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Elisabeth Schwarzkopf - Die Klangzauberin

29. November 2005

Am 9. Dezember wird Elisabeth Schwarzkopf 90 Jahre alt. Sie war die ideale Interpretin der großen Sopranpartien von Mozart und Strauss sowie der Lieder von Schubert und Wolf.

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Elisabeth SchwarzkopfBild: dpa

Keine Frage: Eine derart außergewöhnliche Karriere wie die von Elisabeth Schwarzkopf bringt neben den unbestreitbaren Vorzügen auch eine ganze Reihe von Einschränkungen mit sich, denen der ernsthafte Künstler unterworfen ist. Nennt man gar eine derart außergewöhnliche Stimme sein Eigen, ist das Leben ein besonders verzichtvolles – als treffendes Leitmotiv könnte Strauss Operntitel „Die schweigsame Frau“ fungieren. Kein Wunder, dass die Sängerin es nach dem Ende ihrer Karriere geradezu als Erlösung empfunden hat, endlich „wie ein normaler Mensch lautstark sprechen zu dürfen“. Der größte Verzicht bestand für Schwarzkopf allerdings darin, keine Zeit zu haben. Vor allem keine Zeit zu haben, um in die geliebten österreichischen Berge zu fahren. „Ich wollte immerzu in die Berge. Aber ich hatte nie Zeit. Wann immer es ging, habe ich mir aber ein paar Tage gestohlen, um hier oben wandern zu gehen.“ Vor zwei Jahren hat sie sich diesen Wunsch nun auf Dauer erfüllt. Umgeben von den Gipfeln der Montafoner Alpen genießt sie jetzt die Zeit, die sie während ihrer Karriere so schmerzlich vermisst hat.

Begonnen hatte diese mit mehreren Fehlschlägen an der Berliner Musikhochschule. Mit 17 Jahren kam sie dort in die Klasse der Altistin Lula Mysz-Gmeiner, einer damals berühmten Oratorien- und Liedsängerin und ihrerseits Schülerin von Lilli Lehmann. Geleitet vom eigenen Stimmfach, versuchte die Lehrerin aus der Gesangsadeptin ebenfalls einen Alt zu machen. „Wir wurden mit einem Klang unterrichtet, den wir als tuten bezeichnet haben“, erinnert sich Schwarzkopf an diese Zeit. „Ich war eben total unerfahren. Außerdem wollte ich ja Altistin werden und habe mit Begeisterung in dieser tiefen Lage herumgesungen.“ Auch ein Lehrerwechsel zeitigte nicht den gewünschten Erfolg. Zwei Jahre dauerten diese erfolglosen Versuche, bis die verständige Mutter einschritt und Schwarzkopf die Hochschule verließ.

Ein Vorsingen an der Städtischen Oper Berlin brachte mit einem der „Blumenmädchen“ im „Parsifal“ schließlich das erste Engagement. Ein Tag blieb ihr, vom Gründonnerstag bis zum Karfreitag, die bisher unbekannte Rolle zu studieren. Ein kurzer Blick in die Noten genügte – „ich glaube, das kann ich bis morgen auswendig“ – und sie unterzeichnete den Vertrag. Mit dem gleichen Elan stürzte sich die blutige Anfängerin in die Arbeit. Alles ging gut, und obwohl sie nicht richtig am Haus engagiert war, wurden ihr immer wieder kleinere Rollen zugewiesen, in denen sie sich beweisen konnte. Zu ihrem Repertoire in Berlin gehörten unter anderem Blondchen, Lauretta, Musetta, Oscar und Zerbinetta. Als aufregend empfand sie diese Zeit, vor allem aber gab es viel zu lernen. Als ihr Kollege, der Bariton Karl Schmitt-Walter, sie bei den ersten Proben vor den Versenkungen warnte, fragte sie nur: „Wo sind denn die Biester?“ Bis ihr bewusst wurde, dass es sich dabei um die Löcher im Boden handelte.

