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Das Erdbeer-Elend

Helle Jeppesen8. Oktober 2012

11.000 Kinder und Jugendliche sind vom Schul- oder Kantinenessen krank geworden. Der Auslöser: Mit Noroviren verseuchte Tiefkühl-Erdbeeren aus China. Müssen solche Billigimporte sein?

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Erdbeeren der Sorte Elsanta liegen 50 Kilometer oestlich von Leipzig in einer Stiege (ddp images/AP Photo/Matthias Rietschel)
Bild: dapd

"Da werden über zehntausende Kilometer offenbar gesundheitsgefährdende Billiglebensmittel herangekarrt, weil frisches Obst aus der Region nicht bezahlbar sein soll? Das ist ein Skandal", kommentiert der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir den Vorfall. Er fordert stattdessen, dass jede Schule in einer eigenen Küche frische Mahlzeiten aus regionalen Zutaten zubereitet - mit Zuschüssen von Bund, Ländern und Kommunen.

Herkunft heißt nicht gleich Hygiene

Ob regionales Obst und Gemüse die Kinder und Jugendlichen vor ihren Magen-Darm-Infektionen bewahrt hätte? Wohl kaum meint Martin Rücker von der Organisation Foodwatch. "Das wäre schön, wenn die Welt so einfach wäre. Wenn hygienische Mängel verantwortlich sind, dann ist völlig egal, woher diese Produkte kommen, ob aus China, aus Timbuktu oder irgendwo aus Ostdeutschland, aus Brandenburg", betont Rücker in einem Interview mit der Deutschen Welle.

Der gemeinnützige Verein Foodwatch spart im Allgemeinen nicht mit Kritik an der Lebensmittelindustrie und fordert ein Recht der Verbraucher auf qualitativ gute, gesundheitlich unbedenkliche und ehrliche Lebensmittel - egal woher sie kommen.

Erstklässler holen in einer Mensa ihr Mittagessen ab. Ihre Schule gehört zu den wenigen in Deutschland, die ihre Schüler noch frisch vor Ort bekochen. Bundesweit liefern meist Caterer das Mittagessen für Schulen an. (Foto: Jens Büttner dpa)
Hygiene ist wichtig. Herkunft auch? Kinder in einer SchulkantineBild: picture-alliance/dpa

Bessere Ökobilanz für Regional-Produkte

Ohne Zweifel, so Martin Rücker, seien regional angebaute und saisonal angebotene Lebensmittel in der Ökobilanz besser als Importware, die durch lange Transportwege und Lagerung nur durch Kühlung frisch bleiben.

Auch die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner sähe lieber, wenn Verbraucher saisonal und regional einkauften. Als Bundesministerin ist sie für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig und plant ein so genanntes "Regionalfenster" für Landwirtschaftsprodukte. Anhand einer solchen, einheitlichen Kennzeichnung sollen Verbraucher sehen können, woher ihre Produkte kommen und sich so auch bewusst für frische regionale Produkte ohne lange Transportwege entscheiden können.

Wertschätzung statt Preiskampf

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gestikuliert auf einer Pressekonferenz (Foto: Carmen Jaspersen dpa)
Landwirtschaftsministerin Aigner will regionale Produkte fördernBild: picture-alliance/dpa

Allerdings müssten viele Verbraucher dann auch ihre Ernährung umstellen. In deutschen Supermärkten gibt es das ganze Jahr über fast alles zu kaufen - aus aller Welt. Mittlerweile wissen viele Verbraucher gar nicht mehr, welche Lebensmittel gerade Saison haben.

Doch besonders wenn es um Schulessen für Kinder und Jugendliche geht, dürfe man vor allem den Bildungsaspekt nicht außer acht lassen, betont Martin Rücker von der Organisation Foodwatch. "Man redet immer davon, dass man Ernährungsbildung haben möchte, dass man den Kindern Wertschätzung für Lebensmittel beibringen möchte. Dann wäre es doch an der Zeit auch hier Vorgaben zu machen", so Rücker. Er bemängelt vor allem, dass immer nur der Preis und nicht die Qualität der Lebensmittel bei der Vergabe der Schulaufträge berücksichtigt werde.

Unschlagbar günstig: Beeren von der anderen Seite der Erde

Auch bei den chinesischen Erdbeeren, in denen jetzt das Norovirus nachgewiesen wurde, spielte wohl vor allem der Preis eine Rolle. China ist mittlerweile der zweitgrößte Lieferant für Tiefkühlerdbeeren in Deutschland - vor allem, weil die Tiefkühlbeeren aus dem Reich der Mitte unschlagbar günstig sind.

Ob man sie deshalb kaufen müsse oder solle - diese Entscheidung sei vor allem eine Frage der politischen Einstellung zusammen, glaubt Martin Rücker: "Das ist eine gesellschaftliche Diskussion, die wir dann führen müssen: Ob gerade die Schulen, also staatliche Einrichtungen, dann solche Arbeitsbedingungen in anderen Ländern, in denen man Dumpinglöhne bezahlt, unterstützen wollen. Oder ob man da einen anderen Anspruch hat."