1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erdogan fürchtet Facebook und Youtube

Senada Sokollu8. März 2014

Immer wieder tauchen Telefonmitschnitte Erdogans im Internet auf. Jetzt kündigt der türkische Premier Maßnahmen an: Er will die Plattformen YouTube und Facebook sperren lassen. Doch Blogger bleiben unbeeindruckt.

https://p.dw.com/p/1BM1z
Der türkische Präsident Erdogan im Wahlkampf (Foto: Reuters)
Bild: picture-alliance/AP

Ein Freund sozialer Netzwerke war Premierminister Recep Tayyip Erdogan wohl noch nie. Seit Wochen tauchen auf Youtube immer neue Aufnahmen mitgeschnittener Telefongespräche des Premiers auf, die dann über Facebook und Twitter verbreitet werden.

Nach der Einführung des umstrittenen Internetgesetzes, sorgte Erdogan erneut für Furore. In einem Fernsehinterview mit dem Sender ATV, drohte der Premier am Mittwoch (06.03.2014) mit dem Verbot der Internetseiten YouTube und Facebook. "Wir können diese Nation nicht YouTube, Facebook oder ähnlichem opfern", sagte er. Für die Zeit nach den Kommunalwahlen am 30. März, die inzwischen als eine Art Referendum über Erdogans Politik gehandelt werden, kündigte er Maßnahmen der Regierung an. "Diese Menschen stacheln jede Art von Unmoral oder Spionage an. Und das für den Profit dieser Institutionen", sagte er. Eine derartige "Mentalität der Freiheit" dürfe es nicht geben.

Beim Kurznachrichtendienst Twitter stiegen die Tweets zu diesem Thema ins Unendliche - die Menschen reagierten sowohl mit Empörung als auch mit Humor. "Erdogan will das Internet besiegen. Viel Glück dabei." oder "Erdogan ist nun völlig bekloppt geworden", lauteten die Nachrichten der User.

Auch der türkische Staatspräsident Abdullah Gül zeigt sich verständnislos. "Eine Schließung der Seiten steht außer Frage", wird Gül von der türkischen Zeitung "Hürriyet" zitiert. Sie seien sehr wichtige Plattformen, fügte Gül hinzu. Kommunikationsminister Lütfi Elvan hingegen stärkte Erdogan den Rücken. Wenn illegales Material veröffentlicht werde, dann müsse man das nicht ertragen, so der Kommunikationsminister.

Proteste in Istanbul gegen die Regierung von Erdogan (Foto: Reuters)
In den vergangegen Wochen kommt es immer wieder zu Protesten gegen die RegierungBild: Reuters

Telefonmitschnitte setzen Erdogan unter Druck

Seit Wochen werden Telefongespräche Erdogans in Form von Videos bei YouTube veröffentlicht. In einigen Fällen hat Erdogan sogar eingeräumt, dass er die Telefonate tatsächlich geführt hat. Am meisten unter Druck setzte ihn ein Mitschnitt, der am 24. Februar veröffentlicht wurde. So soll aus einem angeblichen Telefongespräch zwischen Erdogan und seinem Sohn Bilal hervorgehen, dass er seinen Sohn auffordere, riesige Mengen Geld zu verstecken. Das Telefonat soll am 17. Dezember 2013 stattgefunden haben - an dem Tag, an dem der Korruptionsskandal der Erdogan-Regierung aufgedeckt wurde. Erdogan wies das Telefongespräch als „Montage“ von sich und beschuldigt immer wieder einen „Parallelstaat“, der von Erdogans ehemaligem Verbündeten Fethullah Gülen aus den USA gesteuert werde, hinter allen Veröffentlichungen zu stecken. Auch wenn die Echtheit einiger Gespräche nicht erwiesen wurde, hat die Regierung bis heute keine Anstrengung unternommen, den Gegenbeweis zu erbringen.

Es seien diese Veröffentlichungen, die Erdogan dazu veranlassen, mit der Schließung von YouTube und Facebook zu drohen, sagt Asli Tunc, Expertin sozialer Medien an der Bilgi Universität in Istanbul. "Er ist offensichtlich sauer. Er beschimpfte Twitter ja schon während der Gezi-Park-Proteste. Doch die jetzige Situation ist eine andere: Die veröffentlichten Telefonmitschnitte stellen für ihn eine Bedrohung dar", so Tunc im DW-Gespräch. Zudem fände die Diskussion über den sogenannten Parallelstaat in den sozialen Medien statt und darauf reagiere er nun sehr scharf, so Tunc.

Asli Tunc von der Bilgi Universität in Istanbul (Foto: privat)
Asli Tunc von der Bilgi Universität in IstanbulBild: privat

"Erdogan will das Internet und die sozialen Medien genauso kontrollieren, wie er es mit den Mainstream-Medien tut. Doch das ist nicht so einfach", so die Expertin. Die türkische Regierung habe bereits vor Jahren YouTube sperren lassen, doch es habe damals schon viele Möglichkeiten gegeben, diese Blockade zu umgehen.

Facebook sei außerdem sehr wichtig für die türkische Bevölkerung, fügt Tunc hinzu. Die Türkei liegt mit 34 Millionen Facebook-Nutzern auf Platz sieben der Länderliste. So eine Schließung der Seiten sei absolut gegen die Meinungsfreiheit. "Eine Regierung kann doch nicht einfach eine Seite schließen, nur weil ihr die Opposition nicht passt", so die Expertin.

Mittel und Wege Sperrungen zu umgehen

Erkan Saka ist seit zehn Jahren regierungskritischer Blogger und nutzt vor allem Facebook und Twitter. "Viele regierungskritische Facebook-User haben sich bereits anonyme Profile zugelegt. Sie wollen sich nicht mehr unter ihrem echten Namen äußern. Sie haben Angst vor den Konsequenzen", so Saka im DW-Gespräch. Wenn die Regierung die Seiten nicht schließe, dann werde sie bestimmte Posts kriminalisieren und strafrechtlich verfolgen, so der 38-jährige Blogger. "Eine Schließung der Seiten ist aber ohnehin absolut ineffektiv. Es gibt so viele verschiedene andere Internetseiten und auch Softwares, die man nutzen kann, um die Sperrungen zu umgehen. Daher liebe ich das Internet", sagt der Blogger.

Erdogan sei im Moment nicht zu stoppen. "Erdogan ist der Staat. Er kontrolliert die Justiz und den Polizeiapparat. Es gibt niemanden der ihn vor Gericht bringen würde", so Saka. Im Moment gibt es nichts was gegen seine Politik getan werden könne.