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Eine unheilige Allianz

Nastassja Steudel25. Oktober 2014

Normalerweise tief verfeindet, haben sich Hooligans diverser Fußballclubs zusammengeschlossen. Der gemeinsame Feind: Salafisten. Auch Rechtsextreme mischen hier mit. Experten warnen vor einem hohen Gewaltpotenzial.

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Polizeibeamte, verkleidet als gewaltbereite Fußball-Hooligans, gehen am 25.07.2013 bei einer Übung bei der Bereitschaftspolizei in Mainz (Rheinland-Pfalz) gegen die eigenen Kollegen vor. Foto:Roland Holschneider/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/R. Holschneider

An einem Sonntag vor ein paar Wochen trafen sich unter strahlend blauem Himmel 300 vorwiegend schwarzgekleidete Frauen und Männer in der Dortmunder Innenstadt. Die Spätsommersonne spiegelte sich auf den kahl geschorenen Köpfen einiger Herren. "Hooligans gegen Salafisten", kurz HoGeSa, nennt sich die Gruppierung, die über soziale Netzwerke zusammengefunden hat. Ein "Kennenlernen" sollte das Treffen in Dortmund sein, bei dem man sich "untereinander austauschen" könne. So erfährt man es aus dem Video, das die Gruppe ins Internet gestellt hat. "Wir sind Deutschland", brüllt ein Redner, den sie Kalle nennen, ins Megafon. Noch bevor er den nächsten Satz sagen kann, wird er von Klatschen und zustimmenden Pfiffen unterbrochen. Damit niemand auf die Idee kommt, er und seine Truppe könnten womöglich unlautere Motive haben, schiebt er schnell nach: "Wir sind nicht rechtsradikal."

Auf diversen Fotos im Internet sieht man dicke Muskeln und viele Tätowierungen. Einige Motive dürften dem Verfassungsschutz bestens bekannt sein, weil sie auf einen rechtsextremen Hintergrund deuten. Bemerkenswert ist aber vor allem, die sonst verfeindeten Anhänger diverser Hooligan-Gruppen so friedlich vereint zu sehen. Maßgeblich mitgewirkt haben an diesem Zusammenschluss soll Siegfried Borchardt, auch "SS-Siggi" genannt. Auch er trat bei dem Treffen in Dortmund in Erscheinung. Der 60-Jährige gründete in den 1980er Jahren den Fußball-Fanclub Borussenfront, der vor allem durch gewalttätige Aktionen und seine Nähe zum rechtsextremen Milieu auffiel. Anfang 2012 soll Borchardt seine alten Freunde, Mitglieder verschiedener Hooligan-Gruppen, zu einer Feier zusammengerufen haben, um die aktuelle Entwicklung in der Fußball-Fan-Szene zu diskutieren. Vor allem die Tatsache, dass es unter den sogenannten Ultras, wie man den harten Kern der Fußball-Fans nennt, auch immer mehr Linke gibt, die sich gegen rechte Tendenzen zur Wehr setzen, stößt den Herren offenbar übel auf.

Hooliganexperte und Professor für Soziologie Dr. Gunter A. Pilz. Foto:DFB
Pilz: "Eindeutig dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen"Bild: picture alliance / dpa

