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110. Deutscher Wandertag

5. August 2010

Egal ob Volkswandern, Sportwandern, Nordic Walking, Nachtwandern oder Barfußwandern – Wandern wird immer beliebter. Nach Jahren der Flaute hat jetzt eine Trendwende eingesetzt zu mehr Freizeitaktivitäten im Freien.

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Die Schuhe eines Wanderes stehen verlassen auf einer Gebirgswiese (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zum 110. Mal treffen sich Wanderfreunde aller Altersgruppen beim Deutschen Wandertag, der diesmal im Freiburg im Breisgau stattfindet. Eingeladen hat der Deutsche Wanderverband. Es werden rund 50.000 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet.

Die Branche boomt

Wegdarstellung im Inernet: Auf der Seite stellt der Deutsche Wanderverband 76 Wanderwege von Amrum bis Zittau vor (Foto: AP)
Wegdarstellung im InternetBild: AP

Die Tourismusindustrie bietet alles, was der Wanderer von heute so braucht, angefangen bei modernster Funktionskleidung bis hin zu einem speziellen GPS-Gerät, damit sich niemand im Wald verläuft. Dazu kommt ein geschicktes Wegemanagement, das mit "Premiumwegen" und "Traumpfaden" wirbt. In Wander-Blogs im Internet können Erlebnisse geschildert und Erfahrungen ausgetauscht werden. Die vielen Angebote werden gern angenommen. Rund 40 Millionen Deutsche begeistern sich nämlich inzwischen wieder für das Wandern.

Wandernde Gesellen - auf der Walz (Foto: DW)
Gesellen auf der WalzBild: DW

Das war nicht immer so. Gerade in Deutschland hat das Wandern eine sehr wechselvolle Geschichte. In früheren Zeiten waren Handwerker "auf der Walz", um neue Erfahrungen zu sammeln, Arbeitssuchende oder Händler mussten oft aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen und woanders neu anfangen. Das Wandern als Freizeitbeschäftigung wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts populär. In Süddeutschland entstanden Heimatvereine, die die Natur durch Wanderwege, Wegweiser, Karten und Schutzhütten erschlossen.

Der Wandervogel

'Tanzende Wandervögel' - Postkarte Wandervogel (Foto: Bilderamt Berlin 1925)
Postkarte "Tanzende Wandervögel"Bild: DHM

Zu derselben Zeit entdeckten Schüler und Studenten in Berlin die freie Natur als Möglichkeit, der städtischen Enge und Reglementierung zu entkommen. Die Wanderaktivitäten der Jugendlichen wurden organisiert – der "Wandervogel" als Verein war gegründet. Dazu kam eine Reformpädagogik, die auf Selbstentfaltung und Loslösung von bestehenden Normen setzte: Der "Wandervogel" wurde zur Jugendprotestbewegung, die bis weit in das 20. Jahrhundert ausstrahlte. Man zog hinaus in die Natur, die Gitarre unterm Arm und entdeckte alte Volkslieder neu. Die wurden im "Zupfgeigenhansl" gesammelt, dem bis heute berühmtesten Wanderliederbuch.

Vom Wandervogel zur Hitlerjugend

Nazi-Propagandafoto: Mitglied der nationalsozialistischen Hitlerjugend, beim Schlagen seiner Trommel (Foto: dpa)
HitlerjugendBild: dpa

Der "Wandervogel" warf lange Schatten in die Zukunft voraus. Die Entdeckung des "Führertums" und der "Gefolgschaftstreue" – bei den Wandervögeln zunächst völlig unpolitisch gemeint – bot sich in der Zeit nach 1933 geradezu an für einen Missbrauch durch die Nationalsozialisten. Der "Wandervogel" ging fast nahtlos in die "Hitlerjugend" über. Auch hier ging es um "völkisches Bewusstsein" und die Heranbildung eines "wehrhaften, gesunden deutschen Menschen". Die alten Volks- und Wanderlieder aus dem "Zupfgeigenhansl" wurden jetzt dazu missbraucht, vor allem junge Leute auf die politischen Ziele der Nationalsozialisten einzuschwören.

Kein Wunder, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr möglich war, an die Tradition der deutschen Volkslieder, aber auch an die des Wanderns wieder anzuknüpfen. Die anschließende Flaute dauerte mehrere Jahrzehnte. Erst in den späten 80er Jahren bahnte sich eine Trendwende an. Der Grund dafür sei, dass die Menschen wieder die Natur aktiv erleben wollten, erklärt Hans-Ulrich Rauchfuß, der Präsident des Deutschen Wanderverbandes.

Trendwende

Wanderer rasten bei Limbach am Rennsteig im Thüringer Wald (Foto: AP)
Wanderer im Thüringer WaldBild: AP

Heute steht das normale Wandern an erster Stelle. Dann gibt es sportliche Wanderer, die weite Strecken zurücklegen wollen oder solche, für die es um die Geschwindigkeit geht. Für jeden ist etwas dabei und zwar in allen Schwierigkeitsgraden. Neben den alten Pilger- und Wallfahrten sind vor allem "Trecking-Touren" sehr beliebt, wo man abseits markierter Wege unterwegs ist. Aber auch für den etwas bequemeren Wanderfreund ist gesorgt: er kann sich sein Gepäck mit dem Bus ins Hotel nachbringen lassen. Rauchfuß erklärt: "Es gibt viele Themenbereiche, und das ist es auch, worin unsere Wanderführer heute ausgebildet werden, dass die Wanderung nicht nur eine Wanderung von A nach B bedeutet, sondern, dass auch viel erlebt werden kann, viel gesehen werden kann, erklärt werden kann, und dass das Ganze spannend und bereichernd wird."

Autorin: Gudrun Stegen

Redaktion: Marlis Schaum