Doch nicht nur vor dem metertiefen Fall in die gefährlichen Tiefen der Bühnenmechanik bewahrte sie der ältere Kollege. Nach einer „Ariadne“-Vorstellung mit Schwarzkopf als Zerbinetta sagte der Bariton zu ihr: „Wir hören ja alle mit Staunen zu, was Sie hier alles lernen. Aber wissen Sie, dass Sie nicht singen können?“ Sprach es und stellte sie wenig später Maria Ivogün vor. Nach einigem Hin und Her war die gefeierte deutsche Koloratursopranistin schließlich bereit, sie als Schülerin zu akzeptieren. Nun musste die wieder zur Elevin gewordene Schwarzkopf ganz von vorne anfangen. Abends stand sie im Opernhaus auf der Bühne und sang ihre Rollen, tagsüber durfte sie bei Ivogün lediglich zwei Töne singen – „die mit dem schönsten Klang“. Den entwickelte die Pädagogin dann im Laufe von zwei Jahren langsam nach oben und unten. Dass Schwarzkopf schnellt lernte und bald auch mit der Höhe keine Probleme mehr hatte, beweist eine Aufnahme der Matern-Arie, die wegen einiger nicht ganz sauber intonierter Töne unter anderem Namen veröffentlicht wurde. Trotz dieser „unsauberen“ Töne gehört die Aufnahme zu den überzeugendsten Interpretationen dieses Vokalfeuerwerks.

Niemals zu forcieren, immer in die Maske zu singen und eine sichere Kopfstimme zu erlernen – so lautete das Credo der Lehrerin, und noch heute ziert ein Bild der verehrten Mentorin das Musikzimmer Schwarzkopfs. „Außerdem bestand sie darauf, dass ich nie laut sang“, erinnert sich Schwarzkopf. „Trotz des Studiums an der Hochschule hatte ich von alledem bis dato keine Ahnung.“ Als weiterer Glücksfall für die Sängerin erwies sich die Bekanntschaft mit dem Ehemann Maria Ivogüns, dem Pianisten Michael Raucheisen, der zugleich der berühmteste Liedbegleiter seiner Generation war. Mit ihm zusammen gab Schwarzkopf auch ihr erstes Liedprogramm sowie drei ausverkaufte Liederabende im Beethovensaal in Berlin.

Etwa zur gleichen Zeit sah Schwarzkopf in einem kleinen Kino am Berliner Breitenbachplatz die Schauspielerin Paula Wessely in dem Film „Maskerade“. Geradezu elektrisiert von deren Fähigkeit, musikalisch zu sprechen, entstand der Wunsch, nach Wien zu gehen, „wenn es dort solche Leute zu sehen und zu hören gibt. Bei ihr wurde das Timbre der Sprechstimme zu einem musikalischen Klang per se. Zu einem Klang, der alleine schon in der Lage war, die Zuschauer zu berühren, die eigentlich gar nicht auf musikalische Klänge eingestellt waren. Das ist bis heute in meinem Klangsystem ganz unersetzlich hängen geblieben.“ Verbunden mit diesem Erlebnis war die Erkenntnis, „dass es im Leben eines Sängers nicht die Aussprache, sondern der Klang ist, mit dem man das Publikum erreicht. Sicher braucht man auch eine saubere Aussprache, aber die Seele der Zuhörer erreicht allein der Klang.“

