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Wahlverhalten von Migranten

21. September 2009

Die Bundestagswahl rückt immer näher. 62,2 Millionen Bundesbürger sind berechtigt, ihre Stimme abzugeben. Fast neun Prozent der Wahlberechtigten haben einen Migrationshintergrund. Welche Parteien werden sie wählen?

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Bundeskanzlerin Angela Merkel umgeben von Jugendlichen während des Jugendintegrationsgipfels (Foto: AP)
Kann Merkel auf Stimmen der Deutschen mit Migrationshintergrund hoffen?Bild: AP

"Entscheiden Türken die Wahl?" titelte die "Bild"-Zeitung wenige Tage vor der Bundestagswahl 2005, nachdem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD die Redaktion der türkischen Tageszeitung "Hürriyet" besucht hatte. Wohl gemerkt waren mit dieser Frage nur diejenigen gemeint, die auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Denn nur sie sind laut Grundgesetz wahlberechtigt.

Insgesamt waren bei der Wahl 2005 rund 600.000 türkisch-stämmige Deutsche berechtigt, ihre Stimme abzugeben. Sie gehören zu einem immer größer werdenden Kreis von Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund. Insgesamt umfasst diese Gruppe für die Bundestagswahl am 27. September 2009 rund 5,6 Millionen Menschen - ein nicht unerhebliches Wählerpotenzial.

Zusammensetzung der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund bei der Bundestagswahl 2009 (Grafik:DW)
5,6 Millionen Wahlberechtigte haben einen Migrationshintergrund

Kein einheitliches Wahlverhalten

Andreas Wüst vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung untersucht seit Jahren das Wahlverhalten von Eingebürgerten und Migranten. Zwei Gruppen lassen sich hinsichtlich des Wahlverhaltens unterscheiden. Es gibt die Gruppe der Aussiedler aus Russland und Osteuropa und andererseits ausländische Arbeitnehmer aus Südeuropa und aus der Türkei.

Die Ergebnisse aus Wüsts Untersuchungen zeigen: Aussiedler und ihre Nachkommen tendieren zur CDU/CSU. Bei den ausländischen Arbeitnehmern aus Südeuropa und ihren Nachkommen besteht eine starke Präferenz für linke Parteien, primär für die SPD.

Das resultiert zum einen aus der unterschiedlichen Politik der Parteien. Während CDU/CSU stets eine aussiedlerfreundliche Politik betrieben, haben sich SPD und Grüne verstärkt für die Integration von ausländischen Arbeitnehmern und für die Belange von Asylsuchenden eingesetzt.

Zum anderen spielen vielfältige Faktoren wie die ehemalige Staatsangehörigkeit, die Konfession, die Berufsgruppenzugehörigkeit, der Integrationsgrad und eine Gewerkschaftsmitgliedschaft bei der Entscheidung für eine bestimmte Partei eine Rolle.

Insbesondere Russland- und Rumäniendeutsche haben bisher Parteien mit sozialistischem Hintergrund eher gemieden - ein weiterer Grund weshalb sie zu CDU/CSU tendierten.

Religion spielt eine große Rolle

Fußgänger in Berlin-Kreuzberg (Foto:AP)
Deutsch-Türken würden SPD wählenBild: AP

Die religiöse Prägung ist ein weiterer Faktor, der parteipolitische Präferenzen erzeugt. Das führt beispielsweise dazu, dass Wahlberechtigte mit polnischen Wurzeln häufiger die Union wählten.

Bei der muslimischen Bevölkerung spielt die religiöse Prägung ebenfalls eine große Rolle - mit anderem Ergebnis. Nach Angaben des Islamarchivs in Soest würden 35 Prozent der muslimischen Bevölkerung die SPD wählen, 17,7 Prozent die Grünen. Die CDU liegt hingegen bei knapp vier Prozent. Die christliche Ausrichtung der Union sei mitentscheidend für Muslime, die Partei nicht zu wählen, erklärt Wahlforscher Jürgen Falter von der Universität Mainz. "Außerdem hat die CDU eine zusätzliche Hypothek zu tragen, da sie den Beitritt der Türkei in die Europäische Union strikt ablehnt."

Die Tendenz zur SPD bei Türkischstämmigen erkläre sich auch durch die Gewerkschaftsnähe vieler Migranten, die lange Zeit ausländische Arbeitnehmer gewesen sind, sagt Wüst. Und die stärker werdende Tendenz zu den Grünen sei durch ihren Parteivorsitzenden Cem Özdemir, der türkische Wurzeln besitzt, zu erklären.

"Präferenzen sind nicht in Stein gemeißelt"

Allerdings seien die Präferenzen nicht in Stein gemeißelt, meint Wüst. "Beispielsweise lässt sich bei Aussiedlern und ihren Nachkommen erkennen, dass der Automatismus, die Union zu wählen, etwas abgenommen hat." Auch die SPD kann sich türkisch-stämmigen und südeuropäischen Wählern nicht mehr sicher sein, da die Partei offenbar Probleme hat, diese zu mobilisieren. "Da wird es ganz gezielt darauf ankommen, die Gruppe in den letzten Tagen des Wahlkampfes für den Urnengang zu mobilisieren", meint Wüst.

Autorin: Sabine Schröder

Redaktion: Kay-Alexander Scholz