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Die Menge macht's

Anne Le Touzé-Schmitz18. März 2013

Ob Mal-Workshops in Ghana oder Honigproduktion in Kamerun: Internet-User werden zunehmend als Spender und Kreditgeber für lokale Entwicklungsprojekte entdeckt - zum Beispiel in Afrika.

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Künstler der Gruppe Nima Muhinmanchi Art (NMA) bemalen eine Mauer in Accra. Foto: Charles Lawson/NMA
Künstler der Gruppe Nima Muhinmanchi Art bemalen für das Projekt "Imagine Accra" eine Mauer in AccraBild: Charles Lawson/NMA

"Ich male etwas über den Frieden" sagt der junge Mohamed Adam in einem Werbefilm des Künstler-Kollektivs "Nima Muhinmanchi Art". Sein Bild ist bunt und warm, so wie die meisten Werke aus dem Kunstatelier für Kinder aus Nima. Nima ist ein Slum im Herzen der ghanaischen Hauptstadt Accra. 1000 Dollar wurden benötigt, um diesen After-School-Workshop zu organisieren. Die Unterstützungskampagne, die vor knapp einem Jahr auf der weltgrößten Crowdfunding-Plattform "Indiegogo.com" lief, übertraf alle Erwartungen: fast 1600 Dollar gaben Internet-User für das Projekt. Im Gegenzug erhielten sie – je nach Beitragshöhe – Postkarten, T-Shirts bis hin zu Original-Gemälden.

Die "Kraft der Massen" nutzen

Das Prinzip des Crowdfunding basiert auf einer ganz einfachen Rechnung: Je mehr Leute sich für ein Projekt engagieren – sei es nur mit einem symbolischen Dollar oder Euro – desto mehr kommt am Ende zusammen. "Wichtiger als der gespendete Betrag ist die Anzahl der Unterstützer", bestätigt Joana Breidenbach, die 2011 als Jurymitglied für die Bobs, den DW-Preis für Online-Aktivismus, tätig war.

Screenshot der Crowdfunding-Plattform "Indiegogo.com" mit dem Projekt "Nima Muhimanchi Art"
In kurzen Videos werden die Projekte auf "indiegogo.com" vorgestelltBild: DW/D.Miranda

Als Mitbegründerin von "Betterplace.org", Deutschlands größter Crowdfunding-Plattform für soziale Projekte, kennt sie die Schlüssel einer erfolgreichen Kampagne: eine gute Idee und vor allem eine gute Vernetzung. "Die Projekte, die richtig gut laufen, sind die, die eine coole Geschichte haben", erzählt sie weiter. "Das Zielpublikum, meistens jung und auf sozialen Netzwerken unterwegs, engagiert sich gern, wenn es sich angesprochen fühlt."

Seit der Gründung 2007 hat Betterplace für knapp 5000 Projekte in 147 Ländern zehn Millionen Euro an Spenden gesammelt. Im Gegensatz zum traditionellen Crowdfunding, das Internet-Nutzern meist eine Gegenleistung wie zum Beispiel ein T-Shirt oder den eigenen Namen im Abspann eines mitfinanzierten Films verspricht, ist Betterplace eine reine Spendenplattform.

Die Bank der Zukunft

Das Konzept an sich habe sich aber in den vergangenen fünf bis zehn Jahren  so gut entwickelt, dass ein neuer Trend entstanden sei, merkt Joana Breidenbach an. Zunehmend werden User aufgerufen, in Firmen – meistens Start-Ups – zu investieren.

Dr. Joana Breidenbach, Vorstandsmitglied der Spendenplattform "Betterplace.org" und 2011 Mitglied der Bobs-Jury.
Joana BreidenbachBild: privat

Auch Blue Bees, ein Neuling in der französischen Crowdfunding-Landschaft, setzt auf die Beteiligung an "wirtschaftlich lebensfähigen Projekten". Allerdings unterstützt die Ende 2012 gegründete Plattform ausschließlich Firmen in Entwicklungsländern. "Wir wollen die Bank der Zukunft schaffen: verantwortungsbewusst, transparent und fair" sagt Mitbegründer Maxime de Rostolan, der seit zehn Jahren im Bereich Nachhaltigkeit arbeitet.

Die Idee zu Blue Bees kam ihm aufgrund der Beobachtung, dass viele interessante Projekte aus Entwicklungsländern nicht verwirklicht werden können, weil die Banken ohne Sicherheiten keine Kredite geben.

So hat es auch Honigproduzent Jacques George Badjang aus Douala, Kamerun erlebt. Er hatte vergeblich versucht, für "Les Mielleries" bei den Banken einen Kredit zu erhalten, konnte die erforderlichen Garantien dafür aber nicht bieten. Ein Mikrokredit kam für ihn ebenfalls nicht in Frage, da die benötigte Summe von 20.000 Euro zu hoch war.

"Wir sind keine Bettler"

"Les Mielleries" ist das erste Projekt, das von Mitgliedern der Blue Bees-Community finanziert wird. 85 Tage haben gereicht, um das Geld zu sammeln. Mit dem Geld wird der Unternehmer sein Imker-Netzwerk ausbauen und den Vertrieb seines Honigs verbessern. In sechs Monaten soll der Kredit samt elf Prozent Zinsen zurückbezahlt werden. Ein Modell, das Badjang richtig findet: "Wir Unternehmer sind keine Bettler. Wir wollen mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten, um Wachstum zu schaffen. Am Ende muss jeder etwas davon haben".

Für die Internet-User, die sich am Projekt beteiligt haben, sollte es sich auch lohnen: sie bekommen nicht nur ihr Geld zurück, sondern auch eine kleine Prämie. Und wenn die Erfahrung ihnen gefallen hat, können sie sich weiter als "Banker" versuchen. Zwei neue Projekte stehen auf der Plattform von Blue Bees: Ein Medizingarten in Peru und Honigproduktion mit Ton-Bienenstöcken in Burkina Faso. In 90 Tagen soll die Gesamtsumme von 16.500 Euro erzielt werden.

Auch die Künstler von "Nima Muhinmanchi Art" haben weitere Kampagnen auf Indiegogo mit Erfolg abgeschlossen: Zum 56. Jahrestag der Unabhängigkeit Ghanas am 16. März 2013 erstellten sie eine Mauerfreske (siehe Artikelbild). "Imagine Accra" hat 500 Dollar an Spenden gesammelt. 100 Dollar habe die Organisation noch selbst beigesteuert, sagt Projektleiter Robin Riskin. "Um weiter arbeiten zu können, brauchen wir auf jeden Fall Unterstützung durch Sponsoren."