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Erlebte Passion im Ostergarten

Klaus Krämer14. April 2014

Eine begehbare Ausstellung, die die letzten Lebensstationen Jesu darstellt: Palmsonntag, Karfreitag, Ostern sollten die Besucher mit möglichst vielen Sinnen erleben. Der Ostergarten in Hermesdorf machte es möglich.

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Ostergarten Hermesdorf: Station Kreuzigung Totale (unter dem Kreuz liegen die Werkzeuge der Henker. An diesem Kreuz können die Besucher zuvor erhaltenen Steine ablegen. Ein Symbol für das Abgeben von Sünde und Schuld an Jesus) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
Bild: Döhl-Becher

Da sitzen sie im Kreis, rund ein Dutzend Männer und Frauen zwischen 20 und 55 Jahren. Eine Zeitreise haben sie gemacht – 2000 Jahre zurück, nach Jerusalem. Für eine Stunde waren sie mittendrin in der christlichen Passionsgeschichte. Hautnah haben sie den Verrat des Judas, den Tod Jesu, das leere Grab, aber auch die Freude seiner Auferstehung erlebt.

Die Besucher gehören zu den rund 2200 Menschen, die in diesem Jahr im kleinen Ort Hermesdorf bei Waldbröl im Bergischen Land durch die Passionsgeschichte gewandert sind. "Ostergarten" nennt sich diese besondere Ausstellung, die in diesem Jahr an mindestens 30 Orten in Deutschland von den unterschiedlichsten Kirchen, Gemeinden und Gruppen in den Wochen vor Ostern angeboten wird. "Von der Vorschulklasse bis zu Seniorenkreisen war jedes Alter vertreten", erzählt Initiatorin Petra Döhl-Becher begeistert. Es freut sie besonders, dass viele Besucher nicht zum klassisch christlichen Klientel gehören. Sogar Moslems seien im Ostergarten gewesen. Gemeinsam mit 25 anderen Mitgliedern des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) hat sie das evangelische Gemeindehaus für drei Wochen in das Jerusalem der Zeit Jesu verwandelt.

Ein Rundgang, der es in sich hat

Raum für Raum erleben die Besucher das Geschehen vom Passahfest bis zu Jesu Auferstehung mit. Seine Ankunft in der Stadt, begeistert jubelnde Menschen, der Trubel durch die Pilger, die das Passahfest feiern wollen – all das wird durch große, gemalte Wandbilder illustriert. Ein Ensemble von Modellhäusern, dazu mannshohe Palmen, gebaut von der örtlichen Grundschule. Toneinspielungen erzeugen die Atmosphäre quirligen antiken Stadtlebens.

Ostergarten Hermesdorf: Station Jerusalem Totale (Wandgemälde mit der Szenerie Jerusalems, davor kleine Modelle von Häusern und Palmen. Große Plakate zeigen jubelnde Menschen. Kinder der örtlichen Grundschule gestalteten diesen Raum) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
Jerusalem aus Sicht der GrundschülerBild: Döhl-Becher

Weiter geht es in einen gediegenen Festsaal voller Musik. Er steht für jenen Raum, in dem Jesus einst mit seinen Jüngern das Passahmahl einnahm. Ein König, der einzige Statist des gesamten Rundgangs, teilt Brot und Traubensaft an die Besucher aus. Raum und Handlung stimmen die Gruppe besinnlich, lassen zur Ruhe kommen. Steht das jüdische Passahfest für den Auszug der Israeliten aus Ägypten, so wandelt es sich hier zu einer Abschieds- und Erinnerungsfeier – wird zum Abendmahl.

Ostergarten Hermesdorf 2014
Hier (be)dient der ChefBild: Petra Döhl-Becher

Schaurig und schön

Von nun an werden die Szenen immer dunkler, kälter, härter. Eingespielte Hörszenen starten das "Kino im Kopf", lassen so die Gemütslage Jesu erahnen. Verlassenheit in Gethsemane, als er Gott nach dem Warum seines bevorstehenden Leidens fragt. Ohnmacht, als er verraten und gefangen genommen wird. Trockenes Laub und dürre Büsche, ein kahler Fels, spärliches Licht. Die Waffen römischer Soldaten, Ketten, rohe Gewalt. Eine Kerze hinter Gittern steht für den Gefangenen.

