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Nur dabei statt mittendrin

Sabrina Pabst24. Mai 2014

Facebook, Twitter, Youtube - über soziale Medien wollen EU-Politiker den Kontakt zu ihren Wählern verstärken. Doch reichen soziale Medien aus, um Politik sexy zu machen?

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Während Deutschlands Internetkonferenz Re:publica 2013 sitzt ein Mann mit Notebook zwischen vielen anderen jungen Erwachsenen (Foto: Stephanie Pilick/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Politikern wird oft vorgeworfen, sie seinen bürgerfern und hätten kein Interesse an der Meinung ihrer Wähler. Sicherlich sind die Möglichkeiten der EU-Abgeordneten begrenzt. Immerhin vertritt im Durchschnitt jeder der insgesamt 99 deutschen EU-Abgeordneten 828.000 Bundesbürger. Mit ihnen in Kontakt zu treten, scheint auf den ersten Blick kaum möglich zu sein.

Aber es geht. Durch soziale Medien können Politiker schnell und auf jeden User zugeschnittene Informationen verbreiten. Dazu kommt der direkte Draht in jeden zweiten Haushalt - immerhin informieren sich laut einer Studie des Branchenverbands BITKOM über 60 Prozent der Deutschen online über politische Themen.

Zuhören lernen - auch im Netz

"Wir zeigen auch zwischen den Wahlen, wie man sich an der Europapolitik beteiligen kann", sagt Julia Reda von der Piratenpartei. "Politische Themen aus Brüssel haben wir auf eine schicke Website gebracht und Fragen, die dort gestellt wurden, aufbereitet. Das haben wir dann über die sozialen Medien beworben. Im Europawahlkampf machen wir das ganz ähnlich."

Julia Reda möchte nach den Europawahlen im Mai zum ersten Mal als Abgeordnete ins Europäische Parlament ziehen. Ihre junge Partei hat dabei einen klaren Vorteil: Die Piraten sind im Durchschnitt wesentlich jünger als andere Parteien des Europäischen Parlaments. Die Piraten und die Europäische Union passen laut Reda gut zusammen, denn "wir zeigen, dass die Werte, die wir im Internet gelernt haben - Zusammenarbeit, Vernetzung und auch das Überwinden von Grenzen - Werte sind, die auch die EU ausmachen."

Die Piraten diskutieren auf ihren Webseiten über aktuelle EU-Themen, rufen zu Online-Petitionen auf, stellen Anfragen an das Parlament und drehen kurze YouTube-Clips über die tägliche Arbeit von EU-Abgeordneten. All das verbreiten sie über soziale Netzwerke.

Julia Reda tritt für die PiratenPartei als Spitzenkandidatin zur Europawahl an (Foto: imago)
Infos für Insider: Unter @senficon twittert Julia RedaBild: imago

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Die sozialen Netzwerke nutze Julia Reda besonders, um die Europapolitik näher an die Leute zu bringen. Denn eins beobachtet sie schon jetzt: Die Parlamentarier müssten sich aktiv bemühen, sich den Leuten über das Internet zu präsentieren und auch ansprechbar zu sein. Aber die Abgeordneten seien es nicht gewöhnt, direkt von Menschen kontaktiert zu werden, meint die Piratin. Ihren Online-Auftritt pflegt sie nach eigenen Angaben regelmäßig persönlich.

"Bei Julia Reda bin ich mir nicht so sicher, ob sie überhaupt Interesse an einem Dialog hat", sagt wiederum der Hamburger Wahlbeobachter Martin Fuchs im Interview mit der Deutschen Welle. "Bei Twitter hat sie noch immer ihren Decknamen @Senficon." Eine Personensuche würde in ihrem Fall auf Twitter ins Leere laufen. Der Wähler wisse ja nicht, dass Julia Reda einen Decknamen nutze, kritisiert Fuchs. Er berät Parteien, öffentliche Institutionen und Politiker bei ihrem Einsatz von sozialen Medien. Die politische Arbeit transparent zu gestalten, ist ein richtiger Schritt, um Europa den Bürgern näher zu bringen, meint auch Fuchs.

