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Hilfe für Flüchtlinge aus Mali

Gwendolin Hilse12. Februar 2014

Etwa 150.000 Flüchtlinge aus Mali warten noch immer auf ihre Rückkehr. Den Vereinten Nationen sind die Hände gebunden. Ein Brite will nun helfen - und bringt Tuareg-Flüchtlinge auf eigene Faust zurück in die Heimat.

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Der Brite Lankester umringt von seinen Tuareg-Freunden im Flüchtlingslager Djibo in Burkina Faso (Foto: Guy Lankester)
Bild: Guy Lankester

"Eine alte Tuareg-Tradition besagt: Wenn dir jemand das Leben rettet, dann steht du dein ganzes Leben lang in seiner Schuld", sagt Guy Lankester. Dieses Sprichwort habe er sich eingeprägt und nie wieder vergessen. Der Brite mit simbabwischen Wurzeln arbeitet als Fotograf und Touristenführer in Afrika, doch seit ihm ein Mitglied der Tuareg in der Wüste das Leben rettete, engagiert er sich für die Nomaden im Norden Malis. Viele von ihnen mussten das Land verlassen, als vor zwei Jahren die Krise in Mali ausbrach und Islamisten im Norden ein Gewaltregime errichteten.

Auch Radwan musste fliehen. Er ist der Älteste eines Tuareg-Clans aus der Nähe der nordmalischen Stadt Timbuktu. Es heißt, er sei 100 Jahre alt - aber genau weiß das keiner. 600 Kilometer Richtung Süden retteten sich Radwan und sein Clan, ins Flüchtlingslager "Djibo" im Nachbarland Burkina Faso. "Mein größter Wunsch ist es, endlich nach Hause zu gehen", sagt er mit brüchiger Stimme. Das Reden strengt ihn an. Vieles hat der alte Mann in seinem Leben schon erlebt: In den 1950er Jahren kämpfte er gegen die französische Kolonialmacht, er überlebte jede Dürre und die vielen Rebellionen der Tuareg-Minderheit gegen die Zentralregierung in Bamako. Aber die Flucht aus Mali und das Leben im Exil waren für ihn die schlimmste Zeit.

Seit dem Wochenende (08.02.2014) ist Radwan wieder in seiner Heimat. Mit seinem 1960er Bedford-Truck hat Guy Lankester ihn nach Timbuktu gebracht. Dort harrt Radwan jetzt bei Verwandten aus, bis auch der Rest seines Clans aus Burkina Faso heimkehren darf. Dann wollen sie zurück in ihr Stammesgebiet. "Ich bin Guy für seine Hilfe sehr dankbar, er ist für mich mittlerweile wie ein Sohn", sagt der Clan-Älteste.

Sehnsucht nach Timbuktu

Das Heimweh habe seinen Onkel krank gemacht, sagt Radwans Neffe Mamayiti, der noch im Flüchtlingslager in Burkina Faso lebt. "Hier ist es schlimmer als in einem Gefängnis", sagt er. Für den Nomaden ist Freiheit ein elementarer Teil seines Lebens. "Ich fühle mich, als ob ich in einer Konservendose eingesperrt bin". Von den Vereinten Nationen kann er keine Hilfe erwarten, denn die warten noch immer darauf, dass die malische Regierung einer Rückkehr der insgesamt rund 150.000 Flüchtlinge zustimmt. Bamako aber will offenbar noch warten, bis mehr Stabilität im Norden herrscht.

Flüchtlinge aus Mali im Flüchtlingslager Djibo in Burkina Faso (Foto: Guy Lankester)
Krank vor Heimweh: Flüchtling RadwanBild: Guy Lankester

Auch die Hoffnungen von Mamayiti ruhen jetzt auf Guy Lankester und seinem Truck. "Karawane der Hoffnung" heißt das Projekt, mit der gebürtige Simbabwer anfangs rund 2000 Flüchtlinge zurück in die Heimat bringen wollte. Geplant war eine Zusammenarbeit mit den Veranstaltern des bekannten "Festival au Désert", einem Musikevent, das seit 2001 in Timbuktu stattfindet und auf den Traditionen der Tuareg aufbaut. Da viele der Tuareg seit der Mali-Krise Flüchtlinge sind, haben sie das Festival umgetauft in "Festival in Exile". Es findet jetzt an unterschiedlichen Orten statt - auch außerhalb Malis. Das Flüchtlingsprojekt sollte Teil des Festivals werden. Doch Guy winkte irgendwann ab: Es sei den Veranstaltern mehr um das Musikevent als um die Flüchtlinge gegangen, sagt er.

