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Einwanderer in Führungspositionen

1. Dezember 2011

Eingewanderte Fachkräfte haben es besonders schwer, in Deutschland Karriere zu machen. Doch dank der Globalisierung verbessern sich ihre Perspektiven, glauben Experten.

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Eine chinesische Mitarbeiterin des Chemiekonzerns Bayer
Eine chinesische Mitarbeiterin des Chemiekonzerns BayerBild: picture alliance/dpa
Ausländische Studenten an der Uni Köln (Archivbild: dpa)
Ausländische Studenten an der Uni KölnBild: picture-alliance/dpa

Als Zhengrong Liu vor zwanzig Jahren nach Deutschland kam, musste er sich, wie so viele Studenten aus dem Ausland, mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Er kellnerte im China-Restaurant, trug Zeitungen aus und arbeitete in Druckereien und Fabriken. "Zu sagen, dass ich damals einen Plan hatte, wäre fast schon übertrieben", sagt er heute. Seine beruflichen Aussichten in Deutschland waren, realistisch betrachtet, düster: Die Studienfächer Pädagogik, Politikwissenschaft und Anglistik qualifizierten Liu nicht eben für eine Karriere in der Wirtschaft – und eingewanderte Akademiker haben es ohnehin besonders schwer.

"Beweisen, dass ich das kann"

Nur ein Drittel von ihnen findet einen Job, der ihrer Qualifikation entspricht, erklärt Ingrid Jungwirth, Migrationsforscherin an der Berliner Humboldt-Universität. Bei Deutschen ist die Quote doppelt so hoch. Das gelte auch für Leitungs- und Führungspositionen: Während knapp 17 Prozent der deutschen Hochschulabsolventen als Manager und Mangerinnen arbeiten, schaffen dies nur 8 Prozent der eingewanderten Akademiker.

Zhengrong Liu vor dem Lanxess-Logo (Foto: Lanxess)
Zhengrong Liu, Personalchef von LanxessBild: Lanxess

Es wäre also nicht weiter ungewöhnlich, wenn Zhengrong Liu noch immer in der Fabrik stünde. Doch es sollte anders kommen: Liu ist heute Personalchef des Leverkusener Chemiekonzerns Lanxess und damit für rund 15.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich. Als er den Posten vor sieben Jahren antrat, gab es Vorbehalte – wegen seiner Herkunft, aber auch, weil er damals mit 35 Jahren vergleichsweise jung war. "Viele haben sich natürlich gefragt: Wird er uns überhaupt verstehen? Kann der das?", sagt Liu. "Ich musste durch die Arbeit, durch mein Auftreten versuchen zu beweisen, dass ich das kann - was mir mehr oder weniger auch gelungen ist."

Keine Karriere ohne Netzwerke

Bis dahin war es ein weiter Weg, bei dem auch der Zufall eine Rolle spielte. Als Student gab er Managern des Bayer-Konzerns Chinesisch-Unterricht - und wurde gefragt, ob er für Bayer in China arbeiten wolle. Dort sollte er ein Aus- und Fortbildungssystem aufbauen. In dieser Funktion traf er eine Reihe von Führungskräften, die seine Fähigkeiten erkannten und ihn förderten. "Sonst wäre es mit meiner Fächerkombination sehr viel schwieriger gewesen, in der Wirtschaft überhaupt Fuß zu fassen", glaubt Liu. Schließlich wurde ihm angeboten, die Personalabteilung der Bayer-Ausgründung Lanxess zu übernehmen.

Infografik Gleichstellung Einwanderern auf dem Arbeitsmarkt

Dass außergewöhnliche Fähigkeiten allein nicht ausreichen, gelte eben auch für Einwanderer, sagt die Soziologin Ingrid Jungwirth: "Ganz entscheidend sind, wie für alle hochqualifizierten Berufe, Netzwerke und Informationen." Sie rät Berufsanfängern deswegen, dies ganz systematisch aufzubauen, beispielsweise durch das Engagement in Berufsverbänden.

Internationalität als Vorzug

Hat man es allerdings erst einmal in die Führungsetage geschafft, kann eine ausländische Herkunft sogar ein Pluspunkt sein. "Die meisten Unternehmen agieren weltweit und suchen deshalb ganz bewusst Leute aus aller Herren Länder, um diese Internationalität in der Organisation abzubilden", sagt Sörge Drosten, Geschäftsführer der Personalberatung "Kienbaum Executive Consultants International". Für den Headhunter ist dies inzwischen Alltag: Rund ein Drittel der von Kienbaum vermittelten Führungskräfte stammt aus dem Ausland.

Sörge Drosten ist Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants International (Foto: Kienbaum)
Sörge Drosten ist Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants InternationalBild: Kienbaum

Auf diesem globalen Markt der Eliten spielt die Herkunft längst eine untergeordnete Rolle. Anders sieht es für jene aus, die nicht als international gefragte Spitzenkraft nach Deutschland kommen. "Wenn man einwandert, ohne einen Arbeitsvertrag in Aussicht zu haben, ist es wirklich schwierig", sagt die Migrationsforscherin Jungwirth. In diesem Fall müsse man versuchen, über Praktika, Teilzeitbeschäftigungen oder Weiterqualifizierungen einen Zugang zu dem angestrebten Feld zu bekommen.

Integration als Karrierevoraussetzung

Sörge Drosten hat jedoch eine ermutigende Botschaft für all jene, die nach Deutschland gehen möchten: In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren böten sich hervorragende Chancen. "Aufgrund der demographischen Lücke wird es sehr, sehr viele Möglichkeiten geben, hier auch schnell aufzusteigen", sagt der Headhunter. Wichtig sei, dass man versuche, sich zu integrieren, indem man Deutsch lerne und einen Freundeskreis aufbaue.

Dass Brillanz und Deutschkenntnisse allein nicht ausreichen, um in Deutschland Karriere zu machen, ist ein Punkt, den auch Zhengrong Liu immer wieder betont - man müsse sich auch für seine Umgebung interessieren: "Ohne eine solche Integration ist ein Aufstieg auch in einem internationalen Unternehmen nicht vorstellbar", sagt der Lanxess-Manager. Er hält deshalb auch seine Zeit als Kellner und Zeitungsbote für wertvoll: "Dadurch habe ich sehr unterschiedliche Facetten der deutschen Gesellschaft kennengelernt - und das aus erster Hand."

Autor: Dennis Stute

Redaktion: Hartmut Lüning