1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Klitschko will die Ukraine retten

Roman Goncharenko28. Oktober 2012

Was dem Schauspieler Arnold Schwarzenegger in den USA gelang, will der Boxer Vitali Klitschko in der Ukraine schaffen: eine Karriere in der Politik. Seine Partei könnte drittstärkste Kraft bei der Parlamentswahl werden.

https://p.dw.com/p/16UWE
Klitschko als Politiker (Foto: dw)
Bild: DW

Die Kamera zeigt Vitali Klitschko, der auf seinen Auftritt wartet. Er steht alleine in einem Korridor der Moskauer Olympiahalle: ruhig, routiniert. An diesem 8. September 2012 hat er seinen 47. Kampf als Profi-Boxer. Aus den Lautsprechern dröhnen die "Hell's Bells" (Höllenglocken) der Hard-Rock-Veteranen AC/DC. "Du bist zwar jung, wirst aber sterben", heißt es im Lieblingslied des 41-jährigen "Dr. Eisenfaust". Nach vier Runden ist alles vorbei. Der Kampf wird abgebrochen, weil Klitschkos Gegner, der Deutsche Manuel Charr, stark aus einer Platzwunde blutet. Der Ukrainer siegt durch technischen K.o. und bleibt damit Weltmeister des World Boxing Council (WBC) im Schwergewicht.

Wenige Wochen später steht Vitali Klitschko in einem anderen Kampf - einem Kampf, der sein Leben verändern könnte: an diesem Sonntag (28.10.2012) wählt die Ukraine ein neues Parlament. Klitschkos Partei "UDAR" werden gute Chancen eingeräumt. Die Abkürzung UDAR steht für "Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen" und bedeutet im Ukrainischen "Schlag". Die Anspielung ist gewollt und bezieht sich auf die Karriere des Parteigründers als Profi-Boxer.

Box-Kampf Vitali Klitschko gegen Daniel Charr (Foto: AP)
Klitschko gegen Charr: Sieg in der vierten RundeBild: AP

Bislang kaum politische Erfolge

Es war ein langer Weg, der den Sohn eines sowjetischen Armeeoffiziers und einer Lehrerin an die sportliche Weltspitze führte. Vitali Klitschko wurde 1971 in der zentralasiatischen Republik Kirgisistan geboren. Mit 13 Jahren zog er zum ersten Mal Boxhandschuhe an. Zunächst versuchte er sich als Kickboxer, ging in die USA, wurde mehrfacher Weltmeister. Dann begann seine Karriere als Profi-Boxer. 1996 zog Vitali mit seinem jüngeren Bruder Wladimir nach Deutschland, von wo aus sich die Brüder in die Reihe der prominentesten Boxer kämpften. Der Traum, gemeinsam alle wichtigen Weltmeistergürtel im Schwergewicht zu sammeln, wurde 2008 wahr.

"Politik: gut. Sport: sehr gut - wie ein echter Klitschko." Diese Botschaft, mit der die Boxer-Brüder in Deutschland für eine Boulevardzeitung werben, scheint etwas übertrieben, denn bislang konnte Vitali Klitschko noch keine großen politischen Erfolge nachweisen. Sein Interesse für Politik ließ der Sportler ab 2004 erkennen, als er sich während der "Orangenen Revolution" auf die Seite des prowestlichen ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko stellte und später dessen Berater wurde. Mit seinen Versuchen, zunächst an der Spitze eines Parteienbündnisses ins Parlament einzuziehen und dann Bürgermeister in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu werden, scheiterte Klitschko jedoch. Allerdings schaffte er es, eine eigene Fraktion im Stadtrat Kiews aufzubauen.

Brüder Klitschko mit dem Viktor Juschtschenko 2004 (Foto: AP)
Die Klitschkos auf der Seite der „Orangenen Revolution“ 2004Bild: AP

Klitschko im Aufwind

Nun könnte dem Boxer doch noch der politische Durchbruch gelingen. 2010 ließ er seine kaum bekannte Partei "Neues Land" in "UDAR" umbenennen - seitdem haben sich seine Popularitätswerte verdreifacht. Mit der schlichten Botschaft "Es ist Zeit für UDAR" wirbt Klitschko für sich und seine Partei, die er im politischen Spektrum als "Mitte rechts" positioniert. Vor allem die jüngeren Ukrainer in den Städten wollen laut Meinungsforschern ihre Stimme Klitschko geben. In jüngsten Umfragen liegt die Klitschko-Partei bei rund 15 Prozent und damit knapp hinter dem Oppositionsbündnis, dem auch die Partei "Batkiwschtschina" (Heimat) der inhaftierten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko angehört. Die regierende "Partei der Regionen" kommt auf etwa 23 Prozent.

Experten wie Winfried Schneider-Deters sehen den Schlüssel zu Klitschkos Popularität in der Sehnsucht nach neuen Gesichtern in der Politik. Klitschko gelte als Alternative zu den traditionellen Politikern, von denen viele Ukrainer enttäuscht seien, so der frühere Leiter des Kiewer Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wie neu Klitschkos Partei wirklich ist, sei allerdings umstritten: Auf der UDAR-Liste stehen auch einige Spitzenpolitiker, die schon unter dem Präsidenten Juschtschenko an der Macht waren.

Ukraine-Experte Schneider-Deters (Foto: privat)
Ukraine-Experte Winfried Schneider-DetersBild: Winfried Schneider-Deters

Dass Klitschko seine Millionen im Ausland buchstäblich mit dem eigenen Körpereinsatz verdient habe, spiele auch eine Rolle im Wahlkampf, meint Schneider-Deters. In einem Land wie der Ukraine, in dem Politiker als besonders korrupt eingeschätzt würden, habe Klitschko das Image eines Saubermanns. Der Experte vergleicht den Boxer mit dem Schauspieler Arnold Schwarzenegger, der Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien war: "Die Amerikaner wählen einen Schauspieler, warum sollen die Ukrainer nicht einen Sportler an die Spitze ihrer Politik wählen?"

Kein Bündnis mit anderen Oppositionsparteien

Wer einen Blick in Klitschkos Wahlprogramm wirft, findet allgemeine Sätze über "Korruptionsbekämpfung" oder "europäische Lebensstandards". Aussagen zu einem möglichen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union oder einer Annäherung an Russland findet man nicht. Klitschko wolle es allen recht machen, kritisierte ein Kolumnist in Kiew. Klitschko selbst sieht das Ziel der Parlamentswahl darin, die "Partei der Regionen" des Präsidenten Viktor Janukowitsch zu entmachten. Opposition und westliche Staaten werfen Janukowitsch Autoritarismus und eine politisch motivierte Justiz vor.

Alleine kann Klitschko Janukowitsch und seine Partei wohl nicht schlagen. Doch das Verhältnis zur "Vereinigten Opposition" ist angespannt; Klitschko weigerte sich, dem von der Timoschenko-Partei dominierten Bündnis beizutreten. Das Angebot, noch vor der Wahl einen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, lehnte er ebenfalls ab.