1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ende der EU-Erweiterung?

Nemanja Rujevic22. März 2013

Nach dem EU-Beitritt Kroatiens könnte der Erweiterungsprozess für lange Zeit ins Stocken geraten, deuten europäische Politiker an. Doch der westliche Balkan braucht konkrete Ansagen, wie es weitergeht.

https://p.dw.com/p/17yfC
Heinz-Jürgen Axt, Verica Spasovska, Srecko Horvat und Dragoslav Dedović beim Podiumsdiskussion "Endstation Kroatien? Südosteuropa und die Perspektiven der EU-Erweiterung" auf der Leipziger Buchmesse, 14.3.2013 (Foto: Nemanja Rujević/dw)
Bild: DW/N Rujevic

Nach dem EU-Beitritt Kroatiens werde sich der EU-Erweiterungsprozess verlangsamen, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dezember vergangenen Jahres. Worte, die auf dem westlichen Balkan eine große Wirkung haben, denn dort wird Deutschland als Motor der EU wahrgenommen. Die Gründe für die Äußerung Merkels und anderer europäischer Politiker liegen auf der Hand: Die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise bestimmt heute die Agenda der europäischen Politik.

"In dieser Situation wäre es fahrlässig, wenn die Bundeskanzlerin ein festes Datum für die Beitrittsverhandlungen oder den EU-Beitritt einiger Staaten nennen würde. Das kann man derzeit von keinem verantwortlichen Politiker verlangen", meint Heinz-Jürgen Axt, Südosteuropa-Experte an der Universität Duisburg, während der Podiumsdiskussion "Endstation Kroatien? Will die EU die Tür für alle Balkanländer offen halten?" auf der Leipziger Buchmesse, die von der "Südosteuropa Gesellschaft" organisiert wurde.

Professor Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg beim Podiumsdiskussion "Endstation Kroatien? Südosteuropa und die Perspektiven der EU-Erweiterung" auf der Leipziger Buchmesse, 14.3.2013 (Foto: Nemanja Rujević/dw)
Heinz-Jürgen Axt, Südosteuropa-ExperteBild: DW/N Rujevic

Dennoch müsse die EU - der Krise zum Trotz - allen Staaten des westlichen Balkans eindeutig sagen, dass "das Tor weiterhin offen bleibt", so Axt. "Diese Staaten müssen sich durch den Beitrittsprozess an die Gegebenheiten der EU anpassen, die EU muss sich gleichzeitig an die Befindlichkeiten dieser Länder anpassen. Das werden keine dynamischen Zeiten sein, aber wir sollten den Ländern auf dem Balkan die Hoffnung nicht nehmen."

Der EU-Beitritt Kroatiens - Motor oder Hürde?

Nach seinem EU-Beitritt im Juli bekommt Kroatien die Möglichkeit, die Verantwortung für die Nachbarländer zu übernehmen, um innerhalb der EU für sie zu werben und als Mittler zu agieren. Doch der kroatische Philosoph und Kolumnist Srecko Horvat ist skeptisch, ob die Regierung in Zagreb, diese Rolle einnimmt. "Es genügt, Slowenien anzuschauen, um zu sehen, was in Kroatien passieren könnte", meint er. Vor 20 Jahren seien die Menschen in Slowenien und Bosnien Bürger eines Staates gewesen - der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Heute würden die Bürger Bosniens und Herzegowinas als Arbeitskräfte zweiter Klasse in Slowenien behandelt. "Etwas Ähnliches wird mit den Bürgern aus Bosnien oder Serbien in Kroatien geschehen", glaubt Horvat.

Der EU-Beitritt Kroatiens werde auch einige - vor allem wirtschaftliche - Probleme mit sich bringen, glaubt zudem der kroatische Philosoph Horvat: Die Anzahl der Asylsuchenden werde sich vergrößern, die Jugendarbeitslosigkeit, die in einigen alten EU-Mitgliedsstaaten wie Spanien und Griechenland extrem hoch ist, könne auch in Kroatien zunehmen.

Kolumnist Srecko Horvat beim Podiumsdiskussion "Endstation Kroatien? Südosteuropa und die Perspektiven der EU-Erweiterung" auf der Leipziger Buchmesse, 14.3.2013 (Foto: Nemanja Rujević/dw)
Srecko Horvat, Kolumnist und PhilosophBild: DW/N Rujevic

"Die EU ist nicht schuld an der Arbeitslosigkeit in Spanien oder Kroatien", kontert der Südosteuropa-Experte Axt. "Dass wir Arbeitslosigkeit haben, hat damit zu tun, dass wir in sämtlichen Ländern der EU nicht vernünftig gewirtschaftet haben, nicht wettbewerbfähig sind oder die Finanzmärkte nicht kontrolliert haben." 

Reformmüdigkeit und Anti-EU-Stimmung

Politiker in Berlin und in anderen europäischen Hauptstädten argumentierten gerne damit, aus den Fehlern gelernt zu haben, die beim EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens gemacht wurden, - und damit, dass weitere voreilige Beitritte kontraproduktiv seien, so Dragoslav Dedović, Leiter des serbischen Programms der DW. "Diese Erklärungsmuster sind allerdings Futter für die Anti-Europäer in den Ländern des westlichen Balkans." Hinzu komme die "pubertäre Sucht der Völker" auf dem westlichen Balkan, zu Europa zu gehören. "Diese ist auf Dauer als Antriebskraft aber nicht gesund."

Die Begeisterung für die Aufnahme in die EU habe nachgelassen, glaubt Dedović vor allem, weil man oft den Eindruck habe, dass beim EU-Erweiterungsprozess doppelte Kriterien angewandt würden. Als Beispiel nennt er den EU-Beitritt Zyperns: Damals sei es in die EU aufgenommen worden, obwohl die Frage mit den zwei "parallelen" Staaten nicht gelöst worden sei. "Jetzt wird von Serbien verlangt, seine Grenze zum Kosovo zu regulieren - und zwar noch vor dem EU-Beitritt."

Dragoslav dedovic, Leiter des Serbischen Programms der DW, beim Podiumsdiskussion "Endstation Kroatien? Südosteuropa und die Perspektiven der EU-Erweiterung" auf der Leipziger Buchmesse, 14.3.2013 (Foto: Nemanja Rujević/dw)
Dragoslav Dedović, Leiter des Serbischen Programms der DWBild: DW/N Rujevic

Professor Heinz-Jürgen Axt glaubt, dass es nicht nur um die Frage geht, ob die EU neue Staaten aufnehmen will, sondern darum, ob die EU-Anwärter aus dem westlichen Balkan alle Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt haben. "Viele Regierungen haben nicht tatsächlich den Wunsch, die notwendigen Reformen voranzutreiben", so Axt. "Die Staaten müssen aber ihre Reformmüdigkeit überwinden."

Vor dem europäischen Tor stehen derzeit die Beitrittskandidaten Serbien und Mazedonien, die noch immer nicht mit den Verhandlungsprozessen begonnen haben. Die Verhandlungen zwischen der EU und Montenegro sind ins Stocken geraten; Albanien, Bosnien und Kosovo sind nicht einmal offizielle Kandidaten.