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Elsässer-Protest gegen Gebietsreform

14. Dezember 2014

"Elsass den Elsässern": Die französische Regierung will im Zuge einer Gebietsreform das Elsass mit anderen Regionen zusammenlegen. Dagegen regt sich in der Provinz an der Grenze zu Deutschland heftiger Widerstand.

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Proteste in Straßburg gegen Gebietsreform (Foto: AFP)
Bild: picture-alliance/AFP/P. Hertzog

Viele Demonstranten in Straßburg, der Hauptstadt der Verwaltungsregion Elsass, trugen weiß-rote Elsass-Fahnen, auch Frauen in traditioneller elsässischer Tracht mit der schwarzen Schleife auf dem Kopf nahmen an der Protestkundgebung teil. Auf Plakaten war "Elsass den Elsässern" und "Freiheit für das Elsass" zu lesen. Die Organisatoren gaben die Zahl der Demonstration mit bis zu 2000 an, die Polizei nannte keine Zahl.

Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Initiative "Die vereinigten Elsässer" über soziale Netzwerke. Viele Elsässer befürchten einen Verlust ihrer Identität und zusätzliche Steuerbelastungen durch eine Mitfinanzierung schwächerer Regionen. Der Protest richtet sich gegen die Gebietsreform, die unter anderem vorsieht, dass die ostfranzösische Region mit Lothringen und der Region Champagne-Ardenne eine Einheit bilden soll.

11 Regionen statt 22

Präsident François Hollande strebt derzeit an, die politische Landkarte Frankreichs neu zu gestalten. Ab Januar 2016 sollen die 22 Regionen des Landes auf 13 verringert werden. Die sozialistische Regierung verspricht sich davon eine schlankere Verwaltung und langfristig Einsparungen in Milliardenhöhe.

Doch vor allem im Osten Frankreichs stößt die Zwangsfusion auf Ablehnung. Regionalpolitiker aller Couleur wehren sich gegen die Bildung einer neuen Gebietskörperschaft mit rund 5,5 Millionen Einwohnern. Seit Oktober haben tausende Elsässer in Straßburg, Colmar und Mülhausen mit Slogans gegen die Pariser Pläne mobil gemacht.

Eine vom konservativen Mülhausener Bürgermeister Jean Rottner lancierte Petition wurde von mehr als 60.000 Bürgern unterschrieben. Auf öffentlichen Plätzen sind immer mehr elsässische Fahnen und Plakate mit zweisprachigen Slogans wie "Freies Elsass - Alsace libre" zu sehen. Im Internet-Netzwerk Facebook ist die Bewegung "Non à la fusion" ("Nein zur Fusion") aktiv.

Entscheidender Tag: 17. Dezember

Doch die Proteste nützten bisher nichts: Am 9. Dezember billigte die Nationalversammlung in Paris den Gesetzentwurf zur Reform, für den 17. Dezember ist die Schlussabstimmung geplant. Das Elsass sei eine Region mit starker "kultureller und sprachlicher Identität", betont Andrée Munchenbach, Vorsitzende der kleinen Partei "Unser Land", die sich für den Erhalt des Elsässerdeutsch und des noch aus der deutschen Kaiserzeit stammenden Lokalrechts einsetzt. Diese "Besonderheiten" würden in einer Großregion untergehen. Durch seine Lage an der Grenze des früheren Deutschen Reiches zu Frankreich wechselte das Elsass seit dem 17. Jahrhundert mehrfach seine politische Zugehörigkeit zwischen Frankreich und deutschen Staatsverbänden.

Die Zwangsfusion habe ein altes Gefühl wiedererweckt: "Man liebt uns nicht, keiner versteht uns", sagt der Straßburger Bürgermeister Roland Ries. Der Sozialist plädiert dafür, es bei einer Zweierhochzeit zwischen dem Elsass und Lothringen zu belassen - doch damit stieß er bei seinen Parteifreunden in Paris auf taube Ohren. Es geht aber nicht nur um kulturelle Identität, sondern auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Das Elsass ist eine der wohlhabendsten Regionen Frankreichs, was für das durch den Niedergang der Schwerindustrie gebeutelte Lothringen und die vorwiegend ländliche Champagne nicht gilt. Die Arbeitslosenquote ist im Elsass mit 9,5 Prozent um gut einen Prozentpunkt niedriger als bei den künftigen Fusionspartnern.

Skepsis jenseits des Rheins

Für einen Zusammenschluss müsse es "ein Minimum an wirtschaftlicher Logik" geben, betonten die elsässischen Wirtschaftskammern in einer gemeinsamen Stellungnahme. Dies sei nicht der Fall. Die Region Champagne-Ardenne blicke vor allem nach Paris, das Elsass aber nach Deutschland.

Auch auf der deutschen Seite der Grenze werden die Reformpläne skeptisch gesehen. Die Gewichte etwa beim grenzüberschreitenden Nahverkehr könnten sich verschieben, sagte eine Sprecherin der Straßburger Nachbarstadt Kehl am Rhein. Und sollte die regionale Schulbehörde von Straßburg in eine andere Stadt der Großregion verlegt werden, stelle sich die Frage nach der Zukunft des zweisprachigen Unterrichts im Elsass und der deutsch-französischen Ausbildungsprogramme.

kle/qu (dpa, afp)