1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wende nur beim Strom

Gero Rueter26. November 2013

Erneuerbare Energieträger haben bei der Stromerzeugung in Deutschland 2012 weiter zugelegt. Aber der Ausbau ökologisch beheizter Gebäude ging nur mäßig voran. Bei Autos, LKW und Flugzeugen geht es kaum voran.

https://p.dw.com/p/17hwP
Schnell drehende Windräder (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Photovoltaik-, Wasser-, Wind- und Biogasanlagen deckten 2012 rund 23 Prozent des deutschen Strombedarfs und damit drei Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Damit setzten die Stromerzeuger den Trend der Energiewende fort. 2005 hatte der Anteil der erneuerbaren Energien noch bei 10 Prozent gelegen, 2008 bei 15 Prozent.

Dieser Zuwachs gelang, weil der Ausbau der erneuerbaren Energieträger sich beschleunigte: Sonnen- und Windkraftwerke mit einer Leistungskapazität von insgesamt 10 Gigawatt (GW) kamen hinzu. Ende 2012 betrug damit die Kraftwerkskapazität der erneuerbaren Energien 73 GW.

Flächendeckender Windausbau

Kleine und große Investoren haben 1008 Windkraft-Turbinen mit einer Gesamtleistung von 2,4 GW neu aufgestellt, ein Fünftel mehr als noch im Jahr zuvor. Damit bleibt die Windenergie unter den erneuerbaren Energieträgern führend. Mit einer Gesamtkapazität von 31,3 GW trug sie im windschwachen Jahr 2012 acht Prozent zur Stromerzeugung bei.

Allerdings ist die Windkraft in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt: Vor allem windreiche Regionen in Nord- und Ostdeutschland haben bisher in die Windkraft investiert. Dabei führend sind die Bundesländer Schleswig-Holstein und Brandenburg. Dort trägt die Windkraft schon etwa zu 50 Prozent des erzeugten Stroms bei.

Aber die Türme moderner Windkraftanlagen werden immer höher und die Rotorflügel größer. Deshalb lohnt sich der Bau mittlerweile auch im milderen Klima des süddeutschen Binnenlandes. Übliche Anlagentürme erreichen dort heute eine Höhe von 130 Metern. Anlagen an der norddeutschen Küste brauchen nur eine Höhe von 80 Metern.

DW- Infografik: Strommix in Deutschland 2012

1,4 Millionen Solaranlagen in Bürgerhand

Süddeutschland ist allerdings führend beim Aufbau der Photovoltaik. So tragen Solardächer in Bayern gut zwölf Prozent zum regionalen Strommix bei. In ganz Deutschland produzieren vor allem Eigenheimbesitzer und Landwirte mit ihren 1,4 Millionen Solarkraftwerken Strom. Mit einer Gesamtkapazität von rund 35 GW tragen sie immerhin zu über fünf Prozent des Strommixes bei. Allein im letzten Jahr wuchs die Kapazität um 7,6 GW.

Durch technologische Fortschritte, Massenfertigung und weltweite Konkurrenz erlebten Solarzellen in den letzten Jahren einen drastischen Preissturz. Davon profitierten die Kunden: Kostete Strom aus einer großen Solaranlage 2008 noch über 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh), so wird er inzwischen an sonnenreichen Orten Deutschlands schon für unter 10 Cent pro kWh produziert. Wenn Eigenheimbesitzer mit kleineren Anlagen Solarstrom für 14 Cent pro KWh produzieren, bezahlen sie schon heute über 40 Prozent weniger, als wenn sie den Strom von einem Energieversorger aus dem Netz beziehen. Deshalb lohnt sich Solarstrom heute zunehmend für Selbstverbraucher.

Strom und Wärme aus Biomasse

Eine wichtige Stütze der Energiewende ist auch die Biomasse. Anders als Wind- und Sonnenkraftwerke können Biogasanlagen Strom immer gerade dann produzieren, wenn er gebraucht wird. Die 7600 Anlagen in Deutschland haben eine Kapazität von sechs GW und produzieren damit sieben Prozent des deutschen Stroms aus vergorenen Energiepflanzen, Abfällen und Gülle.

