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Besuch unter Freunden

Jannis Papadimitriou, Athen19. Juli 2013

Für viele Griechen ist der deutsche Finanzminister das Gesicht des Sparzwangs. Doch dieses Mal verteilte Schäuble in Athen lobende Worte und kündigte einen Investitionsfonds nach Vorbild der KfW-Förderbank an.

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Wolfgang Schäuble (Mitte), Yannis Stournaras (Rechts) und Kostis Hatzidakis in Athen Foto: Reuters
Wolfgang Schäuble Besuch Griechenland Athen Juli 2013Bild: Reuters

Er gehört zu den unbeliebtesten ausländischen Politikern seit Ausbruch der Schuldenkrise. Dennoch bereitete der griechische Finanzminister Jannis Stournaras dem "lieben Wolfgang“ am Donnerstag (18.07.2013) einen herzlichen Empfang - und dieser revanchierte sich beim aufmerksamen Gastgeber: Gleich beim seinem ersten öffentlichen Auftritt in einer Veranstaltung der Deutsch-Griechischen Handelskammer gab sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble "beeindruckt davon, was Griechenland bisher erreicht“ habe und lobte die "großen Schritte bei der Konsolidierung der griechischen Wirtschaft“.

In der Sache blieb er allerdings hart und plädierte einmal mehr für Spareinschnitte und schmerzhafte Reformen. "Es gibt keinen anderen Weg, wenn man nachhaltiges Wachstum erreichen will", warnte der CDU-Politiker. Und fügte hinzu: "Gesunde öffentliche Finanzen erzeugen Vertrauen." Erforderlich sei zudem eine Modernisierung des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungssysteme, genauso wie eine Reform der Justiz und des Steuerwesens, mahnte Schäuble das überwiegend griechische Publikum.

Mit Investitionen gegen die Rezession

Sein besonderes Gastgeschenk: Ein Vorvertrag für die Gründung eines griechischen "Wachstumsfonds“ für kleine und mittlere Unternehmen nach Art der KfW-Förderbank. Insgesamt soll der Fonds über ein Startkapital von 500 Millionen Euro verfügen, finanziert zu 20 Prozent aus KfW-Fördermitteln.

Eine gute Entscheidung, meint der Präsident der Deutsch-Griechischen Handelskammer Michalis Mailis im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Nach sechs Jahren Rezession leidet die griechische Wirtschaft unter enormen Liquiditätsengpässen", klagt Mailis, der selbst eine exportorientierte Verpackungsfirma leitet. In Griechenland gebe es viele Unternehmen mit großem Potenzial, die aber krisenbedingt in Gefahr gerieten. Zwar sei die Rekapitalisierung griechischer Banken erfolgreich verlaufen, aber es müsse noch viel mehr getan werden, damit die Unternehmen an frisches Geld kommen. Die Initiative des deutschen Finanzministers würde da weiterhelfen, glaubt der Athener Geschäftsmann.

Kommentatoren begrüßen die Zusage von 500 Millionen Euro für kleine und mittlere Unternehmen und bezweifeln dennoch, ob so wenig Geld viel bewirken kann. Nach einer jüngsten Studie der Consulting-Firma Oliver Wyman im Auftrag des Athener Wirtschaftsministeriums beträgt der rezessionsbedingte Liquiditätsausfall der griechischen Wirtschaft über 15 Milliarden Euro im Jahr - eine ungeheure Summe gemessen an dem, was der Investitionsfonds zu leisten bereit wäre. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schäuble gab sich der griechische Wirtschaftsminister Kostis Hatzidakis jedoch optimistisch und verwies auf die erhofften langfristigen Effekte des neuen Förderprojekts: "Wir sind der Auffassung, dass die Unterstützung auf deutscher Seite weitere Geldgeber für diesen Fonds begeistern könnte, die heute noch zögern.“

Polizeikräfte verhaften Demonstranten vor dem Besuch der Bundeskanzlerin in Athens Foto: Athen
Die Polizei wird es wohl auch treffen: Das griechische Parlament hat Massenentlassungen im öffentlichen Dienst beschlossenBild: Reuters

"Erleichterungen“, aber kein Schuldenschnitt

Nur wenige Stunden vor Schäubles Ankunft hatte das griechische Parlament mit denkbar knapper Mehrheit ein neues Sparpaket verabschiedet, das unter anderem Entlassungen im öffentlichen Dienst und die Wiedereinführung einer Luxussteuer vorsieht. Diese Maßnahmen waren erforderlich, damit die aus EU, IWF und EZB bestehende Troika eine weitere Kredittranche in Höhe von 2,5 Milliarden Euro freigibt. Ob in naher Zukunft weitere Modifizierungen am griechischen Rettungspaket fällig werden, bleibt offen. Presseberichte über eine Finanzierungslücke von 10 Milliarden Euro werden eifrig dementiert. Einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland lehnte Schäuble in Athen erneut ab.

Sonstige Erleichterungen wollte der deutsche Finanzminister jedoch nicht ausschließen. Sie seien denkbar ab 2014, wenn die Griechen bis dahin einen Primärüberschuss erzielen und zugesagte Reformen durchführen, sagte Schäuble vor Journalisten in Athen. Deutlich auf den Punkt brachte er es in einem Interview mit dem griechischen TV-Sender Skai: "Wir haben ja gesagt: Wenn dann die Voraussetzungen gegeben sind, werden wir auch über weitere Maßnahmen reden. Aber es wäre falsch jetzt - wo man alles darauf konzentrieren muss, das umzusetzen, wozu man sich verpflichtet hat - darüber zu reden, was nach Ende dieses Programms sein wird.“

Erstmals würde sich der CDU-Politiker derart deutlich für Erleichterungen bei der Schuldenlast für Griechenland aussprechen, glaubt der Politanalyst und ehemalige Regierungssprecher Dimitris Tsiodras. Das mag so vielleicht nicht ganz stimmen. Doch der Athener Kommentator ist sich sicher, dass Schäuble einen Taktik-Wechsel andeutet. "Früher sprach er von einem Fass ohne Boden, heute nimmt er wohl Abstand zu solchen Äußerungen“, sagt Tsiodras. Zwar hätte der deutsche Finanzminister keinen grundlegenden Politikwechsel angekündigt, doch immerhin öffnete er die Tür für Änderungen am griechischen Hilfsprogramm, freut sich der Politanalyst.

Politanalyst und ehemaliger Regierungssprecher Dimitris Tsiodras Foto: Jannis Papadimitriou
Politikexperte Tsiodras sieht positive Zeichen bei SchäubleBild: Jannis Papadimitriou

Für ein politisches Kontrastprogramm sorgte die Athener Linksopposition: Während Schäuble mit der griechischen Regierung beriet, wurde Oppositionschef Tsipras vom Staatspräsidenten Karolos Papoulias empfangen und drängte ihn, Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg an Deutschland zu stellen. Auf die diesbezügliche Frage von Journalisten reagierte Schäuble gelassen: "Ich hatte ja nicht die Erwartung, dass bei meinem Besuch das übrige Leben in Griechenland lahmgelegt wird“, erklärte der Finanzminister.