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Ein russisch-orthodoxer Priester in Deutschland

5. April 2010

Was haben ein Serverraum und ein Altar, ein Computer und eine Ikone gemeinsam? Sie sind feste Bestandteile im Leben eines Priesters, der gleichzeitig IT-Berater ist. Alexej Rybakow - zwischen Beruf und Berufung.

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Russisch-orthodoxer Gottesdienst in der Maria-Obhut-Kirche Düsseldorf. Priester Rybakow und ein Mädchen bei der Beichte im Kirchenflur Foto: Olga Kapustina, Oktober 2009
Beichte im KirchenflurBild: Olga Kapustina

"Ich bin IT-Ingenieur und gleichzeitig orthodoxer Priester", so stellt sich Alexej Rybakow gern vor. Tagsüber hilft der 33-Jährige seinen Kunden in ganz Nordrhein-Westfalen, wenn die Computer streiken. Abends und an Feiertagen schlüpft er in sein Priestergewand, um orthodoxe Gläubige zu betreuen. Diese ungewöhnliche Konstellation ist eine Folge der Struktur der russisch-orthodoxen Kirche, für die Rybakow seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet. Hier gibt es nämlich keine Kirchensteuer und deswegen müssen die Geistlichen ihren Lebensunterhalt mit einem Zivilberuf verdienen.

Gottesdienst in der Maria-Obhut-Kirche in Düsseldorf. Bild: Olga Kapustina
Beim Gottesdienst in der Maria-Obhut-KircheBild: Olga Kapustina

Frühe Berufung

Alexej Rybakow stammt aus Riga wo er als zwölfjähriges Kind einen alten Priester kennen lernte, der einen tiefen Eindruck bei ihm hinterließ. "Er hat mir viele spannende Sachen, auch über Religion erzählt. Da habe ich verstanden, dass ich unbedingt Priester werden will", erinnert sich Rybakow. Es folgte ein Studium im Priesterseminar in Weißrussland und die studienbegleitende Ausbildung zum Informatiker. Als einer der besten Absolventen wurde Rybakow ins Ausland geschickt und landete vor zehn Jahren in Bochum. "Ich las die Schilder auf dem Bahnhof und dachte mir, mein Gott, was ist das bloß für eine Sprache?"

Bevor er seinen Traumberuf Priester ausüben konnte musste der damals 23-Jährige allerdings nicht nur Deutsch lernen, sondern auch eine weitere Bedingung erfüllen: denn in der russisch-orthodoxen Kirche darf nur zum Priester geweiht werden wer verheiratet ist oder Mönch. Rybakow gründete also eine Familie.

Kerzenanzünden in der Maria-Obhut-Kirche. Foto: Olga Kapustina
KerzenanzündenBild: Olga Kapustina

Computerhilfe und Seelenrettung

Das Doppelleben ist für Rybakow keine Last: "Ich habe einen Beruf und eine Berufung", sagt er. Als selbständiger Unternehmer kann er über seinen Terminplan unabhängig bestimmen, das schafft Freiräume. Zur Zeit betreut er Computernetzwerke in den Pflegeeinrichtungen "Curata". Wenn er dort im Serverraum sitzt, hat er stets den Kopfhörer seines Mobiltelefons im Ohr – damit Gläubige, die seine geistliche Unterstützung brauchen, ihn auch immer erreichen können: "Meine Kunden haben Verständnis dafür. Sie wissen, dass ich mehrspurig bin. Ich kann gleichzeitig Computerdaten und eine menschliche Seele retten!"

Vater Alexej stehe mitten im modernen Leben und gleichzeitig in den Traditionen der Kirche, sagt Rybakows Kollege, Ipodiakon Nikolaj Thon: " Es ist gut, dass wir jemanden haben, der nicht dem alten Klischeebild eines Priesters entspricht ". Auch Thon hat einen Beruf zum Broterwerb. Er arbeitet im nordrhein-westfälischen Schulministerium.

Orthodoxe Trauung mit Priester Rybakow. Bild: Olga Kapustina
Orthodoxe Trauung mit Priester RybakowBild: Olga Kapustina

Orthodoxe Christen in Deutschland

In der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland predigen unter anderem Journalisten, Verkäufer, Architekten, Künstler und sogar Fließbandarbeiter. Die Kirche boomt derzeit hierzulande. Es gibt mittlerweile etwa hundert Kirchen und kirchlich genutzte Räumlichkeiten und mehr als 250 000 Gläubige. Darunter sind viele Auswanderer aus Osteuropa, die gerade fern der alten Heimat ihren Weg in die Kirche fanden.

Autorin: Olga Kapustina

Redaktion: Cornelia Rabitz