Der Klang war es auch, der die Sängerin schließlich zu den Liedern von Hugo Wolf brachte. „Alles, was er komponiert hat, kannte man ja bereits als Gedicht. Am Anfang dachte ich deshalb, dass ich einfach deutlich sprechen und dazu die richtigen Töne finden muss. Aber das war es nicht. Ich musste den richtigen Klang finden. Einen Klang, der nicht meine Person wiedergibt, sondern den Sinn des jeweiligen Textes.“ Eine Maxime, die für Schwarzkopf nicht nur im Liedgesang, bei Wolf und Schubert, bei Mahler und Schumann oberste Priorität besitzt, sondern ebenfalls in der Gestaltung von Opernpartien. „Auch da muss natürlich deutlich artikuliert werden. Das ist selbstverständlich. Nicht selbstverständlich ist aber ein Klang, der den Menschen im Ohr nachklingt und ihnen den Atem stocken lässt, wie etwa bei Sawallisch wenn er Schubert dirigierte.“ Vor allem dieses uneingeschränkte Bekenntnis zur Wichtigkeit des Klanges ist es, das den Gesangsstil Schwarzkopfs kennzeichnet.

Das Jahr 1942 brachte dann den ersehnten Wechsel an die Wiener Staatsoper. Dort sang sie sich zunächst ebenfalls durch die kleineren und mittleren Rollen, aber auch schon Rosina sowie wieder Musetta und Zerbinetta. Eine Tuberkulose-Erkrankung zwang sie zwar zu einer einjährigen Pause, doch gleich nach dem Krieg wurde sie Mitglied in dem maßgeblich von Josef Krips geformten Wiener Ensemble und sang unter anderem Mimi, Violetta, Nedda, Gilda, Konstanze, Pamina, Susanna, Marzelline und Sophie. Bis es 1946 zu der folgenschweren Begegnung mit Walter Legge kam.

Legge, der damals bereits zu den mächtigsten Männern im Musik-Business ge-hörte, kam nach Wien, um sich in den Nachkriegsjahren verschiedene Sänger anzuhören, um sie für EMI zu engagieren. Auf seiner Liste stand auch der Name Elisabeth Schwarzkopf. Der Produzent hörte sie zum ersten Mal als Rosina und erinnert sich in seinen Memoiren an eine „brillante, frische Stimme, die mit Lachen durchwebt war, und bezaubernden Pianissimi“. Nachdem er sie noch in weiteren Rollen gehört hatte, lud er die Sängerin zu einem Gespräch ein, um mit ihr über einen Exklusivvertrag zu sprechen. Doch Schwarzkopf insistierte auf einem „ordentlichen Vorsingen – zwei oder drei Stunden lang. Ich möchte nicht, dass Sie die Katze im Sack kaufen, um es dann zu bereuen. Und ich möchte nicht, dass Sie mir weniger anbieten, als Sie glauben, dass ich wert bin.“ Die Details dieses Vorsingens wurden erst später bekannt und zu einem festen Bestandteil der Schwarzkopf-Le-gende: Nach einem Programm aus Opern- und Oratorienarien drehte Legge die junge Sopranistin mit Hugo Wolfs „Wer rief dich denn?“ richtiggehend durch die Mangel. „Kreuzige das Mädchen nicht“, kommentierte Herbert von Karajan das Geschehen. „Ich habe dir schon vor Wochen gesagt, dass sie vielleicht die beste Sängerin in Mitteleuropa ist.“ Noch am selben Abend unterschrieb Schwarzkopf ihren ersten Plattenvertrag.

Diese künstlerische Verbindung, der bald auch die private folgen sollte, zwischen dem visionären Produzenten und der nicht minder perfektionistischen Sängerin führte zu einer der intensivsten und ergiebigsten Symbiosen, die es im Bereich der klassischen Musik je gegeben hat. Gleich nach dem Vorsingen übernahm Legge weitgehend das Ruder und wurde zum entscheidenden Architekten von Schwarzkopfs Karriere. Er plante ihre Konzertprogramme und entschied, welche Rollen sie singen sollte und welche nicht. Entgegen ihrem bisherigen Reper-toire drängte er die Sängerin sehr bald, Webers Agathe und Mozarts Gräfin Al-maviava zu singen – der Grundstein für die spätere Spezialisierung.