Eine außergewöhnliche Freundschaft

Jetzt stemmt er das Projekt "Karawane der Hoffnung" wieder allein, unterstützt durch Spenden seiner Facebook-Fans. Für Guy ist es eine Herzensangelegenheit. "Ich habe mich bei den Tuareg immer sehr wohl gefühlt", sagt er. "Sie geben mir das Gefühl, ein Teil ihrer Gruppe zu sein."

Guy Lankester mit seinem 1960er Bedford-Truck (Foto: Guy Lankester)
Guy Lankester mit seinem 1960er Bedford-TruckBild: Guy Lankester

Mit Radwans Neffen Mamayiti verbindet Lankester eine besondere Freundschaft. Denn der junge Nomade hat ihm bei einer seiner Touristen-Touren das Leben gerettet. Kriminelle wollten Guy in der algerischen Wüste entführen. "Vielleicht ist die Karawane deshalb jetzt meine Lebensaufgabe. Sie haben mich gerettet und nun habe ich die Möglichkeit, mich in einer anderen Weise erkenntlich zu zeigen."

Die Rettungsaktion für Radwan und seinen ältesten Sohn Ishmael musste in der Nacht stattfinden. Guy traf die beiden außerhalb des Flüchtlingslagers, denn der ausgediente Militär-Truck durfte nicht aufs Camp-Gelände. Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg nach Timbuktu. "Als die Dörfer an uns vorbei zogen, haben die Menschen auf den Straßen Radwan erkannt und gewunken", erinnert sich der Helfer.

Gefährliche Rettung

Doch kurz vor dem Ziel drohte die Aktion zu scheiteren: Sie gerieten in eine Militärkontrolle. Radwan und sein Sohn wurden aus dem Truck gezogen. Auf Guy Lankesters Bedenken, dass Radwan ein sehr alter Mann sei, der kaum gehen könne, antworteten die Soldaten: "Ich kann Ihnen vergewissern, heute wird er gehen können." Radwan wurde in die Polizeistation von Timbuktu gebracht. Er sollte seinen Pass vorlegen und so beweisen, dass er kein Islamist sei. "Das war kompletter Irrsinn", sagt Guy. "Radwan hat noch nie in seinem Leben einen Pass gebraucht und hat auch keinen. Jeder hier kennt ihn." Lankester vermutet ein anderes Motiv. "Die Menschen hier gehören alle unterschiedlichen Ethnien an - und wollen jetzt ihre Vorteile daraus ziehen, dass die Tuareg von ihren Ländereien vertrieben wurden."

Untersuchungshaft: Lankester mit Flüchtling Radwan in einer Zelle (Foto: Guy Lankester)
Untersuchungshaft: Lankester mit Flüchtling Radwan in einer ZelleBild: Guy Lankeste

Der Helfer wich seinem Freund auch in der Untersuchungshaft nicht von der Seite. Er kontaktierte führende Politiker Timbuktus und die Vereinten Nationen. Sie alle sahen die Würde des alten Mannes verletzt. Nach 48 Stunden in Gewahrsam wurden Radwan und sein Sohn entlassen. "Manchmal denke ich, dass ich mich mit all dem übernehme", sagt Guy Lankester. Doch dann sehe er das Vertrauen und die Hoffnung in den Augen des alten Mannes - und das ermutige ihn, weiter zu machen. Lankester will die erfolgreiche Rückkehr des alten Mannes jetzt nutzen, um Druck auf die Vereinten Nationen auszuüben, sich stärker für die Rückkehr der Flüchtlinge einzusetzen. "Und wenn das nicht hilft, dann werde ich mit meinen Truck weiter zwischen Timbuktu und den Flüchtlingscamps hin und her fahren, und so viele Menschen wie möglich nach Hause bringen."