Eine Biogasanlage (Foto:LianeM - Fotolia.com)
Biogasanlage: Landwirte sehen die Energiewende als Chance für die Entwicklung ihrer RegionBild: LianeM/Fotolia

In kleinen Blockheizkraftwerken (BHKW) fällt dabei neben Strom auch Wärme ab, die die Betreiber zur Heizung oder in der Landwirtschaft nutzen. Auch Restholz aus dem Wald oder aus Sägefabriken kann als Rohmaterial für Biogasanlagen genutzt werden. In Deutschland gibt es 250 Kleinkraftwerke, die es verstromen und zum Heizen nutzen.

Mehr Stromexporte trotz Atomausstieg

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 nahm die Bundesregierung acht von 17 Atomkraftwerken in Deutschland endgültig vom Netz. Die Atomstromproduktion fiel dadurch um 40 Prozent. Skeptiker des Atomausstiegs befürchteten damals, dass ausländische Stromimporte langfristig nötig seien. Aber es kam anders: In der Gesamtbilanz exportiert Deutschland mittlerweile sogar mehr Strom ins Ausland als vor dem Atomausstieg.

Die Hoffnung der EU, durch den Handel mit Verschmutzungsrechten den CO2 Ausstoß zu verringern, erfüllten sich indes kaum. Der Grund: Ein drastischer Preisverfall bei CO2-Zertifikaten. Dadurch wurde die Stromerzeugung mit Braunkohle-Kraftwerken sehr günstig. Diese verdrängten 2012 umweltfreundlichere Gaskraftwerke zunehmend aus dem Stromgeschäft. Nach Angaben des Bundesumweltamtes stiegen deswegen die CO2-Emissionen in Deutschland 2012 im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent. Aus diesem Grund fordern Umweltschützer von der EU, Zertifikate vom Markt zu nehmen, um wieder wirtschaftliche Anreize für den Klimaschutz zu setzen.

Heizen mit Holz, Erdwärme und Sonne

Die Deutschen verbrauchen gut ein Drittel der Energie zum Heizen - das ist deutlich weniger als früher. Denn seit 2005 haben sie durch effizientere Heizanlagen und Wärmedämmung einiges erreicht: Im Vergleich mit dem Jahr 2005 verbrauchen die Deutschen heute ein Viertel weniger Öl und Gas.

Etwa elf Prozent der Heizenergie stammen aus erneuerbaren Quellen. In der letzten Zeit stieg dieser Anteil um etwa einen Prozent jährlich. Drei Viertel davon sind Holz. Der Rest stammt aus Biogasanlagen, Erdwärmepumpen und solarthermischen Anlagen.

Eine Hand hält Holzhackschnitzel (Foto: Gero Rueter/DW)
Mit Holzshackschnitzel aus Restholz wird Strom und Wärme produziertBild: DW/G. Rueter

Jeder zweite Neubau verfügt mittlerweile über eine Heizungsanlage, die erneuerbare Energien nutzt. Jedes dritte Haus hat eine Wärmepumpe, jedes fünfte eine solarthermische Anlage. Etwa sechs Prozent der Neubauten heizen mit Holzpellets.

Beschleunigung der Energiewende erforderlich

Bis 2050 will die Bundesregierung 60 Prozent des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland aus erneuerbaren Energien decken. Im Jahr 2000 lag der Anteil noch bei vier und heute bei 13 Prozent. Um ihr Ziel bis 2050 zu erreichen, müsste Deutschland den Umbau noch weiter beschleunigen. Experten sehen das größte Potential beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und in der Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und Anlagen.

Am ambitioniertesten sind die Pläne der Regierung bei der Elektrizität: Bis 2050 sollen deutsche Erzeuger 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Um das Ziel zu erreichen gilt es allerdings noch eine große Hürde zu nehmen: Den Ausbau intelligenter Netze und Speicher, die den Strom dann zur Verfügung zu stellen, wenn er gebraucht wird.

Kaum Erneuerbare im Transport

Schlusslicht bei der Energiewende ist nach wie vor der Verkehr. Die meisten Autos und Lastkraftwagen fahren mit Benzin und Diesel. Flugzeuge brauchen Kerosin. Zwar enthalten auch Benzin und Diesel mittlerweile festgelegte Mengen an Bioethanol und Biodiesel, aber der Gesamtanteil an Biokraftstoffen nahm in den vergangen Jahren nicht zu. Er liegt nach wie vor unter sechs Prozent.

Statistische Quellen: Bundesumweltministerium, Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft, Bundesverband Windenergie, Bundesverband Solarwirtschaft, Öko-Institut Freiburg, AG Energiebilanzen, Agentur für Erneuerbare Energien.