Vor allem aber brachte er sie mit seinem schier unerschöpflichen Archiv an überragenden Schallplattenaufnahmen in Berührung. Mit deren Hilfe begann er, ihre Vorstellung von den Möglichkeiten des Klangs der menschlichen Stimme zu erweitern. In „On and off the record” schreibt er: „Rosa Ponselles Stimme – das Timbre wie der Spitzenjahrgang eines Portweins mit Schlagrahm – dazu die noble Linie; die slawische Brillanz von Nina Koshetz; einige Phrasen aus Farrars Carmen, deren nur angedeutete Verlockung später in Schwarzkopfs ‚Im chambre séparée‘ wieder auftaucht; ein einziges Wort der Melba; ‚Bada‘ in ‚Donde lieta‘; etwas von Rethberg; und große Portionen von Meta Seinemeyer, um ihr zu demonstrieren, wie vom Wesen her deutsche Stimmen auf brillante Weise einen italienischen Klang produzieren können. Dann Lehmanns allumarmende Großherzigkeit, Schumanns Charme und Leichtigkeit, McCormacks unglaublicher Oktavsprung in ‚Care selve‘, Frida Leiders dramatische Spannung – sie alle waren Nektar und Ambrosia für den musikalischen Appetit der Schwarzkopf. Aus der Analyse dessen, was wir am bewunderungswürdigsten in diesen diversen Vorbildern fanden, destillierten wir unsere eigene Synthese.“

In diese ersten Jahre an der Seite Legges fiel auch der internationale Durchbruch der Sängerin. Dieser hatte gerade mit ihr eine Aufnahme von Brahms „Deutschem Requiem“ unter Karajan gemacht, als Furtwängler für eine Aufführung ebendieses Werkes eine Sängerin für Luzern suchte. Legge präsentierte die Probebänder, Furtwängler bestand auf einem Vorsingen Schwarzkopfs – und hatte seinen Sopran. Kurze Zeit später kam es zu einem „Don Giovanni“-Gastspiel der Wiener Staatsoper in London, in dessen Rahmen der dort im Exil lebende Richard Tauber noch einmal in sein altes Ensemble zurückkehrte – wenige Wochen später erlag er einem Krebsleiden. Es folgten weitere Auftritte in Salzburg, an der Mailänder Scala, der sie bis 1963 mit jährlichen Auftritten verbunden blieb, und in Bayreuth.

Zu ihrem Repertoire gehörten damals unter anderem Pamina, Sophie, Mimì, Violetta, die sie aufgab, als sie Victoria de los Angeles in dieser Rolle hörte, Susanna, Marzelline, Eva und sogar „Fidelio“-Leonore – „es waren sechs konzertante Aufführungen hintereinander. Was ich heute dazu sagen würde, lasse ich lieber unter den Tisch fallen“ – und Butterfly. Außerdem war sie bei der Uraufführung von Strawinskys „The Rake’s Progress“ in der Rolle der Ann Truelove in Venedig beteiligt; kurz darauf sang sie die Partie auch in italienischer Sprache in Mailand. Eine Belastung, der die Stimme auf Dauer nicht standgehalten hätte. Denn Schwarzkopfs Sopran war rechteigentlich ein lyrischer, von zarter Faktur, und ist es immer geblieben. Der Stimmenkenner Legge erkannte auch dies und riet ihr, sich auf wenige Partien zu beschränken. Ganz den Rat Titta Ruffos beherzigend, sich im Zenit der Karriere auf fünf oder sechs Rollen zu beschränken, diese aber bis ins letzte stimmliche und dramatische Detail auszufeilen. Im Fall Schwarzkopfs bedeutete dies, dass sie ihr Bühnenrepertoire auf drei Mozart-Rollen – Fiordiligi, Donna Elvira und Gräfin Almaviva – und zwei Strauss-Partien – Marschallin und „Capriccio“-Gräfin – sowie Alice in Verdis „Falstaff“ begrenzte. In diesen Rollen hat sie allerdings Maßstäbe gesetzt, vor allem als Marschallin, nachzuprüfen in der epochalen Einspielung unter Herbert von Karajan.

