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Dem Vergessen entrissen: der Regisseur Peter Pewas

5. Juli 2011

Kaum einer kennt ihn - doch Peter Pewas gehört zu den großen Filmregisseuren des deutschen Kinos. Vereinzelt sind seine Filme bei Festivals aufgeführt worden. Nun kann sie sich jeder anschauen - auf DVD.

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Szene aus dem Peter Pewas Film 'Der verzauberte Tag' (Foto: absolut Medien GmbH)
"Der verzauberte Tag"Bild: Absolut Medien/Kurt Wunsch

Dies ist sicherlich eine der verdienstvollsten DVD-Editionen der letzten Jahre. Zu entdecken für das Heimkino ist der Regisseur Peter Pewas. Die deutsche Kinogeschichte muss nicht umgeschrieben werden, wohl aber gibt es einen neuen Akzent hinzuzufügen. Peter Pewas dürfte selbst einer interessierten Kinoöffentlichkeit kaum bekannt sein. Findige Filmwissenschaftler hatten Teile seines schmalen Werks Ende der 1970er Jahre schon einmal ausgegraben, 1981 hatten die Berliner Filmfestspiele Pewas mit einer Hommage geehrt. Kurz vor seinem Tod 1984 bekam Pewas noch das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.

Start mit Filmplakaten

Wer also war dieser Peter Pewas? Geboren 1904 in Berlin, besucht er das Bauhaus in Weimar und arbeitet als Werbegrafiker, macht sich vor allem als Gestalter avantgardistischer Filmplakate einen Namen. Erste Filmversuche - Pewas dreht Anfang der 1930er Jahre ohne Auftrag mit einer Handkamera auf dem Alexanderplatz - führen 1934 zu einer Festnahme und einer kurzen Haft. Trotzdem gelingt es Pewas später als Student an der Filmakademie in Babelsberg aufgenommen zu werden. Er arbeitet zunächst als Regieassistent. Nach einigen Kurzfilmen dreht er 1943 den ersten seiner nur drei Spielfilme: "Der verzauberte Tag".

Szene aus dem Peter Pewas Film 'Der verzauberte Tag' (Foto: absolut Medien GmbH)
Das ist nicht der richtige Ehemann - "Der verzauberte Tag"Bild: absolut Medien GmbH

Mitten im Krieg schuf der junge Pewas hier einen deutschen Film, der so gar nichts mit Propaganda und Wehrertüchtigung, mit Heldentum und Deutschtümelei zu tun hatte. "Der verzauberte Tag" erzählt die Geschichte einer Kioskverkäuferin auf der Suche nach der großen Liebe. Der auserwählte Ehemann entpuppt sich als spießiger Buchhalter, ihr Glück findet die junge Frau nach einigen dramatischen Wendungen schließlich bei einem Künstler.

Meister der Stimmungen

Doch war es nicht in erster Linie die Handlung, die den Film "Der verzauberte Tag" aus dem damaligen deutschen Kino heraushob. Peter Pewas war ein Meister der Bilder. Ein filmisch denkender Regisseur im besten Sinne. Wie er Stimmungen und Atmosphäre auf die Leinwand zauberte, wie er und sein Kameramann Georg Krause ein Spiel aus Licht und Schatten entfachten, der Handlung einen lyrisch, sanften Ton gaben und die Protagonisten mit leisen Zwischentönen ausstatteten - das kannte man so nicht im deutschen Kino. Hier sind deutlich französische, aber auch amerikanische Vorbilder auszumachen.

Peter Pewas (Foto: absolut Medien GmbH)
Peter PewasBild: Absolut Medien

Der Film musste Goebbels und seine Schergen erzürnen. Und das tat er. Zwar wurde "Der verzauberte Tag" nicht offiziell verboten, doch mehr oder weniger aus den Kinos verbannt. "Kulturbolschewismus" nannte man das damals. "Man warf mir sogar vor, meine Halbdunkelbilder würden an 'jüdische Straßen' erinnern", so Peter Pewas später über die Anklagen. Erst 1951 wurde dieser ungewöhnliche Film in der Bundesrepublik aufgeführt.

