Eine Stichwahl, zwei Kandidaten, viele Vorschläge
Gegenseitige Vorwürfe beherrschten den Wahlkampf um Brasiliens Präsidentschaft. Inhalte kamen dabei oft zu kurz. Wir haben sie dennoch gefunden und stellen die wichtigsten Vorschläge der Stichwahl-Kandidaten gegenüber.
"Da redet der Schmutzige über den Dreckigen."
Kaum eine Wahlkampfdebatte verging, ohne dass sich die Kandidaten mit Korruptionsvorwürfen überschüttet hätten. Die ausgeschiedene Präsidentschaftskandidatin Luciana Genro drückte es mit einem bekannten brasilianischen Sprichwort aus: "Da redet der Schmutzige über den Dreckigen."
Mehr Mitbestimmung, bitte!
Brasilien ist eine Demokratie, daran besteht kein Zweifel. Dennoch sind 2013 Millionen von Brasilianern auf die Straße gegangen. Unter anderem forderten sie mehr politische Teilhabe.
Wer arm ist, bleibt dumm
Das öffentliche Bildungssystem verdient seinen Namen bisher kaum. Die Analphabetenquote ist zuletzt sogar wieder gestiegen. Vor allem sozial schwache Kinder haben kaum Chancen auf ein Hochschulstudium, denn die Möglichkeit dazu bekommen nur Absolventen von Privatschulen.
Neue Ärzte braucht das Land
Europäische Medizinstandards stehen in Brasilien nur Privatzahlern offen. Das ist der weitaus kleinere Teil der Brasilianer. Dennoch geben diese mehr Geld für Gesundheit aus als der brasilianische Staat. Vor allem auf dem Land mangelt es massiv an ärztlicher Grundversorgung.
25 Morde auf 100.000 Einwohner
Die hohe Kriminalitätsrate bleibt ein großes Problem in Brasilien. 50.000 Menschen wurden 2012 ermordet. Durchschnittlich wird jedes Jahr einer von 200 Brasilianern ausgeraubt. In den Gefängnissen herrscht Chaos - und die organisierte Kriminalität.
Wer hat's erfunden?
Sozialprogramme wie Familiengeld und Sozialwohnungsbau haben Millionen Brasilianer zu fleißigen Konsumenten gemacht. Über ihre Erfolge herrscht so große Einigkeit, dass beide Kandidaten die Urheberschaft für ihre Partei reklamieren. Fakt ist: Breite Wirkung entfalteten sie erst unter Rousseffs Vorgänger und Parteifreund Lula da Silva (2003-2010).
Wachstums-Impulse dringend gesucht
Sozialprogramme wollen aber auch finanziert sein. Doch das brasilianische Bruttoinlandsprodukt schrumpft, die Preise steigen mit rund 6,5 Prozent im Jahr und das jährliche Haushaltsdefizit steigt immer schneller, 2014 wahrscheinlich auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Achtung, kompliziert
"In Brasilien braucht ein Unternehmen 200 Angestellte für die Verwaltung von Steuern und die Bürokratie, in den USA eine." So erklärte der Chef des Automobilherstellers Fiat Cledorvino Belini das Problem des brasilianischen Steuer-Dschungels einst. Das Steuersystem ist so kompliziert, dass es schon viele ausländische Unternehmen von Direktinvestitionen abgehalten hat.
Umweltschutz - kein Thema
Brasilien gehört zu den wasser- und waldreichsten Ländern der Erde. Immer mehr Wald muss Ackerland weichen. Und selbst die Trinkwasserversorgung stellt ein wachsendes Problem dar. Dennoch: Abgesehen von der akuten Wasserkrise in São Paulo haben Umweltschutz und Ressourcenschonung im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Und auch da ging es eher um die Schuld als um die Lösung.
Brasilien im Erdölfieber
Fast 80 Prozent des in Brasilien verbrauchten Stroms und rund 20 Prozent des Treibstoff stammen aus erneuerbaren Energiequellen. Das ist Weltspitze. Doch der Anteil sinkt, weil der Bedarf steigt. Zudem hat man vor Brasiliens Küste ein riesiges Ölfeld gefunden.