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Weniger verdient

12. August 2009

Die Reallöhne der Arbeitnehmer sind von 2004 bis 2008 stetig gesunken - eine Entwicklung, die es in diesem Ausmaß nie zuvor in der Bundesrepublik gegeben hat, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

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Eurogeldscheine (Foto: Bilderbox)
Davon ist immer weniger bei den Arbeitnehmern angekommenBild: Bilderbox

Die deutschen Arbeitnehmer haben in den vergangenen Jahren erstmals während eines Wirtschaftsbooms weniger verdient. Während die Löhne seit 2003 unter dem Strich sanken, stiegen die Einkünfte von Unternehmern und Kapitalanlegern, teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwoch (12.08.2009) in Berlin mit. Arbeitnehmer würden zudem im Vergleich zu Arbeitgebern - und auch Beamten - stärker mit Abgaben belastet.

Die Lohnsteigerungen von 2003 bis 2008 seien durch die Inflation aufgefressen worden, schreiben die Autoren der DIW-Studie. Jahr für Jahr sei den Arbeitnehmern daher weniger Geld zum Leben übrig geblieben. Zunächst habe eine Senkung der Löhne die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt. Einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik sei aber, dass die Löhne hierzulande auch nach dem Aufschwung, der im Jahr 2004 eingesetzt hatte, weiter gesunken seien.

Lohnquote auf Rekordtief

Sitz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in der Mohrenstraße, Berlin (Foto: picture-alliance)
Sitz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in BerlinBild: picture-alliance

In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren die Realeinkommen der Deutschen dagegen nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes erstmals wieder gestiegen. Grund war die niedrige Inflationsrate seit Jahresbeginn. Die aktuelle Rezession könnte die Negativ-Entwicklung der Lohnquote zumindest etwas dämpfen. "Wie in früheren Rezessionen werden auch dieses Mal die Kapitaleinkünfte stärker als die Löhne unter Druck geraten," sagte DIW-Experte Karl Brenke.

Von den Erträgen der deutschen Wirtschaft wurden laut DIW im vergangenen Jahr 61 Prozent als Lohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt, so wenig wie niemals zuvor. Noch im Jahr 2000 hatte die Quote demnach bei 68 Prozent gelegen. Im Gegenzug seien die Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen in den vergangenen fünf Jahren besonders stark gestiegen. Zwar sei eine solche Entwicklung in Boomzeiten normal, sie verlief aber nun laut DIW "rasant".

Wie die Wirtschaftsforscher weiter mitteilten, stieg bei den Arbeitnehmern zugleich die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben. Sie liegt aktuell bei mehr als 50 Prozent. Die Belastungen der Arbeitgeber seien dagegen kaum gestiegen, etwa weil die Lasten bei der Krankenversicherung zu den Arbeitnehmern hin verschoben worden seien. Angestellte und Arbeiter müssten zugleich weit mehr von ihrem Lohn für Steuern und Sozialversicherung abgeben als Beamte, die keine Sozialabgaben zahlen müssen.

Weniger Geld trotz höherer Qualifikation

Ein Mann arbeitet an seinem Schreibtisch (Foto: dpa)
Auch bei höher Qualifizierten blieb von 2004 bis 2008 weniger Netto übrigBild: picture alliance/dpa

Schon in den 80er und 90er Jahren habe es Zeiten gegeben, in denen die Löhne der deutschen Arbeitnehmer gesunken seien, erklärte das DIW. Allerdings habe es in diesen Zeiten keinen Wirtschaftsboom gegeben. Damals hatten den Angaben zufolge vor allem höhere Steuern und Sozialabgaben zu dem Minus bei den Nettolöhnen geführt. Nun aber habe es ein tatsächliches Einkommensminus gegeben.

Besonders bemerkenswert sei, dass die Löhne in Deutschland zurückgingen, obwohl die Menschen hierzulande immer öfter Berufe mit höherer Qualifikation ausübten. Die schwache Lohnentwicklung sei zudem nicht darauf zurückzuführen, dass die Einkommen von gering Qualifizierten gesunken seien. Vielmehr seien die Einkommen aller Berufsgruppen gesunken. Laut der Studie sei zu vermuten, dass "die großen Beschäftigungsprobleme der Unqualifizierten immer wieder herangezogen werden, um Forderungen nach höheren Löhnen generell im Zaum zu halten".

Als einen Grund für den Rückgang der Löhne auch in Boomzeiten nannte das DIW die schwächere Position der Gewerkschaften. So verliere die Industrie, wo die Gewerkschaften traditionell gut organisiert seien, weiter an Bedeutung. Da aber dieser Trend auch in anderen europäischen Ländern existiere, bleibe auffällig, dass die Löhne hierzulande stärker sanken als in vergleichbaren Ländern. "Im internationalen Vergleich ist die Lohnentwicklung außerordentlich schwach", sagte DIW-Experte Karl Brenke. "Dies ist umso bemerkenswerter, als sich die Qualifikation der Arbeitnehmer erhöht hat: Dies hätte eigentlich einen Anstieg der Verdienste erwarten lassen". (we/je/afp/diw/dpa)