Filme für die DEFA

Nach dem Krieg - Pewas ist für kurze Zeit unter anderem Bürgermeister in Berlin-Wilmersdorf und engagiert sich für den Wiederaufbau der deutschen Filmindustrie - dreht er zunächst Kurzfilme für die DEFA. Sein zweiter Spielfilm "Straßenbekanntschaft" entstand dann in den Jahren 1947/48, ein sogenannter "Aufklärungsfilm" über die Gefahren von Geschlechtskrankheiten im Auftrag der Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen der DDR. Auch dieser Film ist nicht das, was sich die Auftraggeber davon erwartet haben. Pewas unterläuft abermals ideologische und staatstragende Vorgaben.

Wieder ist es die Form, die den Film heraushebt: die Bilder sind düster und stimmungsvoll, die Geschichte wird mit einem melancholischen, atmosphärisch aufgeladenen Ton erzählt. Auch "Straßenbekanntschaft" ist - zumindest in der ersten Stunde - reines Kino: poetisch, intensiv, stimmungsvoll.

Szene aus dem Peter Pewas Film 'Straßenbekanntschaft' (Foto: absolut Medien GmbH)
Seltene Bilder: Feiern nach dem 2. Weltkrieg - "Straßenbekanntschaft"Bild: Absolut Medien

Doch auch bei der DEFA kann Pewas nicht Fuß fassen. Man spürt wohl, dass hier einer hinter der Kamera steht, der sich nicht vereinnahmen und als Handlanger für irgendwelche Ideologien einsetzen lässt. Das hat natürlich Folgen für den Regisseur. In den Jahren darauf kann er lediglich einige Kurzfilme realisieren.

Rückkehr in den Westen

Enttäuscht geht er in den Westen Deutschlands, versucht dort wieder Anschluss zu finden. Erst Mitte der 1950er Jahre kann er seinen dritten Spielfilm realisieren - es sollte sein letzter bleiben. "Viele kamen vorbei", die Geschichte eines verhängnisvollen Autostopps und eines Mörders, der sein Unwesen an Autobahnen und Raststätten treibt, lebt ebenso von seiner innovativen Bildgestaltung wie Pewas frühere Filme. Gedreht hat der Regisseur ihn nicht wie damals üblich in Ateliers, sondern draußen, an Originalschauplätzen. Im kommerziell geprägten Klima des westdeutschen Nachkriegskinos, das von Heimtatfilmen und Liebesschnulzen dominiert wird, bleibt er ein Außenseiter. "Viele kamen vorbei" wird lange sträflich unterschätzt, erst Jahrzehnte später erkennt man seine visuelle Kraft und künstlerische Klasse.

Cover der Peter Pewas DVD-Edition (Foto: absolutmedien)
Peter Pewas auf DVDBild: www.absolutmedien.de

Einen weiteren Spielfilm wird Pewas nicht mehr realisieren können. Als zu risikoreich gilt seine Arbeitsweise und künstlerische Radikalität für die Produzenten. Und auch während des Bildersturms durch den Neuen Deutschen Film wird die singuläre Regiepersönlichkeit Peter Pewas nicht anerkannt. Nur noch ein paar Kurzfilme kann er realisieren, Werbestreifen, auch darunter sind ein paar filmische Perlen.

Wiederentdeckung kurz vor dem Tod

Enttäuscht zieht sich der Regisseur schließlich nach einem letzten Kurzfilm 1971 ins Privatleben zurück, malt in seiner Hamburger Kellerwohnung Bilder, lebt von der Sozialhilfe. Die Wiederentdeckung seines Werks bekommt er noch mit, doch lange kann er sich an den späten Ehrungen nicht mehr erfreuen, 1984 stirbt Peter Pewas. Seine Filme aber leben weiter, und es ist das Verdienst einiger Filmwissenschaftler und eines mutigen DVD-Anbieters, die das schmale, aber gewichtige Oeuvre nun auf zwei DVDs präsentieren und den Filmregisseur Peter Pewas nun noch einmal dem Vergessen entreißen.

Peter Pewas: Filme 1932 - 67, u.a. "Der verzauberte Tag" und "Straßenbekanntschaft" sowie einige Kurz- und Werbefilme. "Viele kamen vorbei" ist in der Edition aus lizenzrechtlichen Gründen nicht dabei. Zu den Extras zählen unter anderem eine sehr bewegende Dokumentation mit einem Interview, dass Wolfgang Fischer kurz vor dem Tod des Regisseur aufgenommen hat. DVD-Anbieter: absolut medien.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Petra Lambeck