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Hier stimmt die Chemie nicht

12. Dezember 2011

Pheromone spielen bei der sexuellen Selektion von Insekten eine große Rolle. Weibchen oder Männchen locken sich so an, zeigen Bereitschaft. Forscher haben aber auch ein Anti-Aphrodisiakum-Pheromon entdeckt.

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Zwei Junikäfer, oder auch Gerippte Brachkäfer genannt (Scarabaeidae) kopulieren (Foto: dpa)
Angelockt vom Duft - unmissverständliche KommunikationBild: picture-alliance/dpa

Wenn es um die Fortpflanzung, um den Arterhalt geht, kennen Insekten kein Pardon. Jedes Männchen buhlt um die Gunst eines Weibchens, will sein Erbgut weitergeben und duldet dabei keine Konkurrenz - so auch der Kurzflügelkäfer (Aleochara curtula). Dabei setzen beide Geschlechter so genannte Pheromone ein, spezielle Duftcocktails, die in diesem Fall aphrodisierend wirken, um dem jeweiligen Sexualpartner unmissverständlich zu signalisieren: Ich bin bereit und ein sehr guter Fang. Wahrgenommen werden die chemischen Signale über weite Distanzen und mithilfe der Fühler.

Kurzflügelkäfer (Foto: Daniel Ullrich, Threedots)
Bereit für die Paarung? - Kurzflügler kommunizieren per LockstoffBild: Daniel Ullrich, Threedots

Da monogame, dauerhafte Bindungen bei Insekten allerdings nicht vorkommen, muss das Männchen selbst nach erfolgreichem Umgarnen und Geschlechtsakt darum bangen, ob sein Erbgut auch tatsächlich die Eizellen befruchtet. Denn das Weibchen des Kurzflügelkäfers guckt sich auch weiterhin nach anderen potenziellen Partnern um, wird umworben und kann auch die Spermien mehrerer Käfer in ihrer Gebärmutter aufnehmen. Aus evolutionsbiologischer Sicht wollen die Männchen aber natürlich, dass nur ihr Erbgut an die Nachkommen weitergegeben wird. "Der Fortpflanzungserfolg ist quasi die Währung der Evolution", sagt der Evolutionsbiologie Klaus Peschke von der Universität Freiburg.

Weniger attraktiv

Aus diesem Grund haben die männlichen Exemplare eine Strategie gefunden, Konkurrenten aus dem Rennen zu schlagen - ebenfalls mithilfe ihrer Pheromone. Nach dem Geschlechtsakt sondert das Männchen ein Sekret in die Gebärmutter ab, darin sind ihre Spermien enthalten, ein Pfropf, der den Eingang in die Gebärmutter verschließt und ein Anti-Aphrodisiakum. Dieses läuft nach kurzer Zeit aus der Vagina über den gesamten Körper des Weibchens und überdeckt die Wirkung ihres Lock-Pheromons. Das Anti-Aphrodisiakum verändert ihr biochemisches Signal so, dass andere Männchen sie nicht mehr attraktiv finden und sie links liegen lassen. "Umgangssprachlich könnte man sagen, das Weibchen stinkt den anderen Männchen", so Peschke.

Kontakt der männlichen Parameren, bei dem das Antiaphrodisiakum auf der Oberfläche des Weibchen wahrgenommen wird (Foto: Uni Freiburg)
Das Männchen bemerkt das Anti-Aphrodisiakum auf dem WeibchenBild: Universität Freiburg

Was nach Unterdrückung im Insektenreich klingt, ist aber eine durchaus sinnvolle Taktik und bringt allen Beteiligten Vorteile: Das erste Männchen kann sein Erbgut sicher weitergeben und weitere Bewerber wissen sofort, dass sie ihre Energie auf andere, noch nicht befruchtete Weibchen aufwenden können. "Das ist eine einfache Kosten-Nutzen-Kalkulation in der Natur und bei der Fortpflanzung", sagt Peschke. Und das bereits befruchtete Weibchen wird nun über Stunden nicht mehr von den anderen Männchen belästigt und kann in Ruhe fressen und ausruhen.

Diese Taktik kann jedoch auch schnell nach hinten losgehen, erzählt die Biologin Monika Hilker von der Freien Universität Berlin. Auch der Kohlweißling, eine Schmetterlingsart, verwendet ein solches Anti-Aphrodisiakum, um das Weibchen zu markieren. Die Schlupfwespe als Parasit nutzt den Geruch dann aber, um die abgelegten Eier aufzuspüren und fremdzubegatten. Der Versuch, Nebenbuhler vom Weibchen fernzuhalten, geht so am Ende doch nicht auf. "Bis zu 50 Prozent des Nachwuchses können so zerstört werden", sagt Monika Hilker.

Verhaltenskontrolle für den Menschen?

Könnte es demnächst auch so ein Anti-Aphrodisiakum für den Menschen geben? Fremdgehen ausgeschlossen? Peschke wiegelt ab: Auf den Menschen ließen sich die Aphrodisiaka-Erkenntnisse aus dem Insektenreich nicht wirklich übertragen. Die menschliche Pheromonforschung stecke noch in den Kinderschuhen, weil der Mensch auch nur sehr begrenzt direkt mit chemischen Signalen kommuniziere.

Ein Mann mit Augenmaske spricht während des "Dating in the Dark" im "King Kong Klub" in Berlin mit seiner ersten Gesprächspartnerin (Foto: PA/dpa)
Statt sehen, den Partner lieber riechen und erschnüffeln?Bild: picture-alliance / dpa

"Außerdem nehmen wir Gerüche unbewusst wahr. Der menschliche Geruchssinn ist äußerst komplex und auch nur zum Teil erforscht. Die Wissenschaft kann demnach auch die Wirkung von Pheromonen gar nicht evaluieren", sagt Peschke. Ein Beispiel: Die männliche Achselhöhle produziert Androstenon, einen Duftstoff, der aus dem Testosteron stammt. Der Geruch ist wahrnehmbar, aber die Wirkung ist bei Frauen, anders als bei den Insekten, unterschiedlich, unbewusst und kann nicht quantifiziert werden. "Androstenon hat vielleicht aphrodisierende Wirkung, kann aber auch abstoßend wirken", so das unbefriedigende Fazit des Forschers.

Bis heute ist noch kein menschliches Pheromon isoliert worden, wie es die Wissenschaft bereits detailliert für das Reich der Insekten getan hat. Der Traum einiger Wissenschaftler vom Aphrodisiakum, welches das menschliche Verhalten steuert, bleibt vorerst ein Traum - und somit auch das Anti-Aphrodisiakum.

Autorin: Nicole Scherschun
Redaktion Judith Hartl