Ein Land, zwei Gemütszustände
Hier wird protestiert, dort gefeiert. Hier zeigt man Zerrissenheit und Freiheitswillen, dort Einheit und Stärke. An Chinas Nationalfeiertag könnte der Kontrast zwischen Hongkong und dem Rest des Landes kaum größer sein.
Zwischen Patriotismus…
China zeigt Flagge. Denn in ihrem Kalender hat Chinas Führungsriege den 1. Oktober in dickem Rot angestrichen. Am 1. Oktober 1949 hat Mao Tsetung die Volksrepublik China ausgerufen. Seitdem begehen die Chinesen jedes Jahr an diesem Tag mit patriotischen Zeremonien ihren Nationalfeiertag, so wie bei diesem Fahnenappell in Hefei in der Provinz Anhui.
…und Protest
Doch während China feiert, bleibt die Situation in Hongkong gespannt. Dort gingen auch am Nationalfeiertag wieder Zehntausende Menschen auf die Straße. Sie fordern weiterhin die Rücknahme der umstrittenen Wahlrechtsreform und wehren sich gegen eine zu große Einflußnahme durch Peking.
Auf Linie…
Auch in Hongkong gab es offizielle Feierlichkeiten zum chinesischen Nationalfeiertag. Zu diesen hatte Leung Chun-ying, der umstrittene Regierungschef von Hongkong (Bildmitte), eingeladen. Von den Protesten unbeeindruckt stießen er und seine Gäste mit Champagner an, dann sangen sie gemeinsam die chinesische Nationalhymne. Das übliche Feuerwerk zum Nationaltag wurde hingegen vorsorglich abgesagt.
… und über Kreuz
Traditionell wurden auch in der asiatischen Hafenmetropole am Morgen die Flaggen Chinas und Hongkongs gehisst. Demonstrativ wandten Studentenführer Joshua Wong und andere Aktivisten der Zeremonie den Rücken zu. Die Demonstranten hielten schweigend die Hände über Kopf gekreuzt. Sie fordern unter anderem den Rücktritt Leung Chun-yings, in dem sie ein Symbol für Pekings zunehmenden Einfluß sehen.
Militärische Stärke…
In der Hauptstadt zelebriert die Kommunistische Partei derweil ihre Macht. Mit militärischem Pomp trägt eine Eliteeinheit der chinesischen Volksarmee die rote Staatsflagge auf den weiträumig abgesperrten Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Die Feierlichkeiten folgen einem streng festgelegten Ritual.
…und studentischer Durchhaltewillen
Schon in der Nacht zum 1. Oktober haben sich die Demonstranten erneut versammelt. Viele sind nach tagelangen Protestaktionen übermüdet und vom anhaltenden Regen durchnässt. Dennoch sind sie fest entschlossen, weiter zu protestieren, bis sie ihre zentralen Forderungen durchgesetzt haben.
In Reih und Glied…
Nicht nur in Peking, auch im Rest der Republik finden an diesem Tag zahlreiche Feierlichkeiten zum Jahrestag der Gründung statt. Hier salutiert eine paramilitärische Polizeieinheit vor der Staatsflagge in Nanjing. Nichts, so signalisiert die Führung in Peking, soll an diesem Tag die Ruhe und Ordnung in China stören.
…und im organisierten Chaos
Größer könnte der Kontrast kaum sein. Mit einer Sitzblockade legen Tausende von Demonstranten den Verkehr in dieser Hauptstraße im beliebten Hongkonger Shoppingviertel Mongkok lahm. Und es wird mit einem weiteren Zulauf an Demonstranten gerechnet, denn in Hongkong sind die beiden ersten Tage im Oktober traditionell arbeitsfrei.
Ausgelassener Jubel…
Im Rest von China bekommt man von den Hongkonger Protesten nicht viel mit. Nichts soll die Feierstimmung in der Volksrepublik stören. Die Zensurbehörden arbeiten derweil auf Hochtouren: In Chinas sozialen Medien werden massenhaft Kommentare gelöscht. Experten zufolge sollen die Zensoren dreimal so beschäftigt sein wie zum 25. Jahrestag des Tiananmen-Massakers am 4. Juni.
…und schweigende Ablehnung
Demgegenüber gilt in Hongkong Presse- und Meinungsfreiheit. Doch viele der Protestierenden sehen bei zunehmendem Einfluß durch Peking auch diese in Gefahr und haben sich symbolisch einen Mundschutz übergezogen, um zu zeigen, dass sie sich ihre Meinung nicht verbieten lassen.
Die Staatsmacht...
Auffällig zurückhaltend hat Xi Jinping (hier bei den Feierlichkeiten zum chinesischen Nationalfeiertag vor einem Jahr) bislang auf die Proteste in Hongkong reagiert. Chinas Staatpräsident steckt in einem Dilemma: Soll er hart durchgreifen oder Zugeständnisse machen? Allem Anschein nach hat er jetzt einen Sondergesandten nach Hongkong geschickt, um eine mögliche Lösung im Konflikt herauszuarbeiten.
...und die Studenten
Die Studenten zeigen sich hiervon unbeeindruckt. Sie haben der Hongkonger Regierung ein Ultimatum bis Donnerstag (2.10.2014) gestellt, um ihre Forderungen nach dem Rücktritt des Regierungschefs und einer Rücknahme der Wahlreform zu erfüllen. Ansonsten drohen sie mit einer weiteren Ausweitung ihrer Proteste, mit Streik oder der Besetzung eines Regierungsgebäudes.