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Deutsches Zentrum Kulturgutverluste

Annika Zeitler25. Februar 2014

Mit dem Vorschlag, die Suche nach Raubkunst bundesweit zu vernetzen, reagiert Deutschland auf den Fall Gurlitt. Die Reaktionen sind positiv, auch Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel sieht darin Vorteile.

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Bild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Unter dem Dach eines neuen "Deutschen Zentrums Kulturgutverluste" plant die Bundesregierung die Suche nach Raubkunst in Museen, Archiven und Bibliotheken zu stärken. "Wir wollen damit einen zentralen Ansprechpartner für dieses komplexe Thema schaffen und transparent darüber informieren", sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Auch die Gelder für Provenienzforschung sollen von 2,7 Millionen Euro im Jahr deutlich erhöht werden. Grütters will ihren Vorschlag schon im März 2014 mit den Kulturministern der Länder in Berlin beraten.

In die Stiftung sollen die Magdeburger Koordinierungsstelle mit ihrer Datenbank Lostart.de, die Beratende Kommission für Streitfälle (Limbach-Kommission) sowie die Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung eingebunden werden. Auch die Forschungsstelle für "Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin sowie die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" würden integriert. Die Stiftung solle sich auch mit den Kulturgutverlusten in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und in der DDR befassen.

Bessere Vernetzung für ein besseres Ergebnis

Die Nachricht von der neuen Stiftung war auch ein zentrales Thema der Tagung zu NS-Raubkunst der Katholischen Akademie in München. Gast war dort unter anderem die Leiterin der "Schwabinger Taskforce", Ingeborg Berggreen-Merkel: "Wenn die Forschung gebündelt und vernetzt wird, dann können wir viel bessere Ergebnisse erzielen".

Ingeborg Berggreen-Merkel (c) Heike Mund
Leiterin der Taskfore "Schwabinger Kunstfund": Ingeborg Berggreen-MerkelBild: DW/H. Mund

Ihre Taskforce folgt diesem Vorschlag bereits im Kleinen und recherchiert in einem Netzwerk aus 13 internationalen Experten die Herkunft der Kunstwerke aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt. 600 von über 1000 Werken stehen im Verdacht NS-Raubkunst zu sein und werden von der Taskforce geprüft. Gurlitts Anwälte sprechen dagegen von nur drei Prozent.

"Die Anwälte reden von den Bildern, bei denen Ansprüche bereits vorliegen. Unsere Aufgabe ist es jedoch auch dort zu prüfen, wo im Moment noch kein konkreter Anspruchsteller da ist", erklärt Ingeborg Berggreen-Merkel die unterschiedlichen Zahlen gegenüber der DW. Vier Personen haben nach Angaben von Cornelius Gurlitts Anwalt Hannes Hartung bisher Ansprüche auf Bilder aus der Sammlung erhoben.

Gerade plant Berggreen-Merkel noch einen polnischen Kollegen in das Team zu holen, da sich Anhaltspunkte für polnische Werke in der Sammlung des Kunsthändlersohns ergeben hätten: "Wir wollen das Zeichen setzen, dass sich niemand ausgeschlossen fühlt und kein Misstrauen aufkommen kann", so die Leiterin der Taskforce.

"Deutsches Zentrum Kulturverluste" soll schon im Sommer kommen

Vorteile in der von Grütters geplanten Stiftung sieht auch die Provenienzforscherin Meike Hopp: "Damit sind Kooperationen zwischen den einzelnen Institutionen möglich und wir könnten gezielter recherchieren." Auch schnellere Ergebnisse seien denkbar. Hopp forscht am Münchener Zentralinstitut für Kunstgeschichte und hat sich intensiv mit der Geschichte des Münchener Kunsthändlers Adolf Weinmüller beschäftigt. Sie gehört zu den Provenienzforschern, die in Deutschland derzeit über befristete Verträge und Projektmittel finanziert werden.