Gerne hätte sie auch andere Rollen auf der Bühne gesungen, Strauss’ Ariadne etwa, aber kein Opernhaus der Welt war bereit, die verlangten drei Wochen Proben und die Dirigenten der Wahl zur Verfügung zu stellen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma fand sie in der Schallplatte und machte wie keine zweite Sängerin des letzten Jahrhunderts die imaginäre Klangbühne zu ihrem Betätigungsfeld. Erklärtes Ziel war es nach Legge, „bessere Resultate zu erzielen, als normalerweise bei öffentlichen Aufführungen möglich“ sind. Es sollte das geboten werden, „was ein Künstler unter bestmöglichen Bedingungen zu geben imstande war“. Angeleitet von dem Perfektionismus ihres Ehemannes, wurde sie im Studio zu einer Zauberin der Detailarbeit und sang Aufnahmen, die bis heute ihren überragenden Status nicht eingebüßt haben. Dazu zählen unter anderen die schon erwähnte „Ariadne“, eine Modellinterpretation exemplarischen Strauss-Gesangs, und, nach eigenem Bekenntnis, „Hänsel und Gretel“. „Das ist nicht nur technisch, sondern auch künstlerisch eine der besten Aufnahmen. Humperdinck hat hier eine Mischung aus normalen Gesangsstimmen und Stimmen, die Kinderstimmen nachahmen, geschrieben. Die verschiedenen Stimmalter müssen dabei im Klang zu hören sein. Und das ist uns gelungen.“

Und da ist es wieder. Dieses absolute Bekenntnis zum Klangsingen. Wobei Klang für Schwarzkopf immer auch Farbe meint. „Farbe ist ein Teil des Klangs. Ein Unterpunkt sozusagen. Tempo und Lautstärke sind vorgeschrieben, die darf man nicht ändern. Aber die Farbe kommt alleine vom Sänger. Man muss das Stück, das man vor sich sieht, ausfühlen. Und das geschieht mit dem Klang. Einem Klang, der die Idee des Komponisten wahr und rein zum Ausdruck bringt.“

Immer wenn es um den Klang geht, gibt es für Schwarzkopf keine Kompromisse. Es gibt kein schön oder hässlich, es gibt nur wahr oder falsch. Vor allem in den zahlreichen Liedinterpretationen – als prominente Begleiter fungierten neben dem bereits erwähnten Michael Raucheisen unter anderen Wilhelm Furtwängler, Geralde Moore, Alfred Brendel und Geoffrey Parsons – wird dieses Charakteristikum ihres Singens deutlich. „Mein ganzes Leben lang habe ich nichts anderes gemacht, als an der Schönheit und Wahrheit des Klanges zu arbeiten, am Stil und am Ausdruck.“ Gerade diese bewusste Gestaltungskunst ist es, die, ähnlich wie bei Dietrich Fischer-Dieskau, oft gegen die Sängerin ins Feld geführt wurde. Doch selbst wenn sie, wie etwa im „Italienischen Liederbuch“ von Wolf, mit jähen Farb-wechseln und Vokalverfärbungen agiert – anders als der Bariton-Kollege versucht Schwarzkopf den Sinn der Lieder stets mit Farben, nicht mit Wortakzentuierungen deutlich zu machen –, bleibt ihr Ausdruck immer ein grundlegend musikalischer. Ihre Aufnahmen der „Vier letzten Lieder“ Lieder von Strauss etwa – klangtechnisch besser unter Otto Ackermann, subtiler unter George Szell – sind Jahrhundertinterpretationen – trotz der Konkurrenz von Norman und della Casa.