Ostergarten Hermesdorf: Station Gethsemane (dunkle Atmosphäre, vertrocknete Sträucher, Laub, Steine, die Waffen römische Besatzungssoldaten . Eine mit Drahtgeflecht umzäunte Kerze symbolisiert Jesus vor der Gefangennahme) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
Ein Verrat und die FolgenBild: Döhl-Becher

Dann der Schauprozess und das Todesurteil. Der prunkvolle Thron des Pontius Pilatus genügt als Symbol scheinbar uneingeschränkter menschlicher Macht. In der Hörszene erzählt der Hauptmann, der die Hinrichtung leitete, was er dabei erlebt und empfunden hat und wie er plötzlich spürt: "Wir haben wirklich den Sohn Gottes gekreuzigt."

Vom Tod ins Leben

Die Besucher können Steine, die sie bei der Begrüßung bekommen haben, vor dem Kreuz ablegen. Sie stehen für die eigenen Sorgen, Fragen, das selbst erlittene Leid. Ein symbolisches Abgeben an Jesus. Hohe Karfreitags-Theologie ganz praktisch und begreifbar.

Ostergarten Hermesdorf: Station Kreuzigung Detail (unter dem Kreuz liegen die Werkzeuge der Henker. Der Stoff symbolisiert das Gewand Jesu, um das die Soldaten würfeln) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
Am Fuß des KreuzesBild: Döhl-Becher

Nacheinander, aber mit Abstand, durchschreitet jeder Einzelne das leere Grab Jesu, symbolisiert durch einen niedrigen schwarzen Tunnel. Der öffnet sich jedoch schließlich zu einem hellen Raum. Im Christentum endet das irdische Leben nicht mit dem Tod. Die Hoffnung auf die Auferstehung verdeutlicht der Ostergarten mit Licht, Farben, Vogelzwitschern und Musik. Dutzende im Raum schwebende Blumen in kleinen Vasen, bunte Schmetterlinge, plätschernde Brunnen stehen für das Paradies, den perfekten Ort voller Harmonie. Es ist Ostern!

Ostergarten Hermesdorf: Station Auferstehung Totale (sprudelnde Brunnen, "schwebende" Blumen, wechselnde Lichteffekte und besondere Musik symbolisieren Ewiges Leben) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
AuferstehungBild: Döhl-Becher

Sinneserweiterung für Kopfmenschen

Mit dem Ostergarten wollen die Mitarbeiter des CVJM vor allem Menschen erreichen, die kaum mehr die christlichen Wurzeln ihrer eigenen Kultur kennen. Andere bekämen die Chance, biblische Inhalte neu zu begreifen, und Christen könnten im Ostergarten ihren Glauben vertiefen, erzählt Petra Döhl-Becher.Der Ostergarten setze der „kopflastigen Informationsflut unserer Tage“ ein Erlebnis für viele Sinne entgegen. "Man hört, schmeckt, fühlt und riecht", betont die 49-jährige Verwaltungsangestellte.

Ostergarten Hermesdorf: Petra Döhl-Becher hatte die Idee im Jahr 2011 erstmal in Hermesdorf einen Ostergarten aufzubauen. Veranstalter sind der örtliche Missionsverein (Landeskirchliche Gemeinschaft) und der CVJM (Christlicher Verein junger Menschen). Rund 25 ehrenamtliche Mitarbeiter haben die begehbare Kulisse geschaffen. 1350 Besucher haben die erste Ausstellung innerhalb von zweieinhalb Wochen gesehen. 2012 folgte die Fortsetzung) Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012. Foto: Petra Döhl-Becher
Petra Döhl-BecherBild: DW / Kraemer

"Was bleibt, sind dankbare Menschen", sagt die Vorsitzende des CVJM, Christine Adolphs, nachdem sich auch die letzte Besuchergruppe an diesem Tag aufgelöst hat. "Manchmal kommt es vor, dass Tage nach einer Führung noch Menschen anrufen und sagen: 'Dieser Ostergarten lässt mich nicht los'", erzählt sie. Eine der schönsten Rückmeldungen sei von einem jungen Muslim gekommen, so Christine Adolphs. "Er meinte, noch nie habe ihm jemand so klar und anschaulich erklärt, an was die Christen glauben."