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Ein deutsches Dorf

16. November 2009

"Endstation der Sehnsüchte" erzählt von drei deutschen Rentnern und ihren koreanischen Frauen, die ihren Lebensabend in Südkorea verbringen. Sung-Hyung Chos Dokumentarfilm ist dabei anrührend und komisch zugleich.

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Ein deutsch-koreanisches Paar verbringt seinen Lebensabend in SüdkoreaBild: Zorrofilm

Ein weiß getünchtes Haus mit rotem Dach, üppigem Holzbalkon und einem gepflegten Garten vor dem Wohnzimmerfenster – so sieht die deutsche Idylle aus, an einen kleinen Hang gebaut. Doch weder Gartenzaun noch die verschließbare Gartentür können verhindern, dass immer wieder unverschämte Besucher zwischen den Blumen und Sträuchern herumtrampeln und sich im Garten von Woo-Za Kim und Ludwig Strauss-Kim gegenseitig fotografieren. Denn das Haus des deutsch-koreanischen Ehepaares im Süden Koreas hat es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Es steht in "Dogil Maeul", im sogenannten "deutschen Dorf". Und das ist zu einer Touristenattraktion geworden.

Nach 30 Jahren zurück in die Heimat

In Dogil Maeul kommen Deutschland und Korea zusammen
In Dogil Maeul kommen Deutschland und Korea zusammenBild: Zorrofilm

Die südkoreanische Filmemacherin Sung-Hyung Cho heftet sich in ihrem Dokumentarfilm "Endstation der Sehnsüchte" an die Fersen dreier Ehepaare, die in Dogil Maeul leben. Die drei koreanischen Frauen haben jeweils einen deutschen Mann. Sung-Hyung Cho erzählt so auch von einem kaum bekannten Phänomen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Denn wie rund zehntausend andere auch sind die drei Koreanerinnen in den sechziger Jahren nach Deutschland gegangen, um in Krankenhäusern zu arbeiteten. Während dieser Zeit lernten sie ihre deutschen Männer kennen und lebten mit ihnen die letzten Jahrzehnte über in Deutschland zusammen. Nun aber, im Rentenalter, haben sie in Deutschland ihre Zelte angebrochen und sind nach Korea gezogen. In Dogil Maeul wollen die Paare ihren Lebensabend verbringen.

Herzzerreißend komisch und respekteinflößend zugleich

Nur keine Scheu - Willi bei einer Probe mit der Tanzgruppe
Nur keine Scheu: Willi bei einer Probe mit der koreanischen TanzgruppeBild: Zorrofilm

Sung-Hyung Cho ist mit ihrem kleinen Film eine beeindruckende und anrührende Dokumentation über die Liebe und das Leben in der Ferne gelungen. Denn zu sehen, wie sich die Paare und allen voran die deutschen Männer in der Fremde neu einrichten, ist herzzerreißend komisch und respekteinflößend zugleich. Schließlich sind sie mit ihren über sechzig Jahren nicht mehr die Jüngsten und Koreanisch sprechen sie auch kaum. Mit Gleichmut und der Haltung, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen kriecht etwa Ludwig in einer koreanischen Sauna auf allen vieren durch kleine Öffnungen von einem heißen Raum zum nächsten, denn seine Frau liebt die Wärme in den Dampfbädern. Willi wiederum ist sich nicht zu schade, mit einem mit Knoblauchknollen verzierten Strohhut auf dem Kopf als einziger Mann in einer Frauengruppe traditionelle koreanische Tänze einzustudieren.

Ein Herz, zwei Heimaten

Woo-Za Kim und Ludiwg Strauss-Kim
Woo-Za Kim und Ludwig Strauss-Kim: Ein neues Leben in der neuen HeimatBild: Zorrofilm

Sung-Hyung Cho, die selbst seit fast 20 Jahren in Deutschland lebt, beschäftigt sich in ihrem Film mit dem Alltag der Ehepaare. Dabei geht sie auch der Frage nach, was mit den Vorstellungen von Identität und Heimat passiert, wenn Menschen ihr Land verlassen, um an einem anderen Ort zu leben. "Als sie in Deutschland gelebt haben, dachten sie, Deutschland sei ein fremdes Land für sie. Sie hatten immer Sehnsucht nach Korea", sagt die 43-Jährige über die drei koreanischen Frauen, mit denen sie einige Monate verbracht hat. "Aber als sie dann nach fast 40 Jahren zurückkehrten, merkten sie, dass auch Deutschland die ganze Zeit über eine Art Heimat war. Jetzt haben sie auch Heimweh nach Deutschland", sagt Sung-Hyung Cho. "Sie haben zwei Heimaten. Sie sind glücklich, aber eine Heimat fehlt immer".

"Ohne Sympathie kann ich keinen Film machen"

Sung-Hyung Cho hat 2008 mehrere Wochen mit ihren Protagonisten in Korea gedreht. "Ich habe großen Respekt, dass sie ausgewandert sind", sagt sie. Diese Achtung merkt man ihrem Film durchaus an. Denn die Gefahr war groß, dass sich der Film über seine Protagonisten und ihr neues Leben in Korea lustig macht, gerade weil sich die Männer - sprachlos wie sie sind - immer wieder unbeholfen der fremden Kultur ausliefern müssen. Sie selbst habe jedoch an keiner Stelle des Films die Sorge gehabt, dass sie sich über ihre Protagonisten belustigen könnte, sagt Sung-Hyung Cho. Denn: "Ohne Respekt und Zuneigung zu meinen Protagonisten kann ich gar keinen Film machen. Das würde ich auch nicht."

Klischees bestätigen, aber nicht reproduzieren

Das Ergebnis ist spannend anzuschauen. Denn Sung-Hyung konturiert einerseits präzise die Eigenheiten der jeweiligen Kultur, läuft aber nie Gefahr, gängige Klischees zu reproduzieren, auch wenn der Kern vieler Szenen genau diese Klischees bestätigt. In ihrer Dokumentation kann man deswegen herzlich lachen, ohne sich lustig zu machen. Das ist selten. Und deswegen toll.

Autorin: Silke Ballweg
Redaktion: Thomas Latschan