Soziale Medien haben ihre eigene Kultur

Manfred Weber ist schon schon länger im EU-Parlament. Der Abgeordnete der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) hat soziale Medien auch für seine politische Arbeit entdeckt. Von den Konservativen im EP ist er auf diesen Plattformen der aktivste. Mit Hilfe des Social-Media-Tools Pluragraph lassen sich die Online-Aktivitäten der einzelnen EU-Abgeordneten in einzelnen sozialen Netzwerken analysieren. Manfred Weber rangiert dort auf Platz sechs aller 99 deutschen Abgeordneten, wenn es um die Facebook-Nutzung geht.

Mit seinem Twitter-Account belegt er nur Platz 23. Seine sozialen Netzwerke bieten ihm dennoch einen klaren Vorteil: die Geschwindigkeit. "Die Nutzer, die im Netzwerk mit mir verbunden sind, erwarten, dass sie schneller über aktuelle politische Entwicklungen informiert werden. Dann wollen sie mir Rückmeldung geben, was sie davon halten."

Screenshot des Facebook-Auftritts von Manfred Weber, EU-Abgeordneter der CSU
Aktuelle Informationen gibt's für Manfred Weber-Fans auf seinem Facebook-Profil

Aber ist das der richtige Ansatz? "Manfred Weber hat keine Strategie, wie er soziale Netzwerke nutzen sollte", meint der Wahlbeobachter Martin Fuchs. Das reine Aussenden von Pressemitteilungen und von Statements im Nachgang von Entscheidungen und Debatten sei falsch. "Das zeigt, dass er vielleicht die Technik verstanden hat, aber nicht die Kultur, die hinter sozialen Medien steckt."

Die sozialen Netzwerke seien dialogbasiert. Nutzer würden also erwarten, dass ein Politiker für Interaktionen offen ist. "Die Meinung der Nutzer ist entscheidend. Politiker müssen zuhören lernen."

"One-to-Many-Kommunikation ist falsch"

Klickt man sich allerdings durch die Facebook-Seiten der EU-Abgeordneten, scheint kein Dialog stattzufinden. Dort befinden sich meist nur die Einträge der Abgeordneten. Und auf den Webseiten der Politiker fehlen oft Hinweise, dass der Abgeordnete überhaupt in sozialen Netzwerken ist.

Ein Problem, das auch Martin Fuchs kennt. Natürlich möchten Politiker keine kritischen Inhalte auf ihren Seiten, aber das sei falsch. "Wenn sie soziale Medien nutzen, dann müssen sich Politiker auch die Zeit für Dialoge nehmen. Sie müssen dort auf Kritik reagieren und diese auch ernst nehmen", meint Fuchs. "Denn Kritik zeigt, dass es Menschen gibt, die sich mit mir und meinen Positionen auseinandersetzen."

Martin Fuchs ist als Wahlbeobachter im Netz unterwegs und schreibt in seinen Blogs über die Nutzung sozialer Medien durch Politiker (Foto: Martin Fuchs)
Er hat sie alle im Blick: der Blogger Martin Fuchs beobachtet die Social-Media-Nutzung von PolitikernBild: Martin Fuchs

Doch Interaktion muss erzeugt werden. Findet sie nicht statt, entscheidet am Ende Facebook, dass die Beiträge langweilig sind. Das Resultat: Die Beiträge werden den Facebook-Fans nicht mehr angezeigt, "weil es eine klassische One-to-Many-Kommunikation ist", erklärt Fuchs.

Manfred Weber wird trotz des Experten-Rats weiter agieren, wie bisher. Von seiner Strategie in den sozialen Netzwerken ist er überzeugt: "Die Menschen interessieren sich für meinen Facebook-Account, weil sie Interesse an der politischen Arbeit des Manfred Weber haben. Mir ist es wichtig, dass es um die Inhalte geht, die dort kommuniziert werden. Damit sind wir erfolgreich."