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Klimabildung

28. Dezember 2010

Umweltpädagogen erforschen, wie der Klimawandel vermittelt werden kann: Studienstipendien sind gut. Noch besser ist aber ein guter Schulunterricht. Den gibt es nur selten - ebenso wie andere didaktische Angebote.

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Jugendlicher in Klassenraum
Im Trend: Studiengänge mit Umweltbezug haben zugenommenBild: GTZ / Markus Kirchgessner

Der Klimawandel ist in aller Munde; es wird viel berichtet. Eine Menge ist also bekannt zur großen umweltpolitischen Frage des Jahrhunderts. Das ist der Eindruck, der sich aufdrängt - gerade jetzt nach dem Klimagipfel, der Mitte Dezember in Mexiko zu Ende ging.

Doch der Eindruck täuscht, wie eine Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission ergeben hat: Ein Viertel der Europäer sind Klimaskeptiker. Und rund die Hälfte gibt an, nicht gut über die Erderwärmung informiert zu sein. "Es gibt an der Oberfläche großes Wissen. Doch sobald es um einzelne Sachthemen geht, herrschen in der Bevölkerung große Lücken“, sagt Professor Udo Kuckartz, Pädagoge an der Universität Marburg. "Wir brauchen neue Modelle der Klimabildung, Ansätze, die aus Umweltwissen Umwelthandeln machen.“

Vom Wissen zum Handeln

Damit stellt einer der bekanntesten deutschen Umweltbewusstseinsforscher die zentrale Frage: Wie kann der Klimawandel didaktisch so vermittelt werden, dass klimafreundliches Verhalten entsteht? Dieses Thema beschäftigt derzeit viele Pädagogen und Psychologen weltweit, denn der Klimawandel zählt zu ihren neuen großen Forschungsthemen. Die Forschungen beginnen mit einem ersten Schritt: Herausfinden, welche Modelle der Klimadidaktik bereits im Einsatz sind, und welche sich davon bewährt haben - in der schulischen Bildung, an Hochschulen und in der Weiterbildung.

Kinder beim Pflanzen (Foto: Design Bangladesh / 350.org Bangladesh team)
Klimabildung vor Ort: Kinder und Jugendliche pflanzen Bäume. Die befestigen die Ufer - und kompensieren CO2.Bild: Design Bangladesh / 350.org Bangladesh team

Gerhard de Haan, Pädagogik-Professor an der FU Berlin, beginnt bei seinen Überlegungen am Ende: bei der Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung. "In diesem Segment gibt es die meisten Angebote." De Haan hebt die Wirkung von Stipendien-Programmen hervor, wie sie aktuell etwa die Humboldt-Stiftung an Forscher aus Entwicklungs- und Schwellenländern vergibt, die für ein Jahr an deutschen Hochschulen in und Klima- und Energieprojekten arbeiten. "Solche Ansätze sind besonders wirksam, weil sie auf Multiplikatoren abzielen und auf der Wirtschaftsseite ansetzen. Stiftungen, Unternehmen und Regierungen sollten Stipendien-Angebote deutlich ausbauen“, sagt er. Es gibt solche Angebote immer wieder, oft von großen Konzernen. "Da ist viel geschehen", sagt Udo Kuckartz. Oder von staatlicher Seite wie etwa in Dänemark: Anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen warb die Regierung mit Klimastipendien für ausländische Studierende - in Studiengängen wie Windenergie-Technik, Umweltingenieurswesen oder Umweltchemie.

Viele neue Umweltstudiengänge

Das Beispiel bestätigt eine Beobachtung, die Kuckartz in der Bildungslandschaft ausgemacht hat: In den vergangenen zehn Jahren sind viele neue Umweltstudiengänge entstanden, die oft Klima- und Energiethemen behandeln. "Allerdings handelt es sich hierbei fast immer um naturwissenschaftliche Studiengänge oder Umwelt-Management-Programme. Angebote mit gesellschaftlichen Inhalten gibt es zu wenige." Studiengänge wie "Umwelt und Bildung" an der Universität Rostock oder "Zukunftsforschung" an der FU Berlin stellen Ausnahmen dar.

Defizite gibt es auch an den Schulen, wie Gerhard de Haan erklärt: Klimabildung spiele vor allem im Fach Geografie eine Rolle, "das aber zunehmend an den Rand gedrängt wird". In anderen Fächern wie etwa Biologie, Politik oder Gemeinschaftskunde ist der Klimawandel keineswegs ein Pflichtinhalt. Dies liegt einerseits am deutschen Föderalismus, in dem die 16 Bundesländer die Unterrichtsinhalte festlegen. Ein anderer Grund sind die Inhalte der Lehrerausbildung an den Universitäten: Auch hier bleibt es den Berichten der Fachleute zufolge dem Zufall überlassen, ob sich ein angehender Lehrer mit Klimathemen beschäftigt.

Holzspielzeug mit Tierbildern
Klimawandel und Artenschutz: Um solche Zusammenhänge zu erklären, müssen in der Schule die Grundlagen gelegt werden. Doch hier gibt es Defizite.Bild: CC/woodleywonderworks

Mancherorts gibt es regionale Initiativen, die Klimabildung an den Schulen fördern. In Kooperation mit der Bundesregierung bietet etwa ein Verbund von Stiftungen das Weiterbildungsprogramm "Mut zur Nachhaltigkeit" für Lehrer aus Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz. Diese Angebote, die oft von der Unesco gefördert werden, gibt es aber nur vereinzelt: "Sie erreichen maximal fünf Prozent der Schulen", sagt Kuckartz.

Journalistenausbildung: Vorbild USA

Auch in einem anderen Bereich gibt es Defizite, wie in der Medienbranche. Massenmedien sind der Hauptlieferant von Klima-Informationen. Die Aus- und Weiterbildung trägt dem aber nicht Rechnung: Kurse wie "Klimaberichterstattung" sind in den Lehrplänen an Universitäten und Journalistenschulen in Europa selten zu finden. Anders die Situation in den USA: Hier gibt es mehrere Umweltjournalismus-Studiengänge, die sich der Thematik annehmen, eine intensive Fachdebatte und die international agierende Society of Environmental Journalists (SEJ), die auch die Verbesserung der Klimaberichterstattung im Blick hat.

Doch der europäische Journalismus scheint sich zu bewegen: Klima und Nachhaltigkeit tauchen nun öfter als Lernstoff auf. Und große Veranstaltungen gaben der Thematik 2010 eine neue Bedeutung: Insbesondere das Global Media Forum der Deutschen Welle - die bisher größte europäische Weiterbildungsveranstaltung für Journalisten rund um den Klimawandel.

Autor: Torsten Schäfer
Redaktion: Ranty Islam