Meike Hopp Provenienzforscherin (c) Heike Mund
Meike Hopp: Provenienzforscherin am Münchner Zentralinstitut für KunstgeschichteBild: DW/H. Mund

"Förderprojekte haben bisher lange Vorlaufzeiten und das ist bisher für die personell meist unterbesetzten Museen oft ein Totschlagargument", sagt Meike Hopp. Sie fordet feste Stellen für eine nachhaltige Forschung. Mit der geplanten Stiftung und mehr Geld könnten diese Forderungen jetzt schon bald erfüllt werden. Im Sommer soll das neue "Deutsche Zentrum Kulturgutverluste" mit Sitz in Magdeburg und einer Vertretung in Berlin eingerichtet werden. Es soll die Aktivitäten von Bund, Ländern und Kommunen in den Bereichen Provenienzforschung und Restitution bündeln und ausbauen.

Hopp wünscht sich weiter, dass in Zukunft alle Rechercheergebnisse aus der Forschung kommuniziert, publiziert und hinterlegt werden, auch wenn es Sackgassen sind und die Herkunft eines Werkes vorerst nicht geklärt werden kann. Vielleicht könne ein anderer Forscher irgendwann mit einem neu auftauchenden Puzzlestück an dieser Stelle weiterarbeiten.

Provenienzforscher betrachten Dokumente (c) Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
In Planung: "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste"Bild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Im Fall Gurlitt müsse die Augsburger Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Forschungergebnisse veröffentlicht werden, erklärt Ingeborg Berggreen-Merkel. "Wir sind nicht Herr über unsere Ergebnisse, aber ich glaube, wenn in der Taskforce eine gute Arbeit geleistet wird, dann kann die Forschung sicher eines Tages davon profitieren", so Berggreen-Merkel weiter.

Gesetz bezieht sich nicht nur auf Kunst

Mit dem Fall Gurlitt ist das Interesse an der Provenienzforschung so hoch wie nie und auch die Forderung nach Auflärung bei NS-Raubkunst immer lauter. Ob sich auch juristisch etwas ändern wird, bleibt vorerst unklar: Bayern hat dem Bundesrat einen Entwurf für ein "Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz" vorgelegt, der die Verjährungsfristen bei Bösgläubigkeit aufheben soll.

Deutschland Nazi-Raubkunst in München gefunden Gurlitt Kunstfund
Aus der Sammlung Gurlitt: "Paar", Hans ChristophBild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa

Als "bösgläubig" gelte auch derjenige, der einen Verdacht habe, erklärt der Amtschef des bayerischen Justizministeriums Walter Schön. "Wer weiß, dass der eigene Vater einer der wichtigsten Nazi-Raubkunsthändler war und das die eigene Mutter den US-Behörden gegenüber das Schicksal von Bilder verschleiert hat, dem könnte man vielleicht schon nachweisen, dass er etwas wusste", sagt Schön und spielt damit auf den Fall Gurlitt an. Aber er betont auch: "Es ist keine Lex Gurlitt", denn der Gesetzesentwurf beziehe sich nicht nur auf Kunst und Gurlitts Sammlung sondern auf alle denkbaren Sachen, die dem ursprünglichen Eigentümer ohne dessen Willen weggenommen wurden.

"Verjährung ist in Deutschland große Hürde"

Das "Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz" wäre das erste Rechtsinstrument, das die Justiz den Voreigentümern und Erben bei privaten Besitz an die Hand geben würde. Denn bisher sind nur öffentliche Einrichtungen wie Museen durch die Washingtoner Erklärung von 1998 aufgefordert, NS-Raubkunst zurückzugeben. "Ich finde den Gesetzesentwurf richtig, denn gerade aus dem Ausland wird uns vorgehalten, dass wir in Deutschland ein Restitutionsgesetz brauchen, das Privatbesitzer einbezieht - und dass die Verjährung hier die große Hürde sei", sagt Berggreen-Merkel.

Bisher hat jemand 30 Jahre Zeit seine Kunstwerke zurückzufordern, wenn sie ihm geraubt oder abgepresst wurden. Danach sind sie für immer verloren, es sei denn der Besitzer gibt die Werke freiwillig zurück. In Fragen rund um Provenienz und Restitution könnte vermutlich schon ab Sommer das neue "Deutsche Zentrum Kulturgutverluste" Erben als auch privaten Kunstsammlern mit Rat und Tat zur Seite stehen.