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Sonnenkraft für eine Schule im Westjordanland

7. Dezember 2009

Die Talitha Kumi Schule im Westjordanland ist ein besonderer Ort. Hier lernen Muslime und Christen unter einem Dach. Doch auch auf Umweltschutz wird viel Wert gelegt. Jetzt hat Talitha Kumi ein neues Solardach bekommen.

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Hintereingang Talitha Kumi (Foto:DW)
Für mehr Toleranz - die Schule Talitha Kumi im WestjordanlandBild: DW/Diana Hodali

In neun Reihen stehen nun mannshohe dunkle Platten auf dem Dach der Schule. Sie sind ein Produkt der Initiative "Zukunft für Palästina", die das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr gestartet hat. Die Solaranlage konnte mit finanzieller Hilfe des deutschen Fahrzeugbauers MAN gebaut werden. Schulleiter Georg Dürr ist sichtbar stolz auf die Sonnenkollektoren: "Wir suchen nach Möglichkeiten, wie wir mit der Umwelt gut zusammen leben können, wie wir unseren Komfort nicht nur zu Lasten der Umwelt sicher stellen."

Im Einklang mit der Natur

Georg Dürr, Schulleiter von Talitha Kumi(Foto:DW)
Georg Dürr, Direktor der Schule Talitha Kumi, hilft den Kindern, die Grenzen zu vergessenBild: DW/Diana Hodali

Das Solardach biete eine Möglichkeit, das Schulgebäude zu heizen und gleichzeitig auch warmes Wasser zu bekommen, ohne die Natur zu belasten. Ganz nebenbei kann die Schule auch noch Geld sparen. Im Winter wird es kalt im Westjordanland, und die Häuser sind meist schlecht isoliert. Bei Talitha Kumi machen die Heizkosten einen großen Teil der Betriebskosten aus, und die gilt es, gering zu halten. Denn die Privatschule ist von Spenden abhängig und jeder Euro zählt.

Der Name Talitha Kumi stammt aus dem Aramäischen und heißt übersetzt so viel wie "Mädchen, steh auf". Es ist eine christliche Schule, gegründet vor mehr als 150 Jahren von deutschen Schwestern. Damals sollten vor allem Mädchen eine Chance auf Bildung bekommen.

Gemeinsam für mehr Toleranz

Schülerinnen von Talitha Kumi (Foto:DW)
Muslime und Christen werden hier gemeinsam unterrichtetBild: DW

Heute lernen in Talitha Kumi rund 900 Jungen und Mädchen vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse, unterstützt von Lehrern aus Deutschland und dem Westjordanland. Die wollen ihren Schützlingen neben Formeln und Fakten auch demokratische Werte wie Toleranz vermitteln. Gelegenheiten dafür gibt es im Schulalltag genügend, denn die Kinder Talitha Kumis kommen sowohl aus christlichen, als auch aus muslimischen Familien. Das gemeinsame Lernen mache vieles einfacher, sagt Schülerin Saja Abassi, weil es der Lebenswirklichkeit entspricht. "Schließlich wohnen in Palästina sowohl Christen als auch Muslime." Saja Abbassi besucht in Talitha Kumi die neunte Klasse. Sie ist Muslimin und wohnt in Jerusalem, ihre Muttersprache ist arabisch. Aber auch deutsch und englisch spricht die 14-Jährige schon fast fließend. Auf diese Sprachen wird hier viel Wert gelegt und schon Drittklässler lernen deutsch. Später, wenn die Schüler deutsch und englisch noch besser beherrschen, werden auch andere Fächer wie Chemie oder Mathematik in einer dieser Sprachen unterrichtet. Doch Talitha Kumi und deren Schützlinge stehen vor noch viel größeren Herausforderungen als drei Sprachen zu verstehen.

Ein Leben wie im Gefängnis

Talitha Kumi Hintereingang Mauer (Foto:DW)
Blick aus dem Fenster - hinter der Schule ragt die riesige graue Mauer in den HimmelBild: DW/Diana Hodali

Beobachten kann man das auf dem Pausenhof. Der Hof ist riesig, gesäumt von Pinien- und Olivenbäumen, mit traumhafter Aussicht über die hügelige Landschaft. An klaren Tagen kann man von hier die Häuser Jerusalems erkennen. An allen anderen reicht es, um auf die Mauer und ihre Checkpoints zu blicken, die sich durch das Westjordanland schneiden. Die Mauer ist allgegenwärtig, auch für Saja, die sie täglich auf ihrem Heimweg von Talitha Kumi nach Jerusalem überqueren muss: "Manchmal ist es schwer, denn es gibt nette Soldaten, aber auch solche, mit denen es schwierig ist."

Viele Schüler fühlen sich wie in einem großen Gefängnis. Schulleiter Georg Dürr weiß, dass das auch das Lernen und Lehren beeinflusst: "Sehr viel von dem Denken ist gegen die Mauer gerichtet. Wir investieren sehr viel Energie, die Mauer nicht unser tägliches Leben bestimmt zu lassen."

Grenzen vergessen

Dafür gibt es einen Chor, ein Orchester, eine Kletterwand und regelmäßig Wettkämpfe in Sport und Wissenschaft. Die Schüler wissen das offenbar zu schätzen, denn viele haben sich trotz des nervenaufreibenden Schulwegs über die Checkpoints für Talitha Kumi entschieden. Saja zum Bespiel weiß, dass sie hier fit gemacht wird für die Zukunft. Eine Zukunft, für die sie konkrete Vorstellungen hat: Ein Studium in Deutschland soll es schon sein, denn da seien ja die Universitäten viel besser. Und danach? "Zurück kommen", sagt sie fest entschlossen, "denn meine Eltern sind hier und meine ganze Familie. Ohne sie kann ich nicht leben."

Autorin: Anja Koch

Redaktion: Michaela Paul