es war absehbar, dass der Bericht Bestürzung, Wut und Empörung auslösen würde, schreibt der Kolumnist Said Arikat in der Internet-Zeitung "Al Arabi al jadeed". Umso mehr erstaunt ihn der Zeitpunkt der Veröffentlichung: "War es weise und klug, diesen Bericht gerade jetzt zu veröffentlichen, in einer Zeit, in der die USA direkt in einen Konflikt in der arabischen Welt verwickelt sind? Oder ist er schlicht unglücklich gewählt und wird dazu benutzt, anti-amerikanische Gefühle zu wecken?"

Protest gegen Waterboarding, 23.4. 2009 (Foto: AP)
Protest gegen WaterboardingBild: AP

Auf jeden Fall, versichert Said Arikat, schädigten die in dem Bericht geschilderten Methoden das Ansehen der USA: "Der Bericht wird einen Schatten auf das amerikanische Engagement für die Menschenrechte und die Freiheit werfen und den Einfluss der USA in der Welt mindern." Freilich gelte das nicht nur für die USA, schließt Arikat: "Jede Gesellschaft, die Folter als eine legitime Praxis betrachtet, gibt einen großen Teil ihrer Freiheit auf."