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Ein Frauenradio, das keines sein will

Sarah Mersch, Tunis2. April 2014

Frauen als Bürgerinnen ernst nehmen und am politischen Leben beteiligen: Das ist das Ziel einer Radiosendung, die das Goethe-Institut in Tunis ins Leben gerufen hat.

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Nidhal Chemengui und Amel Ben Ali von der Radiosendung "Qaltelhom Ouskotou" in Tunesien (Foto: DW/Mersch)
Starke Frauen für Tunesien: Nidhal Chemengui und Amel Ben AliBild: Sarah Mersch

"Man kann kein Land ohne Männer aufbauen, und genauso wenig kann man es ohne Frauen tun", antwortet Nidhal Chemengui lachend auf die Frage, warum denn neulich in der Frauensendung nur Männer zu Gast waren. "Es geht hier ja nicht um eine Kraftprobe, sondern um Themen, die die ganze Gesellschaft betreffen." Chemengui leitet das Projekt "9altelhom osktou", eine Radiosendung von und für Frauen, finanziert vom Goethe-Institut in Tunis. Der Titel der Sendung zitiert eine verbreitete tunesische Redewendung, bei der mit Erstaunen ausgedrückt wird, dass einer Aussage nichts mehr hinzuzufügen ist - wörtlich übersetzt heißt es jedoch "Sie hat ihnen gesagt, zu schweigen." Und so kommen in der Sendung vor allem Frauen zu Wort.

Die Themen reichen vom Erb- und Scheidungsrecht über wirtschaftliche Fragen bis hin zur Jugendbeteiligung. Heute hat Moderatorin Amel Ben Ali drei Frauen zu Gast, die an einer Vermittlung zwischen den politisch oft gespaltenen tunesischen Frauenorganisationen teilgenommen haben. Dass Islamistinnen und Säkulare jetzt zusammen an einem Tisch sitzen und sich austauschen, ist für alle Beteiligten ein großer Schritt. Amel Ben Ali ist froh, dass diese Frauen heute ganz entspannt in ihrem Studio sitzen. Besonders gut gefalle ihr an der Sendung, dass Frauen primär als Bürgerinnen wahrgenommen werden, "als aktive Frauen, als Politikerinnen, als Demokratinnen", so die Moderatorin.

Von der Revolution zurück an den Herd?

Entstanden ist das Radioprojekt, das auf zwei Jahre angelegt ist, nach dem Umsturz in Tunesien im Januar 2011. Damals waren auch viele Frauen auf der Straße, um ihrer Wut über Diktator Zine el Abidine Ben Ali und die schlechte wirtschaftliche Lage Luft zu machen.

Der Platz des 14. Januar 2011 in Tunis erinnert an die Revolution (Foto: DW)
Der Platz des 14. Januar 2011 in Tunis erinnert an die Revolution - an der auch Frauen beteiligt warenBild: DW

"Doch dann war die Revolution erst einmal vorbei und man kehrte zurück an seinen Kochtopf, und nur die gebildete, urbane Schicht kommt in den Genuss, die weitere Entwicklung aus der Nähe zu verfolgen und sich zu fragen: Ist das richtig, was hier passiert - und kann ich hier irgendetwas tun?" erklärt Christiane Bohrer, Leiterin des Büros des Goethe-Instituts in Tunis. Deshalb sei auch in Tunesien, wo Frauen zumindest auf dem Papier schon seit den 1950er Jahren gleichgestellt sind, ein Frauenradio keine Sache von gestern.

Zielgruppe seien dabei eben nicht nur die Frauen in der Stadt, sondern alle Tunesierinnen. "Wir sprechen die Sprache der Leute, keine gestelzte Hochsprache. Wir sprechen so, dass alle uns verstehen können", erklärt Projektmanagerin Chemengui.

Der Zivilgesellschaft das Wort geben

Die Nähe zum Publikum ist es auch, die für die junge Moderatorin Amel Ben Ali das Projekt so besonders macht. Die studierte Psychologin engagierte sich nach dem politischen Umbruch in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, bevor sie sich als Moderatorin der Sendung bewarb. Sie sieht sich als Mittlerin zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Bevölkerung. "Wir spüren, dass die Bevölkerung ein bisschen den Mut verliert, was die Politik angeht. Deshalb geben wir der Zivilgesellschaft das Wort, denn die kämpft für die Belange der Bevölkerung."

Ein Demonstrant mit einem Plakat fordert den Rücktritt von Ben Ali in Tunesien im Jahr 2011 (Foto: dpa)
2011 verjagten die Tunesier den Diktator Ben AliBild: picture-alliance/dpa

Nach Anlaufschwierigkeiten wird die einstündige Sendung "9altelhom osktou" seit Februar dreimal in der Woche von einem Bürgerradio in Tunis ausgestrahlt. Im Landesinneren wird sie kleinen Partnersendern kostenlos zur Verfügung gestellt. Finanziert wird das Projekt mit deutschem Geld, das Team besteht aber nur aus Tunesierinnen. Die sollen die Sendung im Idealfall auch nach Auslaufen des Projekts des Goethe-Instituts weiterhin betreiben.