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Edathy droht die Anklagebank

Bernd Gräßler17. Juli 2014

Sebastian Edathys tiefer Fall ist noch nicht zu Ende. Die Staatsanwälte sehen den Besitz von Kinderpornos als erwiesen an. Auch das politische Berlin müht sich noch mit den Konsequenzen der Affäre.

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Porträt Sebastian Edathy. Foto: Stephanie Pilick/dpa.
Bild: picture-alliance/dpa

Seit die Affäre Anfang Februar 2014 öffentlich wurde, hat sich Sebastian Edathy energisch gegen das gewehrt, was nun auf ihn zukommt: die Anklage wegen des Besitzes kinderpornografischen Materials. Er hat zweimal vergeblich gegen die Durchsuchung seiner Privatwohnung und die Beschlagnahme von Beweismaterial auf seinem Bundestagsrechner geklagt. Eine Verfassungsbeschwerde des Ex-Politikers in Karlsruhe ist noch anhängig. Er hatte auch Strafanzeige wegen Geheimnisverrats gegen die Beamten gestellt, die mit dem Fall befasst sind. Sie hätten die Ermittlungsakte Journalisten zugänglich gemacht. Der 44-jährige beklagte auf seiner Facebook-Seite und in Interviews seine öffentliche Vorverurteilung, er hat die von ihm georderten Nacktaufnahmen von Knaben zur Kunst verklärt und auf die lange Geschichte des männlichen Aktes in der Kunstgeschichte verwiesen. Worauf CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kommentierte, wer Bilder nackter Jungen schamlos als Kunst bezeichne, gehöre "in die Klapse".

Verräterische Links

Nun hat die Staatsanwaltschaft in Hannover beschlossen: Der Ex-Bundestagsabgeordnete, der in der Öffentlichkeit als Chef des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur NSU-Mordserie bekannt wurde, soll auf die Anklagebank. Über diesen Antrag wird freilich der Richter entscheiden. Auf die Spur kamen die Ermittler Edathy, weil er jahrelang Videos und Fotoserien mit unbekleideten Kindern bei einer kanadischen Firma gekauft hatte. Anfangs hieß es aus der Staatsanwaltschaft dazu, es handele sich um Material im "Grenzbereich" zur Kinderpornografie. Nun stützt sich die Anklage laut Agenturangaben auf "Links zu kinderpornografischen Internetseiten", die die Ermittler in einer Sicherungskopie eines Bundestags-Laptops gefunden hatten. Das Notebook befand sich im Büro Edathys und wurde von diesem im Februar dieses Jahres als gestohlen gemeldet. Darauf sollen im November 2013 an sechs Tagen kinderpornographische Bild- und Videodateien aus dem Internet heruntergeladen worden sein. Außerdem habe Edathy einen Bildband und eine CD mit "jugendpornografischen Inhalten" besessen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sollte der Richter die Anklage zulassen und der Ex-Politiker schuldig gesprochen werden, dann droht diesem wegen "Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften" eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Vom Ministerrücktritt zum U-Ausschuss

Doch nicht nur für Edathy selbst wird es immer peinlicher, auch das politische Berlin leidet unter den Nachwirkungen seiner Vorliebe für Bilder nackter Knaben. Nachdem der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits im Februar zurücktreten musste, weil er die Ermittlungen gegen den Sozialdemokraten Edathy dem SPD-Vorsitzenden Gabriel verraten hatte, plagt sich der Bundestag nun mit einem Untersuchungsausschuss in Sachen Edathy, den eigentlich außer den Grünen keiner so richtig wollte. Union und SPD halten ihn für überflüssig, und die Linke hat seine Einsetzung hauptsächlich deshalb unterstützt, weil sie sich später mal einen Gefallen von den Grünen erhofft. Die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) ist der Auffassung, dass der Gang der Ereignisse bekannt sei. Immerhin soll der Ausschuss klären, warum das Bundeskriminalamt (BKA) erst so spät auf Edathys Namen stieß, obwohl ihm die Kundenliste eines kanadischen Internet-Anbieters von Kinderpornografie schon lange vorlag. Denn, so bemängeln vor allem Grüne und Linke, der Name eines BKA-Polizisten auf der gleichen Liste sei von seinen Kollegen sehr viel früher entdeckt worden - warum nicht auch der Edathys?

Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich. Foto: Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Ex-Minister Friedrich: Rücktritt wegen Information auf dem kurzen WegBild: picture-alliance/dpa
BundestagsabgeordneteEva Högl (SPD). Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Eva Högl (SPD): Überflüssiger AusschussBild: picture-alliance/dpa

SPD in der Klemme

Auch seine eigene Partei hat Edathy, dessen Aufenthaltsort der Öffentlichkeit seit seinem Rücktritt als Bundestagsabgeordneter unbekannt ist, gehörig in die Klemme gebracht. Zum einen fehlen der SPD im Ringen um den innenpolitischen Kurs der großen Koalition neuerdings gleich zwei profilierte Männer wegen peinlicher Affären: neben Edathy auch der wegen Drogenkonsums zurückgetretene innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Michael Hartmann.

Zum anderen möchte die Parteispitze Edathy endlich als Mitglied loswerden. Der Vorwurf "Kinderpornografie", egal ob erwiesen oder nicht, ist höchst schädlich für das Ansehen der traditionsreichen Partei. Doch Loswerden ist nicht so einfach - wie bereits der Fall Thilo Sarrazin zeigt, der immer noch SPD-Mitglied ist, trotz seines Buchs "Deutschland schafft sich ab", in dem er umstrittene Thesen zur Integrationsfähigkeit von Muslimen aufstellt. Im Falle Edathy muss Parteichef Gabriel zur Kenntnis nehmen, dass auch in seiner Partei die Unschuldsvermutung hochgehalten wird, solange ein strafrechtliches Verfahren läuft.

Auch das Justizministerium hat durch den Fall Edathy Arbeit bekommen. Es hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Vorschriften über Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch vorgelegt. Die Herstellung und Weitergabe sogenannter Posing-Fotos soll strafbar sein. Außerdem soll es künftig länger dauern, bis Sexualstraftaten verjähren – erst mit dem 30. Lebensjahr des Opfers.