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Entführung senkt Friedenschancen

Greta Hamann8. Februar 2013

Nach der Entführung zweier deutscher Rentner in Kolumbien bleiben die Motive der Guerillas unklar. Experten können nur spekulieren; glauben aber, dass die Widerstandsarmee ELN den eigenen Zielen eher geschadet hat.

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Rebellen der ELN mit Sturmmaske (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Seit Mitte 2012 sind die Unterhändler der kolumbianischen Regierung viel unterwegs: Zu Friedensgesprächen mit der größten kolumbianischen Guerillaorganisation FARC (Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens) sind sie nach Oslo und mehrfach nach Havanna gereist. Für die ersten Gespräche zwischen einer kolumbianischen Regierung und den Widerstandskämpfern seit zehn Jahren haben die verfeindeten Parteien - mehr oder weniger - neutralen Boden aufgesucht.

Viele sahen die Aufnahme der Verhandlungen als großen Schritt in Richtung Frieden. Doch wie sich jetzt zeigt, hatte die Landesführung einen Teil ihres Guerilla-Problems dabei komplett ausgeblendet. Während FARC und Regierung miteinander sprechen, zieht nun die ELN (Nationale Befreiungsarmee) Aufmerksamkeit auf sich: Mitte Januar entführte die zweitgrößte Guerillaorganisation fünf Männer aus Kanada, Peru und Kolumbien. Nun wurde bekannt, dass die Rebellen bereits seit neun Wochen zwei deutsche Rentner gefangen hält.

Gesprächsbasis zerstört

Die Entführungen werden von der kolumbianische Regierung als Zeichen gewertet, dass sich auch die ELN in die Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung einbringen will. Auch Sabine Kurtenbach vom GIGA-Institut in Hamburg hält das für möglich, zweifelt aber am Erfolg der Taktik: "Wenn das ihr Ziel war, dann ist es krachend gescheitert." Viele kolumbianische Politiker, die sich zuvor für Gespräche mit der ELN eingesetzt haben, distanzieren sich nun davon. Für Friedensgespräche, meint Kurtenbach, gebe es nun keine Basis mehr.

FARC-Rebellen am Verhandlungstisch mit der kolumbianischen Regierung in Havanna (Foto: Reuters)
FARC-Rebellen am Verhandlungstisch mit der kolumbianischen Regierung in HavannaBild: Reuters

Die kolumbianische Regierung verkündete bereits, sie wolle erst dann Gespräche aufnehmen, wenn alle Gefangenen freigelassen worden sind. Kurtenbach aber hält es für unwahrscheinlich, dass die Organisation künftig vom Mittel der Entführung absehen wird: "In diesem Umfeld ist es sehr wichtig, dass man militärische Schlagkraft demonstriert." Maßgeblich sei aber auch, die Organisation als unumgänglichen Gesprächspartner ernst zu nehmen. Hinzu komme: Entführungen sind eine Einkommensquelle für alle terroristischen Vereinigungen.

Stefan Ofteringer ist Berichterstatter der Hilfsorganisation Misereor für Menschenrechte in Kolumbien. Auch er bezweifelt, dass Präsident Santos sich durch solche Aktionen von der ELN an einen Tisch drängen lässt. Im Gegenteil: "Die Regierung steht unter einem enormen Druck von rechts." Sowohl der ehemalige Präsident Uribe als auch rechte Militärs seien gegen Friedensgespräche mit Guerilleros und zögen eine militärische Lösung des Konflikts vor: "Wenn Santos nach dieser Aktion einen Schritt auf die ELN zugeht, würde das seinem Ansehen in der öffentlichen Meinung extrem schaden", sagt Ofteringer.

Porträt von Sabine Kurtenbach (Foto: privat)
Sabine Kurtenbach ist Kolumbienexpertin am GIGA-Institut HamburgBild: Sabine Kurtenbach

Ziele unklar

Was die Guerillas wirklich wollen, weiß keiner genau. Auf ihrer Webseite ließ die Organisation verlauten, dass sie die zwei Deutschen für Spione halte. Das Auswärtige Amt bestätigte indes, dass sie als Touristen nach Kolumbien eingereist seien. Dennoch halten die Entführer an ihrer Theorie fest, da die Gefangenen bisher nicht plausibel erklären konnten, warum sie sich in der touristisch kaum erschlossenen Umgebung von Catatumbo im Nordosten Kolumbiens aufgehalten haben.

Ältester Bürgerkrieg der Welt

Der Konflikt zwischen Rebellen und dem kolumbianischen Staat gilt als ältester Bürgerkrieg der Welt. FARC und ELN wurden bereits in den 60er-Jahren gegründet - als marxistische Bewegungen, deren erklärtes Ziel mehr soziale Gerechtigkeit war. Im Laufe der Jahre sind dem Guerillakrieg Schätzungen zufolge 200.000 Menschen zum Opfer gefallen.

Auch wenn die Angaben über Mitgliederzahlen schwanken, ist unstrittig, dass die FARC deutlich größer ist als die ELN. Das kolumbianische Verteidigungsministerium setzt niedrigere Zahlen an, als andere Institutionen und rechnet mit 8000 Kämpfern in Reihen der FARC und 1500 bei der ELN. Laut der Politologin Kurtenbach ist die FARC eher in ländlichen, die ELN in städtischen Gebieten verankert.