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Wie aus Strom erneuerbares Gas wird

Jasper Sky / hb8. Juli 2014

Deutsche Ingenieure testen das Power-to-Gas-System, das aus Kohlendioxid, Wasser und Strom synthetisches Methangas herstellt. Die Technologie könnte eine zu 100 Prozent nachhaltige Stromversorgung möglich machen.

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Methangasanlage in Stuttgart - Foto: ZSW
Bild: ZSW

Die Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen und hat dafür konkrete Ziele gesetzt: Bis 2050 sollen in Deutschland mindestens 80 Prozent der Stromproduktion und 60 Prozent des Energiebedarfs von Solar-, Wind- oder anderen erneuerbaren Energien stammen. Offen ist aber noch, wie man es schafft, auch dann eine stabile und ausreichende Stromversorgung zu garantieren, wenn die Sonne mal nicht scheint und kein Wind weht.

Sogenannte Power-to-Gas und Power-to-Liquid-Systeme könnten dieses Problem lösen - das ist jedenfalls die Ansicht einiger Forscher und Ingenieure. Die Technologie sei entscheidend für den Erfolg der Energiewende, sagt Michael Sterner, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. "Power-to-Gas ist absolut notwendig für eine zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehende Stromversorgung und für die Entkarbonisierung der Transportbranche und der chemischen Industrie."

Per Elektrolyse zu Methan

Das Verfahren ist im Prinzip einfach. Deutschland hat bereits ein gut ausgebautes Netz von Pipelines und Speichern für Erdgas. Erdgas ist ein fossiler Brennstoff und wird zum Beispiel zum Heizen genutzt oder um Strom in Gasturbinen herzustellen. Methan, der Hauptbestandteil dieses Energieträgers, wird auch als Rohstoff in der petrochemischen Industrie genutzt - er steckt in allen möglichen Produkten von Kunststoff bis zum Arzneimittel.

Solarpark in Erfurt - Foto: Martin Schutt (ZB)
Solarpark in Erfurt: Gas als Lösung des SpeicherproblemsBild: picture-alliance/ZB

Die bereits existierenden Erdgasspeicher und das dazugehörige Pipelinenetz können nach Ansicht der Ingenieure genutzt werden, um das deutsche Stromspeicher-Problem zu lösen. In den Rohren könnte auch synthetisches Gas fließen, das sich aus Kohlendioxid, Wasser und Strom herstellen lässt.

Diesel, Benzin und Kerosin aus erneuerbarem Gas

Wenn der Strom aus erneuerbaren Energien stammt, dann wird das so hergestellte künstliche Methan als erneuerbares Gas bezeichnet, manchmal auch als Windgas oder Sonnengas, je nachdem, welche Stromquelle genutzt wurde.

Aus dem synthetischen Gas ist es für die Ingenieure auch möglich, unter anderem künstliche flüssige Brennstoffe wie Methanol oder Butanol herzustellen, die wiederum als Sprit für Diesel- oder Benzinmotoren verwendet werden können, oder für Kerosin, dem Hauptbestandteil von Flugzeug-Treibstoff. Das wird dann Power-to-Liquids oder erneuerbarer flüssiger Brennstoff genannt.

Infografik Methangas aus Wind- und Sonnenstrom

Das Verfahren ist im Prinzip zwar einfach, aber es scheint schwierig zu sein, daraus ein attraktives Geschäftsmodell zu machen. Denn es kostet relativ wenig, Erdgas aus dem Boden zu fördern und per Pipeline an andere Orte zu bringen. Synthetisches Methan ist dagegen viel teurer. Es werde wohl preislich nie mit Erdgas mithalten können, meint Peter Röttgen, Leiter des Energy Storage Innovation Centers bei Eon, Deutschlands größtem Energiekonzern. Zumindest nicht, solange der Preis für Kohle so niedrig sei. Das bedeute allerdings nicht, dass Power-to-Gas als unerschwinglich angesehen werden sollte: Schließlich sei klimaschädliches fossiles Gas nicht das gleiche Produkt wie erneuerbares Gas.

Ove Petersen ist Chef von GP Joule, einem Unternehmen, das sich für Strom aus erneuerbaren Energien einsetzt. Er sagt, die derzeitige Situation könne sich mithilfe von Subventionen ändern. "Die Nutzer von CO2-intensiven Energiequellen, zum Beispiel die Betreiber von Kohlekraftwerken, sind diejenigen, die sich über hohe Subventionen freuen. Viele Jahre lang haben wir ihnen erlaubt, die Erdatmosphäre wie eine kostenlose Müllhalde für ihre klimaschädlichen Verbrennungsprodukte zu nutzen."

Speicherplatz für Windenergie

Einige neue Projekte testen das Potenzial der Technologie. Der Autobauer Audi eröffnete Ende 2013 eine sechs Megawatt starke Power-To-Gas-Anlage in Werlte bei Bremen. Eon betreibt in der Nähe von Berlin eine Pilotanlage zusammen mit Swissgas.

Deutschland Windenergie Offshore-Windpark Alpha Ventus - Foto: Ingo Wagner (dpa)
Offshore-Windpark vor Borkum: Preis-Garantie auch bei StromüberflussBild: picture-alliance/dpa

Nun seien neue Marktmechanismen nötig, um von Prototypen zu richtigen Anlagen zu kommen, fordert Röttgen. Er verweist auf den Boom von Windkraft, der unerwünschte Nebenwirkungen habe: "Es gibt jetzt so viele Windräder, dass an stürmischen Tagen viele von ihnen abgeschaltet werden müssen, um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern. Die gesetzliche Einspeisevergütung sieht aber vor, dass die Besitzer der Windräder großzügige Rendite für Strom erhalten, auch wenn die Windräder abgeschaltet wurden."

Mit dem Bau von Power-to-Gas-Anlagen neben Windparks würde es eine wirtschaftlich sinnvolle alternative Nutzung für die in großen Mengen produzierte Windenergie an stürmischen Tagen geben, so Röttgen. Bei der derzeitigen Regelung gebe es aber keine finanziellen Anreize, in Power-to-Gas-Systeme zu investieren - denn die Besitzer von Windrädern erhielten ihr Geld ja so oder so. Das müsse sich ändern. "Wir müssen die Märkte restrukturieren, damit es zu einem attraktiven Geschäftsmodell wird, in großem Maße Wind- und Sonnenenergie zu kaufen, um sie als synthetisches Gas zu lagern." Die Bundesregierung solle keine Gebühren und Steuern für erneuerbares Gas erheben, zumindest, bis die Power-to-Gas-Technologie ausgereift sei - und das werde noch Jahre dauern.