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Energiewende (vorerst) neu geregelt

Sabine Kinkartz27. Juni 2014

Gegen die Stimmen der Opposition hat der Bundestag das neugefasste Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien verabschiedet. Nach wie vor steht die EU-Kommission der Ökostromreform aber im Weg.

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Offshore-Windpark (Foto: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Zuversicht und Optimismus verbreiten zu können, das ist eine der wesentlichen Fähigkeiten, die ein Bundeswirtschaftsminister mitbringen muss. Sigmar Gabriel erfüllt diese Anforderung perfekt. Ganz in Ruhe und gelassen lächelnd trat er am morgen im Deutschen Bundestag auf, nachdem die Opposition immerhin eine halbe Stunde lang versucht hatte, die Verabschiedung der EEG-Reform kurzfristig von der Tagesordnung streichen zu lassen.

Linke und Grüne fühlen sich überfordert, nachdem die EU-Kommission Anfang der Woche nicht nur Nachbesserungen am Gesetz gefordert hatte, sondern auch grundsätzliche Bedenken gegen das deutsche Fördersystem erhob. Die Umlage in Höhe von derzeit 6,24 Cent pro Kilowattstunde, die Stromkunden zur Förderung erneuerbarer Energien zahlen müssen, sei für Strom, der aus anderen EU-Ländern importiert wird, eine zollgleiche Abgabe, bemängelt die Kommission. Solche Abgaben seien im Binnenmarkt unzulässig, importierter Strom müsse daher von der EEG-Umlage befreit werden.

Opposition fühlt sich missachtet

Gabriel habe monatelang mit der EU-Kommission verhandelt, kritisierte die Fraktionsgeschäftsführerin der Linken, Petra Sitte, im Bundestag. "Entweder ist dem Minister in den letzten Monaten entgangen, dass doch nicht so erfolgreich verhandelt wurde, wie man angenommen hatte, oder man hat ein wenig gepokert und die schlechten Nachrichten für zuletzt aufgehoben." Einen Abend habe der Wirtschaftsausschuss Zeit gehabt, um über fünf Seiten Änderungsanträge und die dazu gehörenden 204 Seiten Synopse zum Gesetz zu beraten, die nach den Einwänden aus Brüssel kurzfristig ergänzt worden seien. Weitere Ausschüsse hätten aus Zeitgründen gar nicht tagen können. "Das ist eine unglaubliche Missachtung des Parlaments und unserer Aufgaben."

Protest gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Berlin (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Lautstarker Protest vor dem Reichstag, während im Gebäude über die EEG-Reform abgestimmt wurdeBild: picture-alliance/dpa

Wirtschaftsminister Gabriel ficht das nicht an, genauso wenig wie die Angriffe des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Oliver Krischer. Der bezeichnete den Minister in der Debatte als "Abrissbirne, die die erneuerbaren Energien in Deutschland kaputtmacht". Mit Nachdruck kritisierte Krischer die geplante Pflicht-Abgabe für neue, größere Anlagen zur Erzeugung von Strom für den Eigenbedarf. "Versenken Sie diese Sonnensteuer", forderte er. Sie würge die Photovoltaik ab. Auch für die anderen Ökostromarten seien Hindernisse geplant.

Kostenanstieg bremsen

Sigmar Gabriel wies die Vorwürfe zurück. Es sei Verleumdung, von einem Ausbremsen der Erneuerbaren zu sprechen. Der Bau neuer Windräder an Land von 2500 Megawatt pro Jahr bleibe ambitioniert. Schließlich sei es Ziel der Bundesregierung, die Kosten für mehr Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Biogas und Geothermie zu senken. "Das ist dringend nötig, denn wir haben drastische Fälle von Überförderung". In wenigen Jahren sei die EEG-Umlage um zehn Milliarden Euro gestiegen, seit 2010 allein um 200 Prozent.

Dem Kostenanstieg will die Gesetzesnovelle begegnen, indem Ausbauziele und die Förderung der erneuerbaren Energien gesenkt werden. Das wird allerdings nichts daran ändern, dass ein privater Haushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch derzeit schon knapp 220 Euro Ökostrom-Umlage im Jahr über seinen Strompreis bezahlen muss. Die Bundesregierung weigert sich, die energieintensive Industrie stärker zur Kasse zu bitten. "Da würde man vielleicht 30 Euro pro Jahr sparen, es würde aber gleichzeitig hunderttausend Arbeitsplätze kosten", argumentiert der Wirtschaftsminister. "Dieses Ausspielen von Arbeitsplätzen gegen Verbraucherinteressen halte ich für einen großen Fehler."

Einwände aus Brüssel bleiben

Nachdem der Bundestag das EEG-Gesetz in namentlicher Abstimmung mit 454 zu 123 Stimmen bei sechs Enthaltungen verabschiedet hat, spricht Gabriel von "einem wirklich guten Tag". Die Energiewende, die zuletzt "tief im Treibsand" gesteckt habe, müsse zu einem Erfolg gebracht werden. Ob das klappen wird, liegt allerdings nicht allein in der Hand der Bundesregierung. Die grundsätzlichen Bedenken der EU-Kommission gegen das deutsche Fördersystem für erneuerbare Energien sind nicht vom Tisch. Am kommenden Dienstag wird zudem der europäische Gerichtshof darüber entscheiden, ob ein finnischer Energieerzeuger für seinen nach Schweden exportierten Windstrom schwedische Fördergelder in Anspruch nehmen kann.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei einer Rede im Bundestag (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Für Wirtschaftsminister Gabriel sind die Forderungen aus Brüssel "ein Irrweg"Bild: picture-alliance/dpa

Sollte der EuGH die Fördergelder zubilligen, könnte das zu einer Kostenexplosion auch in Deutschland führen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel verbreitet trotzdem Zuversicht und Optimismus. Nachdem er die EU-Kommission in dieser Woche zunächst scharf attackiert hatte und von einem "Angriff zur Zerstörung des EEG" gesprochen hatte, stimmt er plötzlich versöhnlichere Töne an. "Ich glaube, dass wir schon jetzt auf einem gutem Weg sind, uns mit der Kommission zu verständigen", sagte er nach der Abstimmung im Deutschen Bundestag. Er habe am Donnerstag EU-Kommissar Joaquín Almunia getroffen. "Dem ist auch klar, welche Bedeutung diese Frage hat."

Kommission soll überzeugt werden

Die Forderungen der EU-Kommission seien "ganz dramatische Änderungen, die wir aus unserer Sicht nicht machen können". Deutschland könne nicht für ausländischen Strom zahlen, wenn es keine Möglichkeit gebe, das in anderen Ländern genauso zu tun. Es sei auch ausgeschlossen, bereits bestehende Anlagen zur Eigenstromerzeugung mit 100 Prozent der EEG-Umlage zu belegen. Das wäre eine dramatische Belastung der deutschen Industrie.

Im Moment werde eine neue Kommission aufgebaut und es werde auch einen neuen Wettbewerbskommissar geben, stellt Gabriel abschließend fest. "Ich bin ziemlich sicher, dass wir relativ schnell zu Lösungen kommen werden, denn diese Verunsicherung würde am Ende die Wachstumslokomotive Europas, Deutschland, beeinträchtigen und daran hat niemand in Europa ein Interesse."