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Ruine mit Geschichte

Silke Bartlick8. September 2013

Auf dem Berliner Teufelsberg steht ein denkmalwürdiges Relikt aus der Nachkriegszeit: die ehemalige Abhörstation der Alliierten. Längst gibt es Besucher-Touren über das früher streng gesicherte Areal.

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Ehemalige Abhöranlage auf dem Berliner Teufelsberg Ein der vier früheren Radartürme auf dem Teufelsberg. Auf diesem nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeschütteten Trümmerberg befand sich bis 1992 eine Abhöranlage der US-Armee und der britischen Luftwaffe. Silke Bartlick
Bild: DW/S. Bartlick

Das Bauschild trotzt den Gezeiten. Dabei wurde ihm bitter zugesetzt, mit Farbe und roher Gewalt. Hinter wildwucherndem Buschwerk verkündet es unverdrossen die Fertigstellung des "Resorts Teufelsberg" im Herbst 2002. "Wie man sieht", sagt Martin Schaffert, "ist daraus nichts geworden." "Merken Sie sich das", sagt der junge Historiker dann noch, "wir kommen später darauf zurück". Später, das meint im Zuge der zweistündigen Führung, auf die Schaffert an diesem schönen Sonnabendnachmittag an die 50 Personen mitnimmt. Männer und Frauen jeden Alters, Berliner und Berlinerinnen, aber auch Touristen aus Spanien, Italien und Nordamerika.

Kurioses Gelände

Vor einem provisorischen Kassentisch unter freiem Himmel hat sich die Gruppe versammelt. Während die letzten noch den Obolus für die anstehende Tour entrichten und mit ihrer Unterschrift versichern, dass sie auf eigene Gefahr unterwegs sein werden, lassen andere längst erstaunte Blicke schweifen. Über rostige Zäune, ein verwittertes Eisengatter, einen wild besprühten alten Wohnwagen hin zu sonderlichen Gebäuderesten am Hang des Hügels. Nahebei ein zweistöckiger Flachdachbau mit gähnend leeren schwarzen Fensterhöhlen, weiter oben, auf der Kuppe des Teufelsbergs, mehrere hohe Antennenkuppeln, deren zerstörte weiße Bespannung lustig im Wind flattert.

Ehemalige Abhörstation Teufelsberg: Eine der lädierten Kuppeln, unter denen früher die Antenne ihren Dienst taten. Silke Bartlick
Graffitis, Zerstörung und ein schöner BlickBild: DW/S. Bartlick

Martin Schaffert zieht die Gruppe mit sich, an Graffiti überzogenen Gebäuderesten vorbei, auf denen kauzige kleine Skulpturen thronen, und führt dabei anekdotenreich in die schier unglaubliche Geschichte dieses Areals ein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Gelände noch brettflach und als Teil des Grunewalds geschütztes Naherholungsgebiet für die Bewohner der rasant wachsenden Metropole Berlin. Das scherte die 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten indes nicht. Sie wollten Berlin zur "Welthauptstadt Germania" umbauen, deshalb sollten diverse wissenschaftliche Institute und die Klinik Charité aus dem Stadtzentrum in den nördlichen Grunewald umgesiedelt werden. 1937 wurde hier der Grundstein für eine Wehrtechnische Universität gelegt. Der Bau wurde 1940 allerdings eingestellt, er war kriegsunwichtig geworden und wurde nach 1945 gesprengt. Die verbliebenen Gebäudereste wurden ab 1950 mit Trümmerschutt aufgefüllt.

Vielschichtige Nutzung

Vor dem Zweiten Weltkrieg, erzählt Martin Schaffert, seien die Berliner Parks und Grünanlagen alle eben gewesen. Heute haben die meisten einen Hügel - alles Trümmerberge. Der mit 115 Metern größte Berg entstand im Grunewald über den Ruinen der Wehrtechnischen Universität. Bis 1972 wurden hier die Trümmer von etwa 15.000 kriegszerstörten Gebäuden abgeladen. Der so aufgeschüttete Teufelsberg wurde schließlich bepflanzt und vom Berliner Senat zu einem Wintersportparadies mit Skilift, Sprungschanze und Rodelbahn ausgebaut. Und dann entdeckten die Alliierten den neuen Berg: als einen idealen Standort, um die Luftkorridore Richtung Westdeutschland zu überwachen. Und um den Funk- und Telefonverkehr in der DDR abzuhören.