Alt-Hooligans, Neonazis und Ultras gegen Salafisten

"Man hat dann beschlossen, dem Treiben ein Ende zu setzen, um die alten Werte im Stadion wieder aufleben zu lassen", sagt Gunter A. Pilz, Fanforscher an der Universität Hannover. Mit "alten Werten" seien in diesem Fall Männlichkeit, Härte und Durchsetzungsvermögen gemeint. 17 Hooligan-Gruppen sollen sich daraufhin zusammengeschlossen haben. Sie bildeten nun zusammen mit organisierten Neonazis und gewaltaffinen Ultras eine etwa 300 Mann starke Truppe, so der Forscher. Wer die "Hooligans gegen Salafisten" anführt, bleibt dagegen unklar. Beim Dortmunder Treffen trat auch Ratsherr Dominik Roeseler von der rechtsradikalen Partei Pro NRW als Sprecher der Gruppe auf. Für eine für den kommenden Sonntag geplante Demonstration wurde er allerdings wieder abgesetzt. Die politische Ausrichtung der neuen Gruppierung wird trotzdem deutlich: Unlängst widmete die in der Fußball-Hooligan Szene bekannte und rechtsextreme Band "Kategorie C" der "Hooligans gegen Salafisten"-Truppe ein Lied.

Schaut man sich die Seite der Gruppe bei Facebook an und verfolgt ihre Tweets, so bleibt kein Zweifel an der Geisteshaltung ihrer Anhänger. "Diese Bewegung darf nie wieder einschlafen, bis wir endlich wieder Herr im eigenen Land sind", ist in einem Tweet zu lesen. "Endlich steht Deutschland auf", schreibt eine andere Userin. Auf einer Deutschlandfahne prangt die Aufschrift "Wir wollen keinen Gottesstaat".

Ein clevere Masche, die man am besten als Rattenfänger-Taktik beschreiben könne, meint Rainer Wendt, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft. "Es geht sowohl der rechtsextremen Szene, als auch diesen Hooligan-Gruppen darum, ein vermeintliches politisches Motiv zu nutzen, nämlich das gewalttätiger Salafisten", sagt Wendt im DW-Interview. Am Ende gehe es den Initiatoren der HoGeSa vor allem aber darum, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren und neue Anhänger hinzuzugewinnen. Die von ihnen immer wieder ins Feld geführte Unterstellung, dass beim Kampf gegen Islamisten der Rechtsstaat versage, bezeichnet Wendt als "Quatsch"."Was diesen Leuten nicht passt, ist, dass wir mit rechtsstaatlichen Mitteln und nicht mit der Brechstange vorgehen." Der Staat müsse sich eben an gewisse Spielregeln halten. Darin liege auch die Stärke der Bundesrepublik.

Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Foto:DW
Wendt: "Es verbrüdert sich viel Dummes im Geiste"Bild: DW

Null Toleranz bei der Polizei

Für Sonntag wurde eine Großdemonstration der HoGeSa in Köln angemeldet. Mehr als 5000 Menschen haben bei Facebook bereits ihre Teilnahme zugesagt. Aus ganz Europa sollen sie angeblich kommen. Online werden Fahrgemeinschaften gebildet. Angesichts des Gefahrenpotenzials, das von vielen der zu erwartenden Gruppen ausgeht, ist die Polizei alarmiert. Zusammen mit Verfassungsschutz, Beamten, die innerhalb der Fan-Szene unterwegs sind, erstellt man derzeit ein Lagebild.

"Der Rechtsstaat wird in ganzer Stärke, aber auch mit der gebotenen Zurückhaltung auftreten", so Rainer Wendt von der Polizeigewerkschaft. Man will auf keinen Fall dulden, dass rechtsradikale Parolen gebrüllt werden oder gar Gewalttätigkeiten entstehen. Die Schwelle, ab der die Beamten einschreiten, werde sehr niedrig sein, schickt Wendt beinahe warnend voraus. Wie viele Polizisten genau im Einsatz sein werden, sagt er nicht. Er verrät nur, dass erhebliche Kräfte mobilisiert würden: "Die werden sie aber nicht alle zu sehen bekommen."

Vor dem Leipziger Fan-Block hängt ein Banner mit der Aufschrift «Lok-Fans gegen Links» während der Regionalligapartie Lok Leipzig gegen Borussia Dortmund II im Zentralstadion in Leipzig. Foto: Thomas Eisenhuth/dpa
Manche Fans wollen die zivil-couragierten, linken Ultras nicht im Stadion sehenBild: picture-alliance/dpa