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Erdogan - Versöhner oder Spalter?

11. August 2014

Noch während sich Erdogan als Sieger der Präsidentenwahl in der Türkei feiern lässt, kommen mahnende Töne von EU und OSZE. Der künftige Präsident stellt derweil die Weichen für die neue Machtverteilung.

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Der künftige türkische Präsident Erdogan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die Europäische Union verlangt eine versöhnliche Amtsführung vom designierten türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert systematische Wettbewerbsnachteile für Erdogans Wahlkampfgegner. OSZE-Beobachter monierten, dass der langjährige Regierungschef im Wahlkampf "seine offizielle Position nutzte und von parteiischer Medienberichterstattung" profitierte, was ihm "einen klaren Vorteil vor den anderen Kandidaten verschafft" habe. Die "Wünsche des Volks nach Demokratie" seien nicht vollständig erfüllt worden.

"Wir hoffen, dass Sie die Rolle als Versöhner spielen werden, die Ihnen Kraft dieses Amtes zukommt", erklärten die Präsidenten des Europäischen Rats und der EU-Kommission, Herman Van Rompuy und José Manuel Barroso, in einem als Glückwunschadresse formulierten Appell an den Wahlsieger. Erdogan müsse nun alle "gesellschaftlichen Gruppen, Glaubensgemeinschaften, Befindlichkeiten, Meinungen und Lebensstile" in der Türkei zusammenführen. Auch die Kurden-Frage und der Konflikt mit Zypern müssten geregelt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich in ihrem Glückwunschschreiben an Erdogan zu keinem der Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten. Deutschland und die Türkei verbinde "eine enge und vertrauensvolle Partnerschaft", erklärte Merkel. Derzeit gebe es "in der Region schwierige Herausforderungen zu meistern". Der Regierung in Ankara komme dabei eine große Bedeutung zu.

Vorbereitung für neue Machtverteilung

Angesichts der tiefen politischen Gräben in der Türkei schlug Erdogan noch am Wahlabend ungewohnt versöhnliche Töne an. Bei einer Siegesrede auf dem Balkon des AKP-Hauptquartiers in Ankara gelobte er vor zehntausenden Anhängern, er wolle eine "neue Ära" einläuten und den "Streit der Vergangenheit" beilegen. Allerdings müsse die Opposition "ihre Politik überdenken", um dem Ideal einer "neuen Türkei" gerecht zu werden. "Diejenigen, die uns einer Ein-Mann-Herrschaft bezichtigen, sollten sich bitte selbst ernsthaft hinterfragen", sagte Erdogan.

Der Wahltriumph ebnet Erdogan nun den Weg zur von ihm angestrebten Transformation der Türkei von einer parlamentarischen Demokratie zu einem Präsidialsystem, in dem das Staatsoberhaupt maßgeblich die Politik bestimmt. Allerdings müsste Erdogans regierende islamisch-konservative AKP ihre Stellung als stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 noch ausbauen, um die für die Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zusammenzubringen. Von einer solchen Mehrheit ist die Partei derzeit noch weit entfernt.

Auch wenn die derzeitige Verfassung den türkischen Präsidenten schon eine erhebliche Machtfülle sichert, die bisherigen Amtsinhaber nutzten diese nicht aus und beschränkten sich auf die repräsentative Rolle des Präsidentenamtes. Bereits jetzt sind beispielsweise Entscheidungen des Präsidenten juristisch nicht anfechtbar.

Beratungen über künftige AKP-Führung

In Ankara trat die Parteiführung der AKP zusammen, um über den nächsten Parteichef und Ministerpräsidenten zu beraten, der wie Erdogan beide Ämter in Personalunion ausüben könnte. Der 60-jährige Erdogan muss sie spätestens bei seiner Vereidigung als Präsident am 28. August aufgeben. Als Favorit für seine Nachfolge wird in türkischen Medien der bisherige Außenminister Ahmet Davutoglu gehandelt.

Auf Anhieb Absolute Mehrheit

Erdogan hatte die erste Direktwahl eines türkischen Präsidenten am Sonntag im ersten Durchgang gewonnen. Für ihn stimmten fast 52 Prozent der Wähler, sein stärkster Widersacher Ekmeleddin Ihsanoglu kam auf gut 38 Prozent. Der Kandidat der kurdischen Minderheit, Selahattin Demirtas, erhielt knapp zehn Prozent.

qu/kis (dpa, rtr, afp)