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Rücküberweisungen lindern Armut

Julia Elvers-Guyot16. Januar 2006

Rund 200 Millionen Menschen arbeiten in der Fremde. Das Geld, das sie in ihre Heimatländer überweisen, trägt dort erheblich zu den Einkommen bei und stärkt so das Wirtschaftswachstum.

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Bankschalter in IndonesienBild: dpa

Bei der Armutsbekämpfung misst die Weltbank dem Geldtransfer von Auswanderern in ihre Heimatländer eine besondere Bedeutung zu: Weltweit überwiesen die Gastarbeiter im vergangenen Jahr 232 Milliarden Dollar an ihre daheim gebliebenen Verwandten. Fast 70 Prozent der Rücküberweisungen, nämlich 167 Milliarden Dollar, erreichten 2005 die Entwicklungsländer, so der jährliche Weltbank-Bericht "Global Economic Prospects". Damit bekamen diese Staaten doppelt so viel Geld von Migranten wie durch Entwicklungshilfe.

Bankschalter Euros und Dollar
232 Milliarden Dollar überwiesen Gastarbeiter im Jahr 2005Bild: AP

In vielen Entwicklungsländern stellen Überweisungen von Emigranten die größte Quelle externen Kapitals dar. In manchen machten die Überweisungen 2005 gar bis zu einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes aus - so zum Beispiel in Moldawien, Lesotho oder Bosnien-Herzegowina. Weltweit wird das meiste Geld nach Indien überwiesen, gefolgt von China und Mexiko.

Transferbüros kassieren ab

"Für Deutschland sind die ehemaligen jugoslawischen Länder und auch die ehemaligen Sowjetunionländer sehr, sehr wichtig, aber auch die Türkei. Und wir sehen jetzt auch mehr und mehr Zuwanderer von Asien, von China und Vietnam", sagt Jan Hillered, Mitteleuropa-Chef des marktführenden Geldtransfer-Unternehmens Western Union. Der Großteil der Geldsendungen von Migranten fließt aus reichen in arme Nationen. Doch die Transfers aus Entwicklungsländern - so genannte "Süd-Süd-Geldströme" - machen immerhin 30 bis 45 Prozent aller Überweisungen aus. Jan Hillered schätzt, dass nur 35 Prozent der Bevölkerung in Entwicklungsländern Konten haben. Deswegen sind viele Menschen auf Geldtransfer-Unternehmen wie Western Union angewiesen, um Geld zu verschicken.

Umso schlimmer, dass Auswanderer Geld teilweise nur zu hohen Kosten in ihre Heimatländer transferieren können, kritisiert die Weltbank. Banken und Transferbüros berechnen teilweise zehn bis fünfzehn Prozent Gebühren. In ihrem Bericht über die Wirtschaftsaussichten 2006 fordert die Weltbank daher mehr Wettbewerb und bessere Bankdienste in den Empfängerländern. Denn sie ist überzeugt: In mehreren Niedrigeinkommensländern besteht ein Zusammenhang zwischen Überweisungen und einem Rückgang der Armut - so zum Beispiel in Uganda, Bangladesch und Ghana.

Nicht immer wirken Rücküberweisungen positiv

Die Kehrseite der Medaille: Ungesteuerte Migration führt auch zur Abwanderung von Fachkräften. Diesen Verlust können selbst noch so hohe Rücküberweisungen nicht kompensieren. Florin Vadean ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Migrations-Forschungsgruppe des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs HWWA. Er schreibt gerade eine Dissertation zum Thema Rücküberweisungen und weiß, was die Facharbeiter-Abwanderung abfedern könnte.

"Es sind bestimmte makroökonomische Politiken notwendig, damit Rücküberweisungen einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben", erklärt Vadean. "Das ist einmal niedrige Inflation, das ist eine flexible Wechselkurspolitik. Des Weiteren sollen die Investitionen unterstützt werden und der Zugang zu Kapital." Werden diese Bedingungen erfüllt, können Migranten mit ihren Rücküberweisungen das weltweite Realeinkommen erhöhen. Wenn ein Land einen gut entwickelten Finanzsektor hat, um diese Gelder als Ersparnisse aufzufangen und dann Investoren bereitzustellen, könnten Kapazitäten aufgebaut werden, sagt Vadean. Wenn nicht, "dann fließen sie hauptsächlich in den Konsum, der durch Importe befriedigt wird."

Auch die Aufnahmeländer profitieren

Um Gewinne zu erreichen, schlägt die Weltbank den Entwicklungsländern vor, mit den Ländern Abkommen zu schließen, in die ihre Staatsbürger abgewandert sind. Diese Abkommen könnten dazu dienen, den Migranten die Arbeitssuche und die anschließenden Geldüberweisungen ins Heimatland zu erleichtern. Schließlich nutzen Auswanderer auch der Wirtschaft der Aufnahmeländer. Denn Rücküberweisungen finanzierten die Exporte der Industrieländer, weil durch sie die Kaufkraft in den Entwicklungsländern steige, sagt Florin Vadean. "Andererseits hat es auch eine positive Wirkung auf den Wechselkurs." Rücküberweisungen können neben einer Ankurbelung des Konsums auch die Kreditwürdigkeit eines Landes steigern. Überall dort, wo solche Überweisungen verbucht werden, können Finanzinstitute den Zugang zu Kapital erweitern und die Kosten für Kreditaufnahmen senken.