Ebenso unübertroffen sind ihre Operettenaufnahmen – unter Ackermann, von Matacic und Karajan – mit dem kongenialen Nicolai Gedda als Tenorpartner. Schwarzkopfs aristokratische Noblesse, der jede rührselig-kitschige Gefühligkeit fern ist, bedeutet geradezu eine Apotheose der Gattung. Zudem waren diese Rollen für Schwarzkopf so etwas wie Urlaub von den schweren Strauss- und Mozart-Partien. „Bei der Operette darf man sich als Sänger mehr Freiheiten nehmen. In der Phrasierung, der Betonung und in der Wahl des Klanges hat man eine größere Bandbreite als in der Oper.“

Im Dezember 1971 schließlich stand Schwarzkopf zum letzten Mal auf der Opernbühne, als Marschallin im „Rosenkavalier“. Bis zum Tod ihres Mannes 1979 folgten noch einige Liederabende, dann zog sie sich als Sängerin endgültig aus der Öffentlichkeit zurück. Ihre Begründung ist dabei ebenso einfach wie erschütternd: „Singen? Nach dem Tod meines Mannes ist das für mich uninteressant geworden.“ Aber noch über seinen Tod hinaus sollte Legge das Leben seiner Frau bestimmen, wie er es ihre ganze Karriere hindurch bereits getan hatte. Denn weitsichtig wie er war, und niemand wusste besser als er, dass man als Sänger nicht ewig auf der Bühne stehen konnte, hatte er für Schwarzkopf längst den Weg zum Unterrichten geebnet.

Als „neues Leben“ hat sie die Tätigkeit als Pädagogin einmal bezeichnet, und bis heute übt sie diese aus. Ihre Erfahrungen zu kultivieren und an junge Menschen weiterzugeben, ist ihr dabei besonders wichtig, denn „die Kunst des Singens bröckelt allmählich ab“. Das Wichtigste, was sie ihren Schülern beizubringen versucht, wen wundert es, ist es, „den Klang ihrer Stimme zu finden. Es handelt sich rechteigentlich nur um den Klang und wie man ihn in den verschiedenen Rollen einsetzt. Deshalb arbeite ich viel mit Mozart. Denn das ist die Schule aller Schulen.“ Solange sie noch dazu in der Lage ist, will sie ihr ganzes Können und Wissen an die jüngeren Generationen weitergeben. Und es ist wahrlich viel, was sie zu geben hat.

Biographie

9.12.1915 In Jarotschin (Posen) geboren

1922 Erster Klavierunterricht

1925 Unterricht auf Bratsche und Orgel

1932 Gesangsunterricht an der Berliner Musikhochschule in der Klasse von Lula Mysz-Gmeiner

1938 Debüt am Deutschen Opernhaus in Berlin

1941 Beginn der Zusammenarbeit mit der Sängerin und Musikpädagogin Maria Ivogün

1942 Vier Liederabende im Beethovensaal Berlin mit Michael Raucheisen und Debüt an der Wiener Staatsoper

1947-51 Gastspiele der Wiener Staatsoper in der Covent Garden Opera in London

1948 Debüt an der Mailänder Scala mit der „Figaro“-Gräfin

1951 Debüt in Bayreuth als Eva in den „Meistersingern“, Teilnahme an der Uraufführung von Strawinskys „The Rake’s Progress“ und USA-Debüt mit einem Recital in New York

1952 Teilnahme an der Uraufführung von Conrad Becks „Der Tod zu Basel“

1953 Teilnahme an der Uraufführung von Carl Orffs „Trionfo di Afrodite“ und Heirat mit Walter Legge

1971 Abschied von der Opernbühne mit der Marschallin im „Rosenkavalier“

1975 Abschiedstour durch die USA

1979 Vollständiger Rückzug aus dem Konzertwesen nach dem Tod ihres Mannes; weiterhin musikpädagogische Tätigkeit, z. B. an der Juilliard School

1981 Regie im „Rosenkavalier“ am Théâtre de la Monnaie in Brüssel