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Geschäft mit Organen floriert

23. Juni 2009

Weil sie die Nieren ihrer Kinder verkaufen wollten, stehen zwei Rumänen vor Gericht. Besonders in den armen Regionen des Landes sehen manche den Verkauf von Organen als letzten Ausweg.

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Mehr Bedarf als Angebot - Organhändler treffen auf zahlungskräftige KundenBild: AP

Zwei Familienväter stehen im rumänischen Bacau vor Gericht. Die Anklage lautet auf Organ- und Menschenhandel. Im März wurden Costel Nour und Benone Pavaloaie von der Polizei erwischt, als sie versuchten, die Nieren ihrer Kinder zu verkaufen. Die potenzielle Käuferin: Eine Italienerin, auf der Suche nach einer Spenderniere für ihr todkrankes Kind. Der Preis: 12.000 Euro.

Der Angeklagte Nour will von einem Geschäft nichts wissen und präsentiert eine Geschichte reiner Nächstenliebe: "Ich war bereit, das Leben meines Kindes zu riskieren, um ihr Kind zu retten. Da hat sie gesagt: 'Wenn du so großzügig bist, biete ich die 12.000 Euro, damit du für deine Familie sorgen kannst.'"

Sorge um Ansehen Rumäniens

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Organhandel ist in Rumänien gesetzlich verbotenBild: picture-alliance/dpa

Die Polizei feiert die Festnahme als großen Erfolg. Ein Offizier bei der Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität sagt, es gebe seither weniger Angebote im Internet. Doch wer bei Google Rumänien "Verkaufe Niere" eingibt, stößt noch immer auf tausende Treffer. Der Offizier, der nicht namentlich genannt werden will, betont, bei den beiden Vätern handele es sich um Einzelfälle.

Seine Einheit habe aber Hinweise, dass es eine Organmafia gebe, die Nieren von armen Rumänen ankaufe und dann zu einem höheren Preis weiterverkaufe: "Sie bauen Netzwerke auf, um die Organe sowohl im Inland als auch international zu verkaufen."

Der Fall der beiden Familienväter hat die Behörden aufgeschreckt. Die Kinder der Angeklagten hat das Jugendamt mitgenommen, die Polizei fahndete rund um das Dorf nach verschwundenen Kindern - ohne Ergebnis. Narica Butnaru, die Sprecherin der Polizei in Bacau, sorgt sich um das Ansehen Rumäniens in der Welt und versichert treuherzig, dass so etwas bestimmt nicht mehr vorkommen werde: "Wir haben alle Eltern in Rumänien, die mit dem Gedanken spielen, so eine Tat zu verüben, gewarnt: Das hat schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen."

Organmafia nutzt Armut aus

Auch die Bauern in Ciuturesti, dem Dorf, aus dem die Angeklagten stammen, sind empört. Sie arbeiten schwer, um sich und ihre Kinder durchzubringen: "Die haben Schande über unser Dorf gebracht. Ihre eigenen Kinder zu verkaufen, um sie ausschlachten zu lassen - das ist doch unvorstellbar!", sagt eine Bewohnerin. Ein anderer meint: "Wer arbeitet, kann irgendwie überleben. Auch wenn zurzeit Krise herrscht. Aber in Rumänien ist das nichts besonderes, hier war schon immer Krise. Das sind Taugenichtse."

Rumänien Landwirtschaft Melonenverkauf am Straßenrand
Viele Rumänen leben mehr schlecht als recht von der LandwirtschaftBild: picture-alliance / dpa

In Rumäniens Nordosten sind viele arm, die Menschen leben oft mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft. Der ideale Nährboden für skrupellose Organhändler. Wie viele es sind und wie oft es tatsächlich zu Nierentransplantation kommt, weiß keiner.

Die Chefärztin im Krankenhaus von Bacau kennt mehrere Fälle, in denen Patienten ihre Organe verkaufen wollten. Liliana Daniela Petrescu kann von solchen Geschäften nur abraten: "Es gibt eine hohe Infektionsgefahr. Diese Transplantationen werden häufig in nicht qualifizierten Krankenhäusern durchgeführt. Durch die mangelnde Hygiene kann es sogar zur Infektion des entnommenen Organs kommen. So besteht Lebensgefahr, sowohl für den Spender als auch für den Empfänger."

Eigene Niere verkauft – alles verloren

Petru Puscasu hat am eigenen Leib erfahren, was das bedeutet. Er hat seine Niere vor einigen Jahren für 1.500 Dollar verkauft. Von dem versprochenen Geld hat er allerdings nur eine Anzahlung von 200 Dollar gesehen – dann starb der Käufer. "Ich habe einfach Geld gebraucht, ich hatte kein Holz zum Heizen mehr. Was kann ich jetzt noch tun? Er ist tot und ich bin ein Krüppel. Das war der größte Fehler meines Lebens. Aber ich kann die Uhr nicht mehr zurückdrehen", erzählt Puscasu.

Heute ist Petru Puschkaschu 49 Jahre alt. Seinen Job als Heizer hat er verloren, durch die fehlende Niere wird er schnell müde. Er schlägt sich als Tagelöhner auf dem Bau durch, aber auch das geht auf Dauer über seine Kräfte. Niere weg, Job weg, und das bisschen Geld längst verlebt - beim Organgeschäft hat Petru Puschkaschu nur draufgezahlt.

Autorin: Birgit Augustin
Redaktion: Sandra Voglreiter

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