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Ernste Spannungen im deutsch-russischen Verhältnis

Marcus Lütticke30. April 2014

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland galten jahrelang als besonders fest. Doch seit der Ukraine-Krise stehen die Zeichen auf Konflikt. Deutschland droht seine Sonderrolle einzubüßen.

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Merkel und Putin in St. Petersburg (Foto: reuters)
Bild: Reuters

Zur Begrüßung gab es eine herzliche Umarmung. Beim Empfang der Nord Stream AG im russischen St. Petersburg trafen zwei gute Freunde aufeinander: Russlands Präsident Wladimir Putin und der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder, zu dessen Ehren die Feierlichkeiten ausgerichtet wurden. Schröder ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses des Unternehmens, das mehrheitlich dem russischen Konzern Gazprom gehört und die Ostsee-Pipeline von Russland an die deutsche Küste betreibt.

Diesem Bild tiefer Freundschaft nach zu urteilen müsste es um die deutsch-russischen Beziehungen eigentlich zum Besten bestellt sein. Auch wenn Gerhard Schröder sich aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, so ist seine Sozialdemokratische Partei weiter Bestandteil der Regierung. Einer von Schröders ehemals engsten politischen Vertrauten, Frank-Walter Steinmeier, ist heute für die deutsche Außenpolitik zuständig. Doch die Krise in der Ukraine hat das Verhältnis der beiden Staaten zueinander nachhaltig verändert.

Putin umarmt Schröder (Foto: dpa)
Innige Umarmung: Altkanzler Schröder erntet für seine zur Schau gestellte Verbundenheit viel KritikBild: picture-alliance/dpa

Verblasste Parnerschaft

Einst galt Deutschland als wichtigster Partner Russlands im Westen. "Deutschland war der privilegierte Ansprechpartner Russlands innerhalb der NATO und der Europäischen Union. Das hob auch die internationale Rolle Deutschlands ein wenig hervor", sagt Hans-Joachim Spanger, Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.

Im Zeichen des "neu belebten Kalten Krieges" sei "Allianz-Solidarität und keine Sonderrolle" mehr gefragt. Darauf würden die Verbündeten mit Argwohn achten, so Spanger. "Der deutsche Außenminister bemüht sich heftig, moderate Töne in die sehr schrille Auseinandersetzung einzuführen, um Gesprächskanäle und Verständigungsbrücken aufrechtzuerhalten. Das ist der letzte Rest der deutschen Sonderrolle."

Alexander Dynkin, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, sieht die Rolle Deutschlands in dem Konflikt kritisch: "Deutschland hat nicht gerade seine Führungsrolle bei der Beilegung dieser Krise demonstriert", findet Dynkin. Die normale Bevölkerung in Russland würde auch keine Sonderrolle Deutschlands wahrnehmen, getrennt vom sogenannten Westen. Experten sähen dies etwas differenzierter. Aber auch er vermisse ein "von Washington unabhängiges Handeln der Europäer".

Abkommen ohne Wirkung

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler schlug am Dienstag (29.04.2014) vor, eine erneute Genfer Gesprächsrunde mit Russland zu starten. "Es ist ja viel zu besprechen: Warum sind die positiven Zusagen, die damals verabredet worden sind, nicht umgesetzt?", fragte Erler.

Alexander Dynkin hält solche Gespräche prinzipiell für richtig, allerdings sei es in Genf versäumt worden, Mechanismen zu entwickeln, um die Beschlüsse auch durchzusetzen. "Nur schöne Dokumente zu unterschreiben ohne die Instrumente zu haben, sie auch durchzusetzen, demonstriert nur deren Scheitern."

Dynkin erinnert daran, dass der deutsche Außenminister Steinmeier am 21. Februar in Kiew ein Abkommen unterzeichnet hat, das "keine 24 Stunden später im Müll landete". Damals hatte sich unter Vermittlung der Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs die Opposition in Kiew mit Präsident Janukowitsch über das weitere Vorgehen geeinigt. Kurze Zeit später wurde Janukowitsch dennoch gestürzt.

Klitschko, Steinmeier und Janukowitsch in Kiew (Foto: getty images)
Einigung ohne Bedeutung: Steinmeier mit Klitschko und Janukowitsch am 21. Februar 2014 in KiewBild: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Wirtschaft als Bindeglied

Ökonomisch, da sind sich Joachim Spanger und Alexander Dynkin einig, seien Deutschland und Russland weiterhin sehr eng vernetzt. "Die deutsche Wirtschaft kämpft ziemlich verbissen gegen die dritte Runde der Sanktionen, weil sie völlig zurecht befürchtet, dass dies den russischen Markt verschließen wird", so Spanger. Dynkin glaubt, "die chinesische Wirtschaft würde von solchen Sanktionen am meisten profitieren".

Er plädiert für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Russland und den Europäern. Nur gemeinsam lasse sich die Krise in der Ukraine lösen. Allerdings sei der Einfluss, den Russland im Osten der Ukraine habe, viel geringer als dies oft dargestellt werde - und auch geringer als der Einfluss, den der Westen auf Kiew habe.

Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei auch das persönliche Verhältnis der beteiligten Akteure entscheidend. "Gerade im Verhältnis zu Russland haben die persönlichen Beziehungen auf allen Ebenen eine singulär hohe Bedeutung - eine viel höhere als institutionelle Beziehungen", erklärt Spanger. Doch das Verhältnis zwischen Merkel und Putin erscheint eher unterkühlt. "Leider kann ich da keine gute Chemie in deren bilateralen Beziehungen feststellen", so Dynkin.