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Ein Jahr Reisefreiheit: Zwiespältige Bilanz

Amir Valle14. Januar 2014

Seit einem Jahr dürfen Kubaner aus ihrer Heimat fast ohne Beschränkungen ausreisen - ein großer Schritt auf dem Weg zu mehr Menschenrechten. Dennoch gibt es nach wie vor Hürden für Auslandsreisen.

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Kuba Ausreise neue Bestimmungen
Bild: picture-alliance/dpa

Vier Jahrzehnte lang war die Freizügigkeit von Kubas Bürgern stark eingeschränkt: Sie brauchten eine Ausreisegenehmigung und ein Einladungsscheiben aus dem Ausland, um auf Reisen gehen zu können. Ausschlaggebend für die Ausreise war in der Regel, inwieweit sie mit der politischen Linie der Regierung übereinstimmten. Die Migrationsreform von Staatspräsident Raúl Castro, die am 14. Januar 2013 in Kraft getreten ist, hat einen Schlussstrich darunter gezogen. Dieses Gesetz sieht vor, dass jeder Kubaner mit gültigem Pass frei aus- und wieder einreisen kann, ohne langwieriges bürokratisches Verfahren.

Die Migrationsreform hat auch den Dialog zwischen Kuba und den USA wiederbelebt. Das war bitter nötig, denn der politische Konflikt zwischen den beiden ideologischen Widersachern hat fast vier Millionen Kubaner ins Exil getrieben, die Hälfte davon in die USA. Ein Grund war Washingtons "Politik der trockenen und nassen Füße". Die gewährt jedem Kubaner Asyl, der US-amerikanischen Boden betritt, verwehrt es allerdings jenen, die auf dem Meer festgenommen werden. Außerdem bewilligen die USA jedem Kubaner, der es schafft, ein Jahr im Land zu bleiben, ein Aufenthaltsrecht. Solange es diese Regelungen gibt, so die Regierung in Havanna, lassen sich illegale Auswanderung und Menschenschmuggel nicht verhindern.

Jetzt debattieren Havanna und Washington erneut über das Problem, das für die Karibikinsel das dringendste ist: Der wirtschaftliche und soziale Wandel, der zu langsam vonstatten geht, weshalb insbesondere die Jugend das Land verlassen will.

Kubanische Flüchtlinge versuchen, in die USA zu gelangen
Kubanische Flüchtlinge versuchen, in die USA zu gelangenBild: picture-alliance/dpa

Arme scheitern an Kosten

Die Zahlen der kubanischen Abteilung für Ein- und Auswanderung sprechen eine klare Sprache: Demnach traten im Jahr 2013 rund 185.000 Personen eine Reise an - etwa drei Mal so viel wie im Jahr davor. Der Großteil davon reiste in die USA, nach Spanien sowie in einige lateinamerikanische Länder wie Panama, Mexiko und Ecuador. Aber auch Frankreich, Italien und Deutschland waren beliebte Ziele. Laut offizieller Statistik war über die Hälfte der Reisenden am 30. November 2013 noch nicht zurückgekehrt. Sie gelten aber nicht - wie vor der Reform - als Auswanderer, da Raúl Castro die Aufenthaltsgenehmigung für Kubaner im Ausland von elf Monaten auf zwei Jahre verlängert hat, ohne dass sie ihren Wohnsitz verlieren. Und es gibt auch eine umgekehrte Tendenz: 3.300 Personen, die aus Kuba ausgewandert waren, haben einen Antrag gestellt, wieder im Land wohnen zu dürfen.

Trotz der neuen Regelungen gibt es weiterhin hohe Hürden für Reisewillige. Das Geld für Ausreiseformalitäten und Tickets sowie weitere Reisekosten sind nicht einfach aufzubringen für Bürger eines Landes, in dem der monatliche Mindestlohn um die 15 Euro beträgt. Dazu kommen die restriktiven Einreisebestimmungen der Länder, in denen Kubaner ein Visum benötigen. Nur 34 Länder - hauptsächlich arme Staaten in Afrika und Asien - gestehen Kubanern Visumsfreiheit zu.

Warten auf Visum
Warten auf das VisumBild: dapd

Jüngere profitieren am meisten

Die internationale Öffentlichkeit hat die kubanische Migrationsreform für ihre doppelte Auswirkung auf die Menschenrechte und die politischen Freiheiten gefeiert. Sie ist auch den Dissidenten zugute gekommen, die auf lange Welttourneen gehen und ihre Sicht auf aktuelle Probleme der kubanischen Gesellschaft darstellen konnten. Besonders prominent sind die Bloggerin Yoani Sánchez und die Anführerin der Menschenrechtsaktivistinnen "Damen in Weiß", Berta Soler, denen die Regierung in Havanna zuvor die Ausreise verboten hatte.

Der bekannte kubanische Schriftsteller Leonardo Padura schrieb in einer seiner Kolumnen: "Für die jüngeren Kubaner kann die Migrationsreform die Hoffnung bedeuten, in Kuba oder dort, wo es ihnen beliebt, das Leben zu gestalten, das sie sich mehr oder weniger aufzubauen vermögen. Für die Generation ihrer Eltern und Großeltern hingegen ist die Möglichkeit, von dieser verliehenen Freiheit zu kosten, viel geringer und schwieriger: Wohin gehen? Wovon leben? Wie soll man sich mit fünfundvierzig, fünfzig oder sechzig Jahren in einer Welt zurechtfinden, die in der Krise steckt?" Das sind Fragen, die ein Jahr nach Einführung der Reisefreiheit noch auf eine Antwort warten.