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Ein-Thema-Parteien chancenlos?

Christian Ignatzi21. April 2013

Kleine Parteien gibt es in Deutschland wie Sand am Meer. Oft haben sie nur ein Kernthema. Parteienforscher glauben aber nicht, dass sie jemals erfolgreich sein können. Nur ein Vollprogramm könnte sie retten.

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Bernd Lucke, Mitgründer der Partei AfD auf dem Gründungsparteitag(Photo credit should read JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Sie heißen Deutsche Autofahrerpartei, die Grauen - die sich für Senioren einsetzen -, ProDM oder Familienpartei. Diese Parteien wollen sich für spezielle Zielgruppen einsetzen, aber sie scheitern damit. Sie werden kaum gehört und kaum gewählt. "In Deutschland gilt: Wer politischen Erfolg haben will, muss breitere Ansätze finden", meint Demokratieforscher Stephan Klecha im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Im Ausland ist es dagegen nicht selten, dass Kleinparteien, die sich nur auf einen oder sehr wenige Aspekte beziehen, in Parlamente einziehen und dort die Interessen ihrer Wähler vertreten. In Israel zum Beispiel, meint Klecha, würden es solche Gruppen oft in die Knesset schaffen: "Israel ist ein Musterbeispiel." Auch im Mehrheitswahlrecht Großbritanniens gibt es kleine Parteien, die in bestimmten Regionen eine große Bedeutung haben. "Etwa die Sinn Fein in Nordirland, die regelmäßig gewählt wird, die Mandate aber nicht annimmt." Denn dazu müsste sie einen Treueeid auf die britische Königin schwören. Genau das lehnt die irisch-republikanische Partei aber ab.

Stephan Klecha ist Demokratieforscher an der Universität Göttingen (Foto: Klecha)
Demokratieforscher Stephan KlechaBild: Stephan Klecha

Das Problem in Deutschland ist die Fünf-Prozent-Hürde. Parteien, die ins Parlament einziehen wollen, benötigen mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen. "In Israel gab es lange Zeit eine Ein-Prozent-, dann eine Eineinhalb-Prozent- und jetzt eine Zwei-Prozent-Hürde", sagt Demokratieforscher Klecha. Das mache es kleinen Parteien immer noch leichter als in Deutschland.

Neue Partei will in den Bundestag einziehen

Eine neue Partei hat es sich jetzt allen Hürden zum Trotz zum Ziel gesetzt, schon kurz nach ihrer Gründung in den Bundestag einzuziehen: die Alternative für Deutschland (AfD). Erst vor wenigen Tagen hatte sie ihren ersten Parteitag. Ihr Hauptkritikpunkt ist der Euro - Deutschland solle etwa aus der Währungsunion austreten. In einer aktuellen Meinungsumfrage kam die AfD auf drei Prozent, die Fünf-Prozent-Hürde rückt damit in greifbare Nähe.

Hermann Binkert ist Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa (Foto: Binkert)
Hermann Binkert vom Meinungsforschungsinstitut InsaBild: Hermann Binkert

"Die AfD hat ein großes Potenzial, weil zwei Drittel der Deutschen die Euro-Rettungsschirme ablehnen", sagt Hermann Binkert, der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa. Allerdings stehen dem laut Klecha 70 Prozent der Deutschen entgegen, die den Euro grundsätzlich befürworten. Das könnte für die AfD zum Problem werden.

Langfristiger Erfolg schwierig

Der Demokratieforscher glaubt nicht daran, dass die AfD langfristig Erfolg haben wird, denn "bei der Alternative für Deutschland ist das Programm viel zu sehr auf die Ablehnung des Euro ausgerichtet."

Alexander Gauland sieht das anders. Der ehemalige Staatssekretär aus Hessen gehört zu den Gründern der AfD. "Es gibt bezüglich der Europolitik in der Bevölkerung unterschiedliche Meinungen", sagt er der Deutschen Welle. "Im deutschen Bundestag gibt es aber nur eine Meinung. Alle vertreten die Eurorettungspolitik, und die Alternative kommt in der Debatte gar nicht vor." Außerdem sei die AfD ohnehin keine Ein-Thema-Partei: "Mit dem Eurothema verbunden ist das Demokratiedefizit, das hier deutlich zum Tragen kommt. Wir haben aber auch zu anderen Punkten wie Energiepolitik und Integrationspolitik in unserem Wahlprogramm Aussagen."

Eine breite Themenbasis hilft

Nur wenn Parteien sich breit aufstellen, sagt Stephan Klecha, hätten sie in Deutschland eine Chance. Die Piratenpartei macht es vor. Nach dem Gründungsparteitag im September 2006 galt sie als klassische Ein-Thema-Partei, die sich vor allem mit Urheberrechten im Internet befasste. Mittlerweile hat sie ein Vollprogramm, mit dem sie es in vier Landtage geschafft hat. Durch die Wahl in ein Parlament könnten Ein-Thema-Parteien Aufmerksamkeit erzielen, sagt Klecha. Dass sie sich länger halten, sei trotzdem nicht realistisch.

Alexander Gauland ist Sprecher der AfD (Foto: dpa)
Alexander Gauland, Sprecher der Partei Alternative für DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

"Das ist nur ganz selten passiert." Etwa im Fall des "Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten", der es in den Fünfzigerjahren sogar in die Bundesregierung schaffte. Doch länger als eine Legislaturperiode hielt sich auch diese Partei nicht. Sie habe das gleiche Problem gehabt wie ihre Nachfolger: "Irgendwann sind die Themen durch", erklärt Klecha. Die AfD lässt sich davon nicht entmutigen: "Wenn wir es schaffen, dass wir im Bundestag eine Stimme sind, die gehört wird, dann sind wir hochzufrieden", sagt Parteimitglied Alexander Gauland.