Ehemalige Abhöranlage auf dem Berliner Teufelsberg Bilder von Silke Bartlick
Ein Bild aus den 70er Jahren: Da war die Anlage noch in BetriebBild: Foto: anonym/S. Bartlick

Ein Teil des Teufelsbergs, wie der Trümmerberg nun hieß, wurde zum militärischen Sperrgebiet. Hinter Zäunen, Toren und Sicherheitsanlagen entstanden diverse, zumeist uneinsehbare Gebäude und im Laufe der Jahre insgesamt fünf mächtige Antennenkuppeln. Mehr als 1000 Menschen sollen hier gearbeitet haben, sagt Martin Schaffert, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Sie waren Teil des weltweiten Spionagenetzes Echelon. Genaueres über ihre Arbeit wird man erst nach 2022 erfahren, so lange unterliegen alle Unterlagen, die mit Schließung der Anlage 1992 nicht vernichtet wurden, der Geheimhaltungspflicht.

Unsicherer Grund

Martin Schaffert schleust die Besuchergruppe durch dunkle Korridore und unbeleuchtete Treppenhäuser. Mit der Taschenlampe zeigt er auf angetackerte Fotos, die die wechselvolle Geschichte des Areals illustrieren. Er weist auf einen stillgelegten Fahrstuhl hin, der sonderbarerweise auch abwärts, also in den Berg hinein, fuhr und auf riesige Papierschredder. Er erzählt von Parabolspiegeln und Spionen und immer mal wieder mahnt er zur Vorsicht – Löcher im Boden, fehlende Brüstungen, ungesicherte düstere Abgänge.

Das Bild zeigt Reste einer Musterwohnung, die Investoren Anfang der 90er Jahre auf dem Teufelsberg und in den vorhandenen Gebäuden errichten wollten. Silke Bartlick
Reste einer Musterwohnung, die Investoren Anfang der 90er Jahre auf dem Teufelsberg und in den vorhandenen Gebäuden errichten wolltenBild: DW/S. Bartlick

Jahrelang war das gesamte Ensemble ein beliebtes Ziel von Vandalen. Sie haben auch der Musterwohnung zugesetzt, die eine Investorengruppe Ende der 90er Jahre in einer der weiten hohen Etagen auf dem Berggipfel hatte errichten lassen. Als Vorgeschmack auf den seinerzeit geplanten Umbau des Areals in ein "Resort Teufelsberg", das mit Hotel, Tagungszentrum und hochwertigen Wohnungen was ganz Schickes werden sollte. Nur dass das längst nicht allen und vor allem nicht den Naturschützern gefiel. Das Land Berlin, das das Areal zuvor an die Investorengruppe verkauft hatte, erklärte es wieder zum Waldgebiet und zog die Baugenehmigung zurück.

Öffentliche Zwischennutzung

Seit 2012 wird das Gebiet nun von der Interessengemeinschaft Teufelsberg genutzt. Die Gruppe um einen jungen Pächter hat es für Graffiti-Künstler geöffnet, die sich flächendeckend verewigen. Unter Aufsicht dürfen hier Partys gefeiert und Filme gedreht werden. Und jedes Wochenende gibt es die historischen Führungen. Die Teilnehmer sind beeindruckt. Ein Ort, gelegen im Abseits und doch mitten im Stadtgebiet, aus der Zeit gefallen, bespielt von jungen Kreativen sowie mit einer einmaligen Aussicht. Die Interessengemeinschaft Teufelsberg will das Gelände nach und nach sichern. Und sie möchte nicht nur die Gebäude und deren Geschichte schützen, sondern auch die Natur, die sich seit dem Abzug der Alliierten auf dem Teufelsberg breit macht. Als friedlicher Nachnutzer sozusagen, der sich hier aus freien Stücken niedergelassen hat.