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"Never sorry" – Ein Film über Ai Weiwei

29. April 2011

Seit dem 3. April ist der chinesische Künstler Ai Weiwei verschwunden. Ai ist Opfer einer regelrechten Verhaftungswelle gegenüber Regimekritikern. Regisseurin Alison Klayman bringt einen Dokumentarfilm über ihn heraus.

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Portrait von Ai Weiwei (Foto: Tobias Hase,dpa)
Künstler, Polit-Aktivist und seit Anfang April Häftling an unbekanntem OrtBild: picture alliance/dpa

Noch kann man im Internet nur einen knapp fünf minütigen Trailer sehen - ein Vorgeschmack auf den ersten abendfüllenden Dokumentarfilm über Ai Weiwei. Unter dem Titel "Never sorry" soll er in den nächsten Monaten in die Kinos kommen. Hunderte Stunden Videomaterial hat die amerikanische Filmemacherin Alison Klayman in den vergangenen zwei Jahren mit Ai Weiwei aufgenommen. Durch die Verschleppung Ai Weiweis hat dieses Material jetzt zusätzlich an Bedeutung gewonnen.

Eine Aktivistin von Amnesty International hält am Samstag (16.04.2011) am Pariser Platz in Berlin ein Schild mit der Aufschrift "Where is Ai Weiwei ???". (Foto: Florian Schuh dpa)
Seit Wochen kein LebenszeichenBild: picture alliance / dpa

Im Interview mit DW-WORLD.DE zeigt sich Klayman überzeugt, dass es eine sehr kraftvolle Dokumentation wird. "Es ist wirklich ein Blick auf sein Leben während der letzten zwei oder drei Jahre – hinführend auf das, was jetzt geschehen ist. Ai Weiwei ist eine außergewöhnliche Person. Und ihn zu sehen, erzählt viel über China."

Grenzgänger zwischen Kunst und politischer Aktion

Ai Weiwei hat konsequent die Grenzen zwischen Kunst und politischer Aktion überschritten. Zum Beispiel mit seinen Recherchen nach dem Erdbeben in der Provinz Sichuan im Jahr 2008. Damals waren auffallend viele Schulgebäude eingestürzt - wegen schlechter Bauqualität. Ai Weiwei sammelte die Namen getöteter Schüler, sprach mit ihren Eltern. Es entstanden ein erschütternder Film und eine Ausstellung in München. Klayman begleitete Ai bei Reisen nach Sichuan. Ihr Film bezeugt auch Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Der international bekannte chinesische Künstler und Architekt Ai Weiwei liegt am 16.09.2009 im im Klinikum Großhadern in München. Nach Schlägen durch chinesische Sicherheitsleute ist Ai Weiwei in München wegen einer Gehirnblutung operiert worden. (Foto: dpa)
Gehirnblutung nach Schlägen von PolizistenBild: picture alliance/dpa

"Ich glaube, für ihn bedeutet das Künstlerdasein, sich mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und ein effektiver Kommunikator zu sein", erklärt Klayman. "Es bedeutet, immer nach dem besten Weg zu suchen, seine Ideen und Gedanken auszudrücken und seine Stimme zu finden."

Ein öffentliches Leben

Ai Weiwei hat sein Leben konsequent öffentlich gemacht. Er hat seine staatlichen Verfolger und Beobachter gefilmt. Er hat sich mit Polizisten im Aufzug fotografiert. Er hat die Überwachungskameras vor seinem Pekinger Studio in Marmor nachgebildet. Hat sich in einem Münchner Krankenhaus mit einer Operationsnarbe fotografiert, nachdem er wegen der Schläge durch chinesische Polizisten behandelt werden musste. Und er hat all dies permanent ins Internet gestellt, hat gebloggt und getwittert.

Das "soziale System" Ai Weiwei

Das neu erbaute Atelier HONG FANGZI (红房子, Rotes Haus) des chinesischen Künstlers AI Weiwei in Shanghai wurde am Dienstag, 11.01.2011, abgerissen. Ai Weiwei hat den Abriss dokumentiert und dagegen protestiert. Der Künstler war im Dezember vorübergehend in Peking unter Hausarrest gestellt worden, als er angekündigt hatte, den behördlich veranlassten Abriss mit durch ein künstlerisches Happening zu einem gesellschaftlichen Ereignis machen zu wollen.
Die Behörden zeigen Härte - Abriss von Ai Weiweis Studiokomplex in ShanghaiBild: Ai Weiwei

Alison Klayman verweist auf zigtausende Internetfans von Ai Weiwei in China und ergänzt: "Einer meiner Interviewpartner hat ihn einmal als 'soziales System' beschrieben." Ai Weiwei hatte sehr viele freiwillige Helfer und Angestellte. Alison spricht deshalb von einer großen Reichweite des Künstlers. Deshalb gehe es bei der Verfolgung von Ai Weiwei um etwas Größeres, als einfach nur darum, eine Person zu verhaften.

Alison Klayman selbst hatte während ihrer Dreharbeiten zwar nicht mit Repressionen zu kämpfen. Aber sie konnte verfolgen, wie sich die Haltung der Behörden gegenüber Ai verhärtete. Ai Weiwei spricht in dem Film seine Sorgen an; seine Mutter ist zu sehen und zu hören: Sie drückt ihre Angst um den Sohn aus.

Von der Verhaftung überrascht

Dennoch war Klayman von der Verhaftung des Künstlers überrascht: "Man konnte die Verhaftung nicht vorhersagen." Klayman ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Ai Weiwei nur einer von Vielen ist, die in jüngster Zeit verhaftet wurden und über deren Verbleib man nichts weiß. "Er sollte für uns etwas Größeres repräsentieren. Er steht dafür, dass es noch mehr Verhaftete gibt als nur ihn."

Sicherheitskräfte stehen vor dem verschlossenen Tor des Studios von Ai Weiwei in Peking. (AP Photo/Ng Han Guan)
Wovor hat Peking Angst? Sicherheitskräfte vor Ai Weiweis Studio in PekingBild: AP

Zurzeit schneidet Alison Klayman ihren Dokumentarfilm in New York. In ihrem Kalender steht noch ein Termin, eingetragen vor der Verhaftung: Sie wollte Ai Weiwei in diesen Tagen eine Rohfassung des Films zeigen. In den nächsten Monaten wird „Never sorry" in die Kinos kommen.

Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Friederike Schulz