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Deftige Eintöpfe und kräftiges Brot

Westfälische Gerichte tragen oft kuriose Namen. Gemüse und Eintöpfe spielten früher die Hauptrolle. Fleisch gab es nur an Festtagen. Eine besondere Spezialität ist ein Brot, das einen ganzen Tag im Ofen verbringen muss.

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Zutaten für ein Blindhuhn (Foto: DW)
Zutaten für ein BlindhuhnBild: DW

Steinkohlebergbau, Eisenverhüttung und Landwirtschaft. Das waren lange die vorherrschenden Wirtschaftsbereiche Westfalens. Diese Zeiten sind längst vorbei. Doch man muss sie im Hinterkopf haben, um die klassische westfälische Küche zu verstehen, die aus einfachen Mitteln nahrhafte und kräftige Gerichte für eine hart arbeitende Bevölkerung entwickelte. Heute bekommt man in Ruhrgebiet und Sauerland leichter eine Pizza als einen traditionellen Sauerbraten. Doch es gibt Menschen, die die kulinarischen Klassiker lebendig halten.

Deftiger Gemüseeintopf

Heinrich Wächter (Foto: DW)
Heinrich WächterBild: DW

Heinrich Wächter ist ein Stück westfälisches Urgestein. Dem 59-jährigen Koch fällt beim Stichwort klassische Hausmannskost das "Westfälische Blindhuhn" ein. Auch wenn es so heißt, Huhn ist nicht drin im deftigen Gemüseeintopf mit grünen und weißen Bohnen, wohl aber etwas geräucherter Speck, um dem Ganzen einen intensiveren Geschmack zu geben. Dazu noch Äpfel und Birnen. Die machen den Eintopf frischer und verleihen ihm eine milde Süße. Zuerst kommen die weißen Bohnen: Sie müssen über Nacht eingeweicht werden. Mit Möhren, Zwiebeln und einem guten Stück Speck wird das Ganze 45 Minuten geköchelt. Die Hitze darf nicht zu stark sein, betont Heinrich Wächter. Dann kommen die grünen Brechbohnen hinzu und zum Schluss Äpfel und Birnen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, etwas gehackte Petersilie darüber streuen. Fertig ist das Westfälische Blindhuhn.

Westfalenragout

Zutaten für den Pfefferpotthast (Foto: DW)
Zutaten für den PfefferpotthastBild: DW

Früher besaß Heinrich Wächter ein eigenes Restaurant, heute unterrichtet er angehende Köche in einer Gelsenkirchener Berufsschule. Das Blindhuhn kennt so gut wie keiner seiner Schüler. Den Namen "Pfefferpotthast" aber haben viele zumindest schon einmal gehört. Mit Pfeffer hat das urwestfälische Gericht nichts zu tun, auch wenn der mit in den Topf kommt. "Pott ist der Topf, Hast war früher die Feuerstelle, und Pfeffer heißt das klein geschnittene Fleisch, nicht das Gewürz“, erklärt Heinrich Wächter. Hinzu kommen noch Zitrone und Lorbeerblätter. Und reichlich Zwiebeln, ungefähr genauso viel wie Fleisch. Ein Pfeffer ist eine Art Ragout, betont der Koch, aber es ist weniger geschmort als zum Beispiel ein Gulasch. Den Pfefferpotthast lässt man bei geringer Hitze langsam in der Flüssigkeit vor sich hin köcheln. Die Zwiebeln sorgen für eine sämige Sauce.

Alles wird genutzt

Mit auf die traditionelle Speisekarte Westfalens gehört der "Pannas", eine Art Kreuzung aus Wurst und einfacher Pastete, die auch heute noch von vielen Metzgern der Region hergestellt wird. Eigentlich eine leckere Resteverwertung, sagt Heinrich Wächter. Vor 50 Jahren gab es noch viele Schlachtfeste. Die übriggebliebene Wurstbrühe hatte viel Geschmack. Angereichert mit Blut und Gewürzen und gebunden mit Buchweizenmehl ließ man das Ganze bis zum nächsten Tag auf der Fensterbank abkühlen. Die festgewordene Masse konnte man in Scheiben schneiden und kurz in der Pfanne wenden. "Köstlich", schwärmt der Koch.

Gedämpfte Brotspezialität: Das süße Schwarze

Pumpernickel-Variation (Foto: DW)
Pumpernickel-VariationBild: DW

Klar, ohne Pumpernickel ist Westfalens Küche nicht zu denken. Die Herstellung der malzig-würzigen Spezialität aus 100 Prozent Roggen erfordert viel Fingerspitzengefühl und ist mit einem herkömmlichen Brot kaum zu vergleichen. Einer der wenigen verbliebenen Traditionsbetriebe, die Pumpernickel herstellen, ist die Firma Prünte in Gelsenkirchen. An sechster Stelle in der Generationenfolge steht Inhaber Thomas Gil. Er ist gelernter Bäcker und zugleich Chemiker. Zwar läuft in seinem Betrieb alles computergesteuert, aber der Backvorgang, der sich über 20 Stunden hinzieht, wird immer wieder verändert. In großen Dampfbehältern werden die schwarzen Laibe langsam bei um die 100 Grad gegart. Nicht nur die Inhaltsstoffe, sogar den Luftdruck gilt es zu berücksichtigen. Die Kenntnisse des Chemikers helfen zwar, entscheidend aber ist die Zunge.

Jedes Detail zählt

Laib Pumpernickel (Foto: DW)
Laib PumpernickelBild: DW

Es gibt eine Menge zu berücksichtigen. Das Roggenkorn kann kleiner oder größer sein. Feuchtigkeit und Stärke variieren genauso wie der Gehalt der Enzyme. Die sind wichtig, damit die Stärke aufgespalten wird in Zucker. Genauso wie beim Wein zählen sogar die Region und die Lage des Feldes, von dem der Roggen stammt. Jeden Mittag um zwölf Uhr wird probiert, ob der aktuelle Pumpernickel gelungen ist. Eine wichtige Qualitätssicherung im Hause Prünte. Thomas Gil betont, der Teufel stecke im Detail. Sogar kleinste Unterschiede, Abweichungen in der Backtemperatur von nur einem Grad ließen sich schmecken. So fühlt sich Thomas Gil oft eher wie ein Whisky-Hersteller. Schritt für Schritt beobachtet er die Mischung aus Gären und Backen, um das perfekte Gleichgewicht zwischen herzhaftem Getreidegeschmack und würziger Süße zu finden.

Übrigens: Weil es diese ganz spezielle Süße hat, stellen manche Köche in Westfalen aus Pumpernickel auch Desserts und sogar Eis her. Probieren lohnt sich.

Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Ramón García-Ziemsen