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Ein bisschen "Urlaub für die Ohren"

Annabelle Steffes16. Oktober 2014

Farin Urlaub ist Gitarrist der Band "Die Ärzte" und veröffentlicht nun schon zum vierten Mal ein Soloalbum. Wenn er nicht Musik macht, reist der Literaturfan durch die Welt und bringt Songideen mit.

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Farin Urlaub (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Jan Ulrich Max Vetter, der Öffentlichkeit besser bekannt als Farin Urlaub, ist seit über 30 Jahren Gitarrist und Sänger des Phänomens "Die Ärzte" - der selbst ernannten "besten Band der Welt". Seit 2001 ist er auch ohne sie musikalisch aktiv und bringt nun mit "Faszination Weltraum" sein viertes Soloalbum heraus. Mit seinen Musikern vom "Farin Urlaub Racing Team" meldet er sich nach sechs Jahren Abstinenz zurück und bietet mit dieser Platte "einen Haufen Rockmusik, Freude, Wut, Herzschmerz, Vorschläge zur Verschönerung von Innenstädten und bisher unterschätzte quasiphysikalische Gesetze".

Die Inspiration zieht das Energiebündel aus "dem spannenden Leben, meinen Reisen, meinen Büchern und anderen Menschen", so Farin Urlaub im DW-Interview. Geboren wurde der hochgeschossene Berliner am 27. Oktober 1963 im Stadtteil Moabit. Mit neun Jahren beginnt er, Gitarre zu spielen. Sieben Jahre später kommt er bei einer Klassenfahrt nach London zum ersten Mal mit Punkrock in Berührung. Mit dem "Normalbürger-Dasein" ist es für ihn ab diesem Moment vorbei: Farin Urlaub lässt sich die Harre schneiden, bleichen und kehrt als Punk nach Berlin zurück.

"Wir sind die Ärzte und wir sind zu dritt"

Im kreativ-chaotischen West-Berlin trifft Farin Urlaub 1981 im Punkschuppen "Ballhaus Spandau" auf den Schlagzeuger Dirk Felsenheimer alias "Bela B.". Er tritt dessen Band "Soilent Grün" als Gitarrist bei. Das letzte Konzert der Band findet 1982 im Berliner Klub "SO36" statt. Kurz darauf gründen Farin Urlaub und Bela B. mit Bassist Hans Runge alias "Sahnie" die Band "Die Ärzte". Als sie den Plattenvertrag unterzeichnen, legt sich Jan Vetter seinen Künstlernamen zu, indem er den Satz "Fahr in Urlaub" schlicht zu "Farin Urlaub" zusammenzieht. Für den Musiker eine wichtige Entscheidung: "Keiner meiner Freunde würde mich jemals Farin nennen. Das ist eine Kunstfigur, die in der Öffentlichkeit steht. In meinem Privatleben hat sie nichts verloren."

Die Ärzte im Jahr 1993: Rod, Farin Urlaub, Bela B. (v.l.) (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Ärzte 1993: Rod, Farin Urlaub, Bela B. (v.l.)Bild: picture-alliance/dpa

Wie sehr er einige Jahre später in der Öffentlichkeit stehen sollte, konnte Farin Urlaub zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen. Denn zunächst hat es die Band nicht leicht: Drei ihrer frühen Alben landen wegen Songs wie "Claudia hat 'nen Schäferhund" oder "Geschwisterliebe" auf dem Index, werden in Deutschland als jugendgefährdend eingestuft. Hinzu kommt, dass die Stimmung innerhalb der Band kippt: 1986 erfolgt die Trennung von Bassist Sahnie. Bela B. und Farin Urlaub machen noch zwei Jahre weiter, bevor sie ein kreatives Tief in die Pause zwingt. Auf Westerland geben die Ärzte ihr Abschiedskonzert und versuchen sich in den folgenden Jahren mit den Bands "King Kong" (Farin Urlaub) und "Depp Jones" (Bela B.), doch der kommerzielle Erfolg bleibt aus. Die Ärzte-Platten indes verkaufen sich in dieser Zeit besser denn je.

Neuanfang und Gegenwart

1993 beschließen Farin Urlaub und Bela B., verstärkt durch Gitarrist Rodrigo Gonzáles, die Neugründung der Band. Zwölf Studioalben, unzählige Live-Auftritte und eine bespiellose Karriere später sind die Ärzte eine der erfolgreichsten deutschen Bands überhaupt. Seit 13 Jahren ist Farin Urlaub auch als Solokünstler unterwegs und veröffentlicht nun sein viertes Album als Kopf des "Farin Urlaub Racing Teams". Behält man bei so viel kreativem Output überhaupt den Überblick? "Jedes Album, das ich aufnehmen durfte, ist eine kleine Zeitkapsel, in der sich mein Leben, meine Gedanken, und meine musikalischen Vorlieben zum Zeitpunkt der Aufnahmen wiederfinden", so Farin Urlaub.

Die Ärzte - 30 Jahre Punkrock, Teil 2

Farin Urlaub hat sich musikalisch ständig weiterentwickelt. Die Lockerheit seiner ersten Alben ist mit "Faszination Weltraum" nachdenklicheren Tönen gewichen. Farin Urlaub zufolge ist "Musik inzwischen größtenteils zum Hintergrundgeräusch für Produktwerbung erniedrigt worden". Mit seinem neuen Album möchte sich der bald 51-Jährige diesem Trend widersetzen: Die Melodien sind rockig, leidenschaftlich und eingängig, Urlaubs Texte kritisch, voller bittersüßer Ironie und geprägt von schwarzem Humor. In "Idisco" heißt es zum Beispiel: "Du bist umzingelt von Idioten, lebendigen Toten (…) Es wäre schön, wenn sie verstehen: Zum Homo Sapiens gehört nicht nur aufrecht gehen."

Auf dem Cover zeigt sich Farin Urlaub als heroischer Sportler mit breiten Schulterpolstern und Kriegsbemalung. Unweigerlich fragt man sich da, was hat ein Football-Spieler mit dem Weltall zu tun? Und wie gehören da rockige Songs über Bausünden, polyamouröse Männer und Superman dazu? "Absolut überhaupt nicht", sagt Farin Urlaub und das sei auch gar nicht gewollt. Hier ginge es einfach nur um Spaß.

Immer unterwegs

In seinem Privatleben offenbart Farin Urlaub eine ernstere Seite von sich: Er ist strikter Anti-Alkoholiker, Nichtraucher, Pazifist und seit 1987 Pescetarier, isst also Fisch, aber kein anderes Fleisch. Neben der Musik gilt seine große Leidenschaft dem Reisen. Sein erklärtes Lebensziel ist es, alle Länder dieser Welt zu sehen. Auf 118 hat er es bis dato gebracht. Das Reisen ermögliche ihm eine andere Sicht auf die Welt und das mache es ihm dann leichter über die Welt zu singen oder sie zu fotografieren und aufwendige Bildbände zu veröffentlichen.

Farin Urlaubs Bildband "Indien & Bhutan" (Foto: www.schwarzkopf-schwarzkopf.de)
Farin Urlaubs erster BildbandBild: Farin Urlaub

2007 bringt Farin Urlaub "Unterwegs 1Indien & Bhutan" und 2011 "Unterwegs 2 – Australien & Osttimor", den ersten deutschsprachigen Bildband über Osttimor heraus. Die Verkaufserlöse seines ersten Bildbands spendet er der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", die des zweiten einem Krankenhaus in Osttimor. Farin Urlaub engagiert sich mit Geldspenden darüber hinaus für "Greenpeace" und für "Menschen ohne Minen". Was auf der Welt passiert, lasse ihn nicht kalt: "Ich versuche dennoch die ganzen schlechten Nachrichten nicht in meine Musik einfließen zu lassen, sonst könnte sie sehr depressiv werden." Und das sollte sie wirklich nicht werden, denn ein bisschen "Urlaub für die Ohren" hat noch niemandem geschadet. Und bei so viel Kreativität wird es bestimmt nicht das letzte Album sein, das Farin Urlaub veröffentlicht.