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Am Ende steht die Wahrheit

30. Juli 2010

Ein Stern strahlt an Südafrikas Literatur-Himmel: Damon Galgut. Nach seinen Erfolgen "Der gute Doktor" und "Das Sündenopfer" legte er mit "Der Betrüger" wieder einen Roman um menschliche Abgründe vor.

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Flucht in die Einsamkeit: "Der Betrüger" von Damon GalgutBild: picture-alliance / dpa

In der jüngsten Vergangenheit ist in Südafrika eine Schriftstellergeneration herangewachsen, die mit rasanten Tempo aus dem Schatten der solange übermächtigen Coetzees, Rookes und Gordimers tritt. Für die Krimiliteratur steht vor allem Deon Meyer. Dessen Thriller werden mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt und von ihm liegen auch sechs Bücher in deutscher Sprache vor. Auch andere, wie Roger Smith mit "Kap der Finsternis" können 15 Jahre nach Ende der Apartheid internationale Erfolge feiern. Und jetzt erobert Damon Galgut mit "Der Betrüger" auch das Feld des klassischen, europäischen Ideenromans.

Adam Napier ist nicht mehr jung. Er hat keine Ideale mehr und keine Lebenslust. Erst verliert er seinen Job an einen schwarzen Konkurrenten - und macht dafür das Black-Empowerment Programm der Regierung verantwortlich. Dann verliert er sein Haus - weil Gangs die Gegend unsicher und seine Immobilie damit wertlos gemacht haben. Er hatte es kommen sehen, so wie er eigentlich alles in seinem Leben hatte kommen sehen und doch die Augen davor schloss.

Buchcover Verlag: Randomhouse Manhattan Damon Galgut Der Betrüger
Das neueste Buch von Damon Galgut

Schwindler, Blender, Versteller

Sein Bruder, sein verhasster, bietet ihm einen Rettungsanker: Adam, kann in seinem alten Häuschen in einer gottverlassenen Gegend unterkommen. Um dort zu tun, wofür er sich berufen fühlt: Gedichte schreiben. Natürlich ist diese Berufswahl eine lächerliche Ausflucht. Adam schafft es nicht einmal Herr über das Unkraut in dem verwahrlosten Garten des Häuschens zu werden. Schon gar nicht findet er die Kraft für diszipliniertes Schreiben, nicht von Gedichten, nicht von Tagebüchern, nicht einmal von Überweisungen für einen Strafzettel der Verkehrspolizei.

Doch dann trifft Adam Napier einen alten Schulkameraden wieder. Einen, an den er sich kaum erinnern kann, der aber eine schöne Wildfarm und eine noch schönere Frau hat. Und es scheint, dass diese Begegnung Adams Leben verändern soll.

In "Der Betrüger" ist jeder ein Schwindler, Blender, Versteller. Der Schulkamerad betrügt auf klassische Art seine Umwelt mit finanziell dubiosen Projekten. Seine Frau betrügt ihn mit anderen Männern. Adam betrügt vor allem sich selbst. Und diese Konstellationen spiegeln vielleicht das moderne Südafrika, ganz sicher aber das ewige menschlich-unmenschliche Miteinander überall auf dieser Welt wieder.

Ein meisterlicher Beitrag zur gegenwärtigen Welt-Literatur

Der Autor Damon Galgut Quelle: Randomhouse
Vertritt eine neue Generation südafrikanischer Autoren: Damon GalgutBild: Randomhouse

Wie in "Der gute Doktor" zeigt Damon Galgut in räumlich begrenzter Umgebung, fast schon Kammerspielen, wie sich Dinge entwickeln, wenn die treibenden Kräfte ungebändigt sind. Wenn die Spieler ihr Leben kraftlos schleifen lassen. Wenn sie ihre vermeintlichen Prinzipien bei erster Gelegenheit über Bord werfen, mit Geld, Sex, Macht oder vermeintlich süßer Rache korrumpieren und korrumpiert werden. Doch anders als in seinen Vorgänger-Werken lässt Galgut in "Der Betrüger" nicht alles auf Zwangsläufigkeiten, auf ein mörderisches Ende hinauslaufen. Adam Napier reicht es, endlich die Augen zu öffnen und sich zumindest dem Sog des Betrügens zu entziehen, um den Zwangsläufigkeiten zu entkommen. Sprachlich schnörkellos, zügig und doch mit genug Atem für das Wesentliche ist "Der Betrüger" ein wichtiger, ein meisterlicher Beitrag zur gegenwärtigen Welt-Literatur. Südafrika ist der Spielplatz, das Theater, aber die Menschen auf diesem Spielplatz könnten überall so jämmerlich großspurig betrügen und betrogen werden. Und das ist ganz sicher die Wahrheit.

Autor: Dirk Bathe

Redaktion